Düsseldorf. NRW-Innenminister Jäger lobt die Blitz-Aktion. Das Ergebnis seien weniger tödliche Unfälle. Die Polizei bleibt skeptisch. Die Blitzerei bringe nichts.

Der Streit um den auch in Polizeikreisen umstrittenen „24-Stunden-Blitzmarathon“ in NRW hat sich weiter verschärft. NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) sieht die Wirksamkeit der Blitz-Aktionen durch eine neue Studie der RWTH Aachen bestätigt, wonach die durchschnittliche Geschwindigkeit noch Wochen nach den Kontrollen um zwei bis drei Stundenkilometer gesunken ist. Dagegen verwiesen die CDU-Opposition und die Gewerkschaft der Polizei (GdP) auf den Anstieg der Zahl der Verkehrstoten.

Laut Jäger führt eine Tempo-Senkung um nur zwei Stundenkilometer zu 15 Prozent weniger Unfällen mit Toten und Verletzten. „Zwei bis drei Kilometer entscheiden über Leben und Tod.“ 2014 gab es in NRW 520 Verkehrstote. Ralf Jäger kündigte für April einen weiteren europaweiten „Blitz-Marathon“ an.

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Laut Studie wiesen gut die Hälfte der 35 in Köln und Umgebung betrachteten Kontrollstellen in den zwei Wochen nach dem „Blitz-Marathon“ geringere mittlere Geschwindigkeiten auf. Vor allem an Standorten mit vorher hohen Tempo-Überschreitungen wurden die größten Wirkungen erzielt. Jäger, der einräumte, selbst schon geblitzt worden zu sein, hofft auf eine Verhaltensänderung der Autofahrer.

CDU kontert mit dem Hinweis auf mehr Verkehrstote

An acht ausgewählten Standorten im Raum Köln hatten die Aachener Wissenschaftler festgestellt, dass vor allem die hohen Tempo-Überschreitungen nach dem „Blitz-Marathon“ leicht zurückgegangen sind. Und jeder Stundenkilometer weniger kann Leben retten. „Bei Unfällen mit Fußgängern gibt es statistisch bei Tempo 50 insgesamt sieben getötete Personen, bei Tempo 45 sind es fünf Getötete“, sagte der Mitautor der Studie, Dirk Kemper. An Wochenenden gab es deutlich mehr Temposünder als an Wochentagen.

Dagegen bezeichnete der CDU-Innenpolitiker Theo Kruse die Vorlage der Studie als „Akt der Hilflosigkeit“. Trotz „Blitz-Marathons“ sei die Zahl der Verkehrstoten in NRW 2014 um neun Prozent gestiegen. Dabei seien durch schnelles Fahren sogar 21 Menschen mehr gestorben. Kruse: „Die Blitz-Marathons sind teure PR-Gags für Innenminister Jäger ohne langfristigen verkehrspädagogischen Nutzen.“

GdP-Landeschef Arnold Plickert argumentiert ähnlich. „Es gibt mehr getötete Fußgänger und Kradfahrer. Da kann ich nicht nachvollziehen, dass nun von 15 Prozent weniger Unfällen geredet wird“, sagte Plickert der WAZ. Ein „Blitz-Marathon“ verändere kaum das Verhalten. Entscheidend sei, „dass das ganze Jahr über kontrolliert wird.“ Der letzte „Marathon“ im November beschäftigte 2620 Polizisten. Polizei-Gewerkschaften hielten dies für unverhältnismäßig. Im April sollen nur Verkehrspolizisten zum Einsatz kommen. Der Aufwand werde dann „deutlich kleiner“, lobt die GdP. „Der ,Blitz-Marathon’ schadet zwar nicht, aber es ist fraglich, ob er hilft“, sagte Plickert außerdem.

Übrigens: Das Land Niedersachsen erwägt den Ausstieg aus dem „Blitz-Marathon“: Der Aufwand sei riesig, der Nutzen klein.

Die Polizeigewerkschaft GdP verweist auf die aktuell gestiegene Zahl der Verkehrstoten und bezweifelt, dass sich Autofahrer von diesen Kontrollen beeindrucken lassen. „Der ,Blitz-Marathon’ schadet zwar nicht, aber es ist fraglich, ob er hilft“, sagte GdP-Landeschef Arnold Plickert dieser Zeitung.

Verkehrspsychologe hält „Blitz-Marathon“ für sinnvoll

Der Verkehrspsychologe Markus Hackenfort (Zürich, früher Uni Duisburg-Essen) kann sich einen pädagogischen Effekt der „Blitz-Marathons“ durchaus vorstellen. „Sie verbessern wahrscheinlich das Wissen darüber, wie gefährlich das Rasen tatsächlich ist“, sagte Hackenfort.

Seine Begründung: Die „Blitz-Marathons“ wirken mehr als jede Kampagne, weil in den Medien immer wieder ausführlich darüber berichtet wird. „Man spricht mehr als früher über das Rasen und die Gefahren, die damit verbunden sind“, so der Professor. Er vergleicht diese Entwicklung mit der sich verändernden Einstellung gegenüber dem Rauchen. „Auch hier hat sich der gesellschaftliche Wind gedreht.“

Dass für die Studie nur im Raum Köln Geschwindigkeiten gemessen wurden, schmälert laut Hackenfort möglicherweise die Aussagekraft: „Ich frage mich, ob die größte Stadt in NRW Prototyp für das ganze Land sein kann.“ Die GdP äußerte ähnliche Bedenken.