Berlin . Grüne, Linke und Liberale lehnen Julia Klöckners Tagekontingente und Grenzzentren ab. Ihre Pläne wirken wie eine Attacke auf Merkel.
Was tun, wenn Europa scheitert, wenn Merkels Plan A nicht aufgeht? Je größer die Zweifel an einer europäischen Lösung der Flüchtlingskrise, desto lauter wird der Ruf nach nationalen Alleingängen: In der Union gibt es breite Zustimmung für den Alternativplan von CDU-Vize Julia Klöckner. Sie nennt ihn nicht Plan B, sondern Plan A2 – doch er geht in dieselbe Richtung: eine striktere Grenzpolitik, eine nationale Antwort zur Begrenzung des Flüchtlingszustroms.
„Der Plan von Frau Klöckner geht in die richtige Richtung“, sagte CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt dieser Zeitung. Er ergänze die Anstrengungen zur dringend erforderlichen Begrenzung und Reduzierung der Flüchtlingszahlen in Deutschland und in Europa. „Nur so können wir unsere Hilfe auf die wirklich Schutzbedürftigen konzentrieren und diese angemessen aufnehmen.“ Auch Merkels CDU-interne Kritiker applaudierten: „Es ist völlig egal, ob der Plan nun B oder A2 heißt. Hauptsache, wir gehen jetzt endlich dazu über, nationale Maßnahmen zu ergreifen“, sagte der CDU-Wirtschaftspolitiker Carsten Linnemann.
Parteivize Julia Klöckner, die am 13. März die Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz gewinnen will, hatte in einem Papier unter dem Titel „Plan A2“ unter anderem Tageskontingente für Flüchtlinge an der deutschen Grenze und die Einführung von Grenzzentren ähnlich den von der SPD abgelehnten Transitzonen vorgeschlagen. Die Forderungen seien richtig, es dürfe jetzt keine Denkverbote geben, sagte auch CDU-Mittelstandsexperte Christian von Stetten. Von Stetten gehört zu den Initiatoren eines Briefes an Merkel, in dem 44 Abgeordnete der Unionsfraktion eine Änderung der Zuwanderungspraxis verlangt hatten. Er freue sich, „dass jetzt Bewegung in die Diskussion kommt“.
Die Linke übt scharfe Kritik an „abenteuerlichen Vorschlägen“
Die SPD bestärkte Merkel am Wochenende zwar grundsätzlich in ihrem Festhalten an einer europäischen Lösung (Plan A). SPD-Chef Sigmar Gabriel kalkuliert jedoch längst nationale Lösungen ein. „Ich hoffe, dass alle in Europa wissen, dass das Schließen der Grenzen in Europa der nächste Schritt ist, wenn die Außengrenzen auf Dauer nicht gesichert bleiben“, sagte Gabriel.
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Linke-Chef Bernd Riexinger kritisierte Klöckners Plan zur Regulierung des Flüchtlingsstroms. „Die Bundesregierung hat völlig versagt“, sagte Riexinger dieser Zeitung. „Ein Flüchtling ist ein Mensch und kein Sack Reis, der palettenweise an der Grenze über Monate geparkt werden kann.“ Die Kanzlerin müsse jetzt weiteren abenteuerlichen Vorschlägen eine Absage erteilen. Auch FDP-Chef Christian Lindner kann dem Vorschlag nichts abgewinnen: „In Deutschland regiert das Chaos, und die CDU übt sich in Wortklauberei. Wir erwarten, dass die Bundesregierung endlich handelt.“
Die Grünen sehen in Klöckners Vorstoß eine direkte Attacke auf die Politik der Kanzlerin. „Das ist schon eine obskure Form von Landtagswahlkampf, wenn Julia Klöckner bei sinkenden CDU-Umfragewerten in Rheinland-Pfalz gegen ihre eigene unionsgeführte Bundesregierung zu punkten versucht“, sagte Grünen-Chef Cem Özdemir dieser Zeitung. „So kann man der Kanzlerin auch das Vertrauen entziehen.“ CDU-Generalsekretär Peter Tauber dagegen sieht Klöckner auf Merkels Linie: Man müsse neben den internationalen Anstrengungen auch auf nationaler Ebene besser steuern.
Bis zu 200 Flüchtlinge werden täglich an der Grenze abgewiesen
Anders als im vergangenen Jahr weist die Bundespolizei mittlerweile täglich 100 bis 200 Flüchtlinge an der Grenze ab. Sie geht laut Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) verschärft gegen Menschen vor, die unerlaubt einreisen oder kein Asyl beantragen. Sie hätten „kein Recht, hier zu sein“, sagte er der „Bild am Sonntag“. Zum Vergleich: Im gesamten Monat Oktober wurden nur 400 Flüchtlinge abgewiesen. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) kritisierte, de Maizière versuche den Eindruck zu erwecken, dass man hundertprozentig Herr der Lage sei.
GdP-Vizechef Jörg Radek sagte unserer Zeitung: „Wir kommen nicht über die Zahl von 1000 pro Tag.“ Diese würden systematisch erfasst, das heißt: Name und Identität würden festgestellt, Fingerabdrücke abgenommen. Im Einzelgespräch würden sie nach ihrer Fluchtroute, Verkehrsmitteln und Zielen befragt. Die große Mehrheit aber wird nach Radeks Darstellung weiter an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) verwiesen und dort registriert. Nach Berichten von Polizisten hätten zwei Drittel der Flüchtlinge gar keinen Pass. Darüber werde keine Statistik geführt. Derzeit kommen täglich über 2000 Flüchtlinge.