Berlin. In der Flüchtlingspolitik steigt der Druck auf Kanzlerin Angela Merkel. Ihre Kritiker wollen von ihr wissen: Wie lautet der Plan B?

  • In der Flüchtlingspolitik steigt der Druck auf Kanzlerin Merkel
  • Ihre Kritiker wollen wissen: Wie lautet der Plan B?
  • Über Grenzschließungen verliert Merkel kein Wort

Er hat es getan. Über „Plan B“ geredet. Den es eigentlich nicht gibt. Weil es ihn nicht geben soll. Aber Wolfgang Schäuble, von dem hier die Rede ist, hat klargemacht: Eine Grenzschließung ist eine Option in Berlin. Eine derartige Verschärfung der Lage wäre nicht mehr „eine Frage von Monaten“, sondern von „kleineren kalendarischen Einheiten“. Nanu, nur noch von Wochen!

Die Äußerungen des Finanzministers waren nicht für daheim bestimmt. Er machte sie am Freitag in Brüssel, und sie gerieten alsbald auch in Vergessenheit, weil derselbe Schäuble davon abgelenkt hat. Er machte ein neues Fass auf und brachte eine Erhöhung der Benzinsteuer zur Finanzierung der Flüchtlingshilfe ins Spiel.

Schäuble redet Klartext

Schäuble war nicht das erste Kabinettsmitglied, das über ein Ende der Freizügigkeit in Europa sprach. Wohl aber ist mit seinen Worten europaweit klar geworden, dass der Regierung von Angela Merkel allmählich der Geduldsfaden reißt.

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Im CDU-Präsidium ging es am Montag nach Angaben von Teilnehmern „hoch her“. Schäuble war wegen eines Arzttermins verhindert. Während er in Europa seiner Ungeduld freien Lauf gelassen hatte, bat ein anderer Merkel-Mitstreiter, Volker Kauder, um Geduld. „Jetzt müssen wir der Kanzlerin auch die Zeit geben und sie unterstützen – ein bisschen Geduld ist notwendig“, sagte der Unions-Fraktionschef auch im ZDF.

Geduld mit Merkel. Schon dass man darum bitten muss, wurmt Wahlkämpfer wie die CDU-Vizechefin Julia Klöckner. Sie wünscht sich mehr Geschlossenheit. Die rheinland-pfälzische Spitzenkandidatin riet nach Angaben von Teilnehmern ihren Parteifreunden: „Einfach mal die Klappe halten.“ Merkel bat auch – indirekt jedenfalls – um Geduld: Man könne nicht Mitte Januar, kurz vor den Konsultationen mit der Türkei und zwei EU-Räten, die Bemühungen einstellen.

Die Woche der Wahrheit

Rückblick: Anfang Januar, Wildbad Kreuth, Klausur der Berliner Landesgruppe CSU, der frühere bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber ist als Gast dabei und richtet das Wort direkt an die Kanzlerin: „Wo ist der Plan B?“ Auf dem Ohr ist Merkel taub. Sie redet nur über Plan A, über die Reduzierung der Zahl der Flüchtlinge auf EU-Ebene.

Womöglich bricht für die sogenannte europäische Lösung gerade die Woche der Wahrheit an. Am Montag war der griechische Präsident in Berlin, am Freitag stehen deutsch-türkische Konsultationen an. Griechenland und die Türkei – zwei Schlüsselstaaten dies- und jenseits der EU-Außengrenze. Wenn sie nicht mitziehen, nicht harmonieren, sind die Folgen klar: Mit Frühlingsbeginn wird es auf der Ägäis wieder ruhiger und der Sog der Flüchtlinge wieder ansteigen.

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Viel Zeit bleibt Merkel nicht. Stoiber legt sich fest: „Maximal bis Ende März.“ Dann werde sich nach den Landtagswahlen eine Auseinandersetzung nicht vermeiden lassen. Die CDU müsse ihren Kurs ändern, „notfalls auch gegen die Meinung von Frau Merkel“. So brutal hat es noch keiner gesagt: Merkel nicht länger Teil der Lösung, sondern vielmehr Teil des Problems? Es sind alarmierende Fragen.

Wobei ein Mann wie Stoiber natürlich Plan B kennt. Er kann sich ihn nur so vorstellen, „dass wir unsere Grenzen wieder sichern und das geltende Recht einhalten“. So mahnen es annähernd 60 CDU-Abgeordnete in einem Brief an die Kanzlerin an. So wird sie es auch am Mittwoch hören, wenn sie erneut zu einer Klausur nach Kreuth fährt, diesmal der CSU-Landtagsfraktion. Und Bayerns Staatsregierung erwägt sogar eine Klage, um Grenzkontrollen auf gerichtlichem Weg zu erzwingen.

Stoiber gibt Merkel Zeit bis März

Bereits Mitte September legte die Bundespolizei dem Innenminister einen detaillierten Plan zur Grenzsicherung vor: Wie viele Kräfte sie wohin verlegen würde. Die Beamten würden die offiziellen Übergänge und die grüne Grenze unter ihre Kontrolle bringen, Flüchtlinge aus sicheren Drittstaaten abweisen. Die bayerische Polizei könnte dabei helfen; das Angebot steht.

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Faktisch würde man Neuankömmlinge aus Österreich abweisen. Die Österreicher würden sich genauso verhalten und keine Flüchtlinge aus Slowenien einreisen lassen. Und so ginge es im Dominoeffekt weiter, bis Griechenland, bis Italien, bis zum Mittelmeer.

Zunächst haben die Österreicher aber eine andere Variante ins Spiel gebracht. Deutsche und österreichische Beamte sollten gemeinsam den Balkanstaaten bei der Grenzsicherung helfen und damit illegale Flüchtlinge aufhalten, bevor sie Deutschland erreichen.

De Maizière hat Grenzpläne in der Schublade

Die Blaupause der Bundespolizei von September ist ein „eingestufter Bericht“ – vertraulich. Er beschreibe eine Option auf „abstrakter Flughöhe“, heißt es. Innenminister Thomas de Maizière (CDU) plane nicht, sie umzusetzen. Fakt ist: Er hat fertige Pläne in der Schublade. Er versucht auch nicht, den Befürwortern dieser Lösung die Option auszureden. Im Gegenteil: Die Briefschreiber der Unions-Fraktion wähnen ihn auf ihrer Seite. Auf der letzten Sitzung ihrer Fraktion betonte de Maizière, dass eine Grenzschließung nicht dem Beschluss des letzten CDU-Parteitags widerspreche. Anfang Dezember hatten die Christdemokraten in Karlsruhe eine spürbare Reduzierung der Flüchtlingszahlen beschlossen, vorzugsweise auf europäischem Wege.

Seither hat sich nichts verschlechtert, die Zahlen sind sogar runtergegangen. Angestiegen ist die Ungeduld – nach „Köln“. Nach den Übergriffen auf Frauen ist der Druck auf Merkel gestiegen. Das spürt auch Armin Laschet, einer ihrer Stellvertreter an der Spitze der CDU. Er sagte, es bleibe noch Zeit für die Reduzierung des Zuzugs, „das wird noch ein paar Wochen in Anspruch nehmen“. Es sei unsinnig, jetzt über einen „Plan B“ zu reden.

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Der thüringische Oppositionschef Mike Mohring sieht darin keinen Gegensatz, nationale und internationale Maßnahmen „können ineinandergreifen“. Er denkt auch nicht nur an Grenzkontrollen. Mohring verweist auf das Asylpaket II, das den Familiennachzug einschränkt und bisher wegen der SPD nicht vorankommt, aber auch wirksame Maßnahmen gegen Asylbewerber, die „freiwillig“ gehen, aber oft genug zurückkehren. Gestern erst wies de Maizière erst mal das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge an, die Anträge von Menschen aus nordafrikanischen Staaten vorrangig zu behandeln – abzulehnen.

Schengen wäre dann gescheitert

Über Grenzschließungen verliert Merkel kein Wort. Sie weiß: Schengen wäre damit gescheitert. Wenn der Fall eintritt, habe das „große Auswirkungen auf Deutschland, auf Arbeitsplätze in Deutschland“, so Laschet.

Es ist nur die halbe Wahrheit. Es wären nicht nur Jobs in Deutschland betroffen, sondern auch woanders, etwa bei polnischen Spediteuren. Die außenpolitischen Verwerfungen – Konflikte zwischen den Balkanstaaten über vagabundierende Flüchtlinge – kämen hinzu, ferner Probleme für Griechen und Italiener. Schäuble ist überzeugt: Wenn die Grenzen geschlossen werden, sei Griechenland der „Leidtragende“. Er wollte damit sagen, dass nicht nur Deutschland ein Interesse an einer europäischen Lösung haben müsste. In Brüssel wiederholte er den Vergleich, für den er daheim schroff kritisiert worden war, als er die Flüchtlinge als Lawine bezeichnete. Heute, mitten im Winter, findet Schäuble den Vergleich zutreffender denn je. In Brüssel sagte er: „Wenn jetzt der Schnee fällt, kann man ja wieder daran erinnern: Es gibt auch Lawinengefahr.“