“Einfach mal die Klappe halten.“ Das soll Julia Klöckner Merkels Kritikern in der CDU-Spitze geraten haben. Gut gebrüllt, Löwin.

"Einfach mal die Klappe halten." Das soll Julia Klöckner gestern Merkels Kritikern in der CDU-Spitze geraten haben. Gut gebrüllt, Löwin.

Wenn es nicht so war, dann war es gut erfunden. Man kann den Druck nachempfinden, der in der Flüchtlingspolitik auf den Wahlkämpfern lastet, nicht nur auf Klöckner, nicht allein in Rheinland-Pfalz.

Solche Appelle werden nicht ­helfen. Die Union ist mit sich selbst und der Flüchtlingspolitik ihrer Kanzlerin nicht im Reinen, weil der Druck der Zahlen steigt, weil Merkel mit der europäischen Lösung nur im Krebsgang vorankommt und weil die CSU außer Rand und Band ist. Nach den Vorfällen in Köln hat sich vieles verändert – weniger die Fakten, wohl aber ihre Betrachtung.

Das nahezu wöchentliche Drehen am Flüchtlingsrecht, Asylpakete, ­Erlasse des Innenministers, das ­ewige Gerede über eine europäische Asylpolitik – wo man hinhört: Flickschusterei, Realitätsverweigerung.

Es gibt immer noch keine Hotspots, ebenso wenig eine Einigung über Finanzhilfen für die Türkei oder über die Quoten zur Verteilung der Flüchtlinge. Einige Länder würde man damit überfordern. Großbritannien schonen wir, um keine Gründe für einen Austritt aus der EU zu liefern. Wahrscheinlich kommen wir um radikale Lösungen nicht herum: schärfere nationale Grenzkontrollen, wie Dänemark, wie Schweden.

Zumindest sollte Merkel sie und die Folgen den EU-Partnern vor Augen führen. Wenn es in Europa hart auf hart geht, hat ein Enddatum den Verhandlungen selten geschadet.

Das Dilemma ist, dass Deutschland noch vor wenigen Jahren gegen eine einheitliche Asylpraxis war; dass Merkel im September die Öffnung der Grenzen mit Österreich ­abgestimmt hat, ohne andere zu fragen, nun aber Solidarität anmahnt. Selbst wenn Staaten wie Polen oder Tschechien mitziehen, Flüchtlinge aufnehmen, könnte sich die Strategie als Selbstbetrug erweisen, weil die Menschen nicht bleiben. Sie ­ziehen dahin, wo sie die besten Bedingungen vorfinden. Sie verhalten sich rational. Die Politik tut es nicht.