Washington. . Leonardo DiCaprio will den VW-Abgasskandal verfilmen. Das Drehbuch gibt es noch nicht – aber es ist in Arbeit. Ein Gespräch mit Autor Jack Ewing.

Die Gliederung steht schon. Und bis Ende nächsten Jahres sollen, „wenn alles gut geht“, rund 400 Seiten druckreif lektoriert sein. So viel hat sich Jack Ewing vorgenommen, um Volkswagens „Dieselgate“-Affäre erhellend und präzise aufzuschreiben.

Auf dem seit knapp 20 Jahren in Frankfurt stationierten Wirtschafts-Korrespondenten, der seit 2010 für die New York Times arbeitet, lasten ab sofort dreifach hohe Erwartungen. Sein Blatt erwartet qualitativ hochwertige Nachrichten, sein Verlag in New York einen Bestseller. Und da ist noch Leonardo DiCaprio.

DiCaprios Produktionsfirma hat sich Rechte gesichert

Noch bevor der weltweit in Misskredit geratene Auto-Konzern ein technisches Rezept gegen den millionenfachen Riesen-Schwindel bei Diesel-Abgasen gefunden hat, sicherte sich Hollywoods Schauspiel-Star mit seiner Produktionsfirma Appian und den Paramount Filmstudios die Rechte an Ewings Stoff. „Ich werde viele Wochenenden und Urlaube damit verbringen, das Buch fertig zu kriegen“, sagte Ewing dieser Zeitung.

Trotzdem die erste Frage: Wer spielt Martin Winterkorn? Ewing, gerade in Massachusetts an der US-Ostküste unterwegs, lacht am Telefon. „Das ist noch Zukunftsmusik. Aber ganz ehrlich, ich könnte mir DiCaprio sehr gut als Konzernchef vorstellen.“

Folgen die Drehbuch-Autoren seiner Vorlage, müsste der Mime einen roten Faden umsetzen, den Ewing entlang einer Kern-These ausrollen will: „Bei Volkswagen scheint der Ehrgeiz außer Kontrolle geraten zu sein.“

Der Journalist der 1995 zum ersten Mal über den Wolfsburger Konzern geschrieben hat, verfolgt vorsichtig die Annahme, dass der Betrugsskandal mit Versagensängsten und der Furcht vor Gesichtsverlust zu tun haben könnte.

Abgas-Skandal für Drehbuchschreiber „totale Überraschung“

Seine vorläufige Lesart: VW-Techniker haben in den Jahren 2007/2008 erkannt, dass ihre Dieselmotoren partout nicht den strengen Umweltgesetzen in Amerika genügen. Anstatt der Chef-Etage das Problem zu beichten, wurde mit illegalen Methoden („defeat device“) passend gemacht, was anders nicht passend zu machen war. Der „Kultur bei VW“ komme dabei hohe Bedeutung zu.

Für Jack Ewing kam der Abgas-Skandal als „totale Überraschung“ daher. Erst im vergangenen Jahr hatte der US-Journalist noch ein Buch mit dem Titel: „Deutschlands wirtschaftliche Wiedergeburt - Lehren für Amerika“ veröffentlicht. „Der Glaube an deutsche Wertarbeit, das Image der teuren, aber als exzellent geltenden deutschen Ingenieurskunst könnte nun durch den VW-Skandal stark beschädigt werden.“

Dass Leonardo DiCaprio die Finger im Spiel hat, wundert unterdessen in der Film-Szene niemanden. Der Star gehört in Hollywood zu den engagiertesten Umweltschützern. Der massenhafte Ausstoß von Stickoxiden, 40 Mal mehr als erlaubt, den VW bei seinen Diesel-Motoren in betrügerischer Absicht möglich machte, könnte DiCaprio persönlich erzürnt habe, spekulieren Branchen-Insider.

Für Hollywood sind solche Skandale bares Geld

Für die Traumfabrik sind Skandale wie der bei Volkswagen bares Geld. 2016 kommt „Deepwater Horizon“ auf die Leinwand. Der Film, in dem Mark Wahlberg die Hauptrolle spielt, dreht sich um die Öl-Katastrophe im Golf von Mexiko, nachdem dort die gleichnamige Bohr-Plattform explodiert war. Auch der Börsenzocker-Thriller „The Big Short“, nach dem Buch über den Finanz-Skandal 2008 von Michael Lewis, soll an der Kinokasse demnächst für Umsatz sorgen.

Bis dahin hat Volkswagen noch reihenweise reale Probleme zu bewältigen. Dabei könnte der jüngste juristische Schachzug der Anwaltskanzlei von Steve Berman in Seattle den Wolfsburgern besonders wehtun. Berman, bereits Initiator einer großen Sammelklage für Dutzende geschädigte VW-Besitzer, hat mit Interesse zugehört, als VW-Amerika-Chef Michael Horn jüngst in einem Untersuchungsausschuss des Kongresses von längeren Wartezeiten bei der technischen Nachrüstung der manipulierten 500 000 Autos in den USA sprach.

Horn hatte gesagt, dass bei vielen Dieselmodellen erst in einem Jahr mit den Reparaturarbeiten begonnen werden könne. Viel zu spät, sagt Berman mit Verweis auf die strikten Verbraucherschutzgesetze in Kalifornien. Dort gebe es einen Passus, der Firmen zum Rückkauf ihrer Produkte zwingt, wenn sie nicht in annehmbarer Zeit gesetzeskonform nachgerüstet werden können.

VW soll verkaufte Autos zum Originalpreis zurücknehmen

In einer Anhörung im November will Berman erreichen, dass VW in einem ersten Schritt die 67 000 Autos, die der Konzern zwischen 2009 und 2015 in Kalifornien an den Verbraucher gebracht hat, zum Original-Preis wieder zurücknimmt. Orientierungsgröße: Für die rund 500 000 betroffenen VW-Modelle in Amerika würden bei einem Rückkauf nach Kalkulation des Informationsdienstes Kelley Blue Book bis zu 7,3 Milliarden Dollar fällig; mehr als VW bislang zur Regulierung der gesamten Katastrophe zurückgelegt hat.