Leipzig. . Eine Umfrage unter syrischen Flüchtlingen zeigt, die weitaus meisten wollen in ihr Land zurückkehren - wenn denn Staatschef Assad entmachtet ist.
Der Terror der IS-Milizen sorgt weltweit für Entsetzen, doch die meisten Syrer sind auf der Flucht vor der Gewalt des Assad-Regimes. Das geht aus einer Umfrage unter syrischen Flüchtlingen in Deutschland hervor, die auch Bundeskanzlerin Angela Merkel in der Talkshow Anne Will am Mittwochabend erwähnte. Was Merkel heraushob: die weitaus meisten syrischen Flüchtlinge, die jetzt in Deutschland ist, wollen wieder in ihre Heimat zurück - wenn denn die Umstände zuhause es ermöglichen.
Die Studie über Fluchtgründe und Zukunftsperspektiven wurde von der Organisation "Adopt a Revolution" mit Sitz in Leipzig erstellt, die vom Ausland aus die zivilgesellschaftliche Opposition in Syrien unterstützt. Sie sei aus Spenden finanziert und vom Wissenschaftszentrum Berlin begleitet worden, sagte der Initiator von "Adopt a Revolution", Elias Perabo. Befragt worden seien knapp 900 syrische Flüchtlinge in Deutschland.
Nach Deutschland geflüchtet, aus Angst vor dem Assad-Regime
70 Prozent der Befragten machen für die Kriegsgewalt das Assad-Regime verantwortlich, nur rund ein Drittel nennt an erster Stelle die IS-Terrormiliz. Ähnlich antworteten die Syrien-Flüchtlinge auf die Frage, von wem die größte Terrorgefahr ausgehe: Drei Viertel hatten Angst, vom Assad-Regime entführt oder festgenommen zu werden, 42 Prozent nannten den "Islamischen Staat" (IS) an erster Stelle.
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Nur 13 Prozent der Geflüchteten gaben als Hauptgrund materielle Not an. Mehr als zwei Drittel der befragten Syrer sagten, sie seien geflohen, weil ihr Leben unmittelbar bedroht gewesen sei. Rund zwei Dritte der Befragten sind erst in diesem Jahr direkt aus Syrien geflohen (65 Prozent), knapp 30 Prozent sind ein bis zu drei Jahre auf der Flucht gewesen, bevor sie Deutschland erreicht haben.
Keine Hoffnung mehr auf eine Zukunft in Syrien
Der syrische Aktivist Haid Haid, der selbst geflohen ist, während seine Familie noch in Syrien lebt, sagte, viele Menschen, die bisher im Land ausgehalten hätten, sähen nun keine Hoffnung mehr auf eine Zukunft. Die jüngsten hohen Flüchtlingszahlen seien auf die zunehmend schwierige Lage in den Nachbarländern zurückzuführen, auf die unzureichende internationale Hilfe und auf die zuletzt durch die russischen Bombardements weiter ansteigende Gewalt, sagte Haid Haid als Sprecher der Kampagnen "Planet Syria" und "The Syria Campaign", die sich für nicht-militärische Lösungen starkmachen.
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Mehr als die Hälfte der Syrer denke, dass mehr Menschen im Land bleiben könnten, wenn die internationale Gemeinschaft eine Flugverbotszone durchsetzen würde. Die Bombardements jenseits der Frontlinien - insbesondere mit Fassbomben, die ausschließlich vom Assad-Regime eingesetzt würden - seien die größte Bedrohung, sagte Haid Haid.
Nur acht Prozent sehen ihre Zukunft in Deutschland
Auf die Frage, was sich in Syrien ändern müsse, damit sie zurückkehrten, nannten 68 Prozent der Flüchtlinge ein Ende des Krieges und mehr als die Hälfte (51,5 Prozent), dass Assad entmachtet werden müsse. Nur acht Prozent sehen ihre Zukunft in Deutschland, alle anderen hoffen auf eine Rückkehrmöglichkeit.
Die Befragung von knapp 900 syrischen Flüchtlingen in zwölf Erstaufnahmeeinrichtungen, Registrierungsstellen und Flüchtlingsheimen in West- und Ostdeutschland erfolgte von Mitte September bis Anfang Oktober in der Regel mit arabisch-sprachigen Fragebögen. Nach Angaben des Wissenschaftszentrums Berlin geben die Ergebnisse eine erste Auskunft über die Fluchtgründe und die Haltung der Flüchtlinge, sind aber nicht repräsentativ. 88 Prozent der Befragten sind Männer. Die größte Gruppe der Interviewten ist zwischen 16 und 25 Jahren alt. (epd)