Berlin. Ein Vierteljahrhundert - ist das lang oder kurz für ein Land, das 40 Jahre geteilt war? Wie weit ist die deutsche Einheit gediehen? Wo ist Deutschland zusammengewachsen, was trennt Deutschland heute noch?

Bange Blicke zum Wachturm gibt es längst nicht mehr. Wer die ehemaligen deutsch-deutschen Grenzübergänge Marienborn bei Helmstedt oder Dreilinden bei Berlin passiert, hat freie Fahrt. In beide Richtungen. Die Auslagen und Regale der Geschäfte im Osten des Landes unterscheiden sich in nichts von denen im Westen. Schlangestehen für Südfrüchte? Längst vergessen. Und sonst?

25 Jahre nach der deutschen Wiedervereinigung steigt am 3. Oktober ein großer Festakt in Frankfurt am Main. Vieles ist überwunden, was hüben und drüben trennte. Und doch legen gleich mehrere Umfragen nahe, dass noch nicht alles einig ist, was vereinigt wurde. Warum?

"Die Lebensläufe sind entschieden"

Im Osten habe die "Überlagerung" des Westens vor 25 Jahren gerade nicht zur echten Annäherung geführt, allenfalls zur örtlichen, erklärt Karl-Siegbert Rehberg, Gründungsprofessor für Soziologie an der Technischen Universität Dresden. Und bei den Bürgern der ehemaligen Bundesrepublik sei die Wiedervereinigung ohnehin nur Thema, wenn man damit direkt zu tun habe: "Wenn eine Gesellschaft nicht zusammenbricht, hat man ja auch wenig Grund, viel zu ändern."

"Die Lebensläufe sind entschieden", sagt Rehberg. Die mittlere Generation sei wieder gut etabliert - ob als Gewinner oder "Sinn-Verlierer" der Einheit. "Jetzt nach 25 Jahren kann man auf seinen Lebenslauf wieder besser zurückgreifen und ihn auch rechtfertigen", erklärt der Experte, Inhaber des Lehrstuhls für Soziologische Theorie, Theoriegeschichte und Kultursoziologie.

25 Jahre Deutsche Einheit

So ein Tag, so wunderschön....: Einheitsfeier in Berlin mit Kanzler Helmut Kohl (rechts) und Ehefrau Hannelore, der damalige Bundes-Außenminister Hans-Dietrich Genscher und Altkanzler Willy Brandt (links). Sie hörten nicht nur Jubel.
So ein Tag, so wunderschön....: Einheitsfeier in Berlin mit Kanzler Helmut Kohl (rechts) und Ehefrau Hannelore, der damalige Bundes-Außenminister Hans-Dietrich Genscher und Altkanzler Willy Brandt (links). Sie hörten nicht nur Jubel. © NRZ
Tausende Berliner feiern die Wiedervereinigung in der Allee Unter den Linden.
Tausende Berliner feiern die Wiedervereinigung in der Allee Unter den Linden.
Doch es gibt auch Gegenstimmen: Demonstranten vor dem Brandenburger Tor während der Feierlichkeiten zum Tag der Deutschen Einheit am 3. Oktober 1990.
Doch es gibt auch Gegenstimmen: Demonstranten vor dem Brandenburger Tor während der Feierlichkeiten zum Tag der Deutschen Einheit am 3. Oktober 1990.
Im Trubel.
Im Trubel.
Es wächst zusammen...: Ostberliner Polizist (li.) und Westberliner Kollege (re.) im Gespräch.
Es wächst zusammen...: Ostberliner Polizist (li.) und Westberliner Kollege (re.) im Gespräch.
Am Abend des 3. Oktober 1990 vor dem Berliner Reichstag...
Am Abend des 3. Oktober 1990 vor dem Berliner Reichstag...
...und hinter den Kulissen: Thomas Gottschalk (Mitte interviewt Hans-Dietrich Genscher (3. von links); die Sendung heißt nicht
...und hinter den Kulissen: Thomas Gottschalk (Mitte interviewt Hans-Dietrich Genscher (3. von links); die Sendung heißt nicht "Setten, dass..."
Flaggenparade: Gehisste Fahnen vor dem Reichstag am Tag der Deutschen Einheit.
Flaggenparade: Gehisste Fahnen vor dem Reichstag am Tag der Deutschen Einheit. © dpa
Der damalige Kanzleramtsminister Rudolf Seiters (2.v.links) auf dem Festempfang im Reichstag.
Der damalige Kanzleramtsminister Rudolf Seiters (2.v.links) auf dem Festempfang im Reichstag.
Von ihm stammt der Satz
Von ihm stammt der Satz "Es wächst zusammen, was zusammen gehört": Der frühere SPD-Chef und Altkanzler Willy Brandt vor dem Berliner Reichstag.
Zeit für Autogramme: Kanzler Helmut Kohl am 3. Oktober 1990 im Berliner Reichstag.
Zeit für Autogramme: Kanzler Helmut Kohl am 3. Oktober 1990 im Berliner Reichstag.
Gegenstimmen: Demonstration am Tag der Deutschen Einheit vor dem Brandenburger Tor in Berlin.
Gegenstimmen: Demonstration am Tag der Deutschen Einheit vor dem Brandenburger Tor in Berlin.
Autonome während einer Anti-Deutschland-Demo am 3. Oktober 1990 in Berlin.
Autonome während einer Anti-Deutschland-Demo am 3. Oktober 1990 in Berlin.
Letzter Auftritt. Wachsoldat vor der Neuen Wache während der Feierlichkeiten zum Tag der Deutschen Einheit in Berlin. Noch wenige Stunden, dann ist die DDR Geschichte.
Letzter Auftritt. Wachsoldat vor der Neuen Wache während der Feierlichkeiten zum Tag der Deutschen Einheit in Berlin. Noch wenige Stunden, dann ist die DDR Geschichte.
Hier ist sie schon Geschichte.
Hier ist sie schon Geschichte.
Feiern, singen - Trubel der Einheit.
Feiern, singen - Trubel der Einheit.
...und auf den Straßen brennt ein Auto: Aussschreitungen in Berlin.
...und auf den Straßen brennt ein Auto: Aussschreitungen in Berlin.
Polizisten beziehen Stellung gegen Demonstranten einer Anti-Deutschland Demonstration.
Polizisten beziehen Stellung gegen Demonstranten einer Anti-Deutschland Demonstration.
Ganz anders die Szenen am Brandenburger Tor: Ein Flaggenmeer in Schwarz-Rot-Gold.
Ganz anders die Szenen am Brandenburger Tor: Ein Flaggenmeer in Schwarz-Rot-Gold. © imago stock&people
Rückblick: Nur ein knappes Jahr ist es her, dass in Berlin noch die Mauer West und Ost trennte. Nach dem 9. November...
Rückblick: Nur ein knappes Jahr ist es her, dass in Berlin noch die Mauer West und Ost trennte. Nach dem 9. November... © NRZ
...bekam sie schnell Löcher. Das Wort
...bekam sie schnell Löcher. Das Wort "Mauerspecht" entsteht. © NRZ
Oder es machten sich Kletterer an ihr zu schaffen.
Oder es machten sich Kletterer an ihr zu schaffen. © nrz
Berlin nach der Grenzöffnung: Reger Verkehr durch die Mauer zwischen Ost und West.
Berlin nach der Grenzöffnung: Reger Verkehr durch die Mauer zwischen Ost und West. © NRZ
Jugendliche rittlings auf dem einstigen
Jugendliche rittlings auf dem einstigen "antifaschistischen Schutzwall" der DDR. © NRZ
Jubelstimmung: Silvesterfeier 1989/90 an der Mauer am Brandenburger Tor. Jahre später...
Jubelstimmung: Silvesterfeier 1989/90 an der Mauer am Brandenburger Tor. Jahre später... © NRZ
...weiß man kaum noch, wo die Mauer mal war. Die Eastside Galerie an der Spree in Berlin ist einer der wenigen Orte, der mittlerweile sogar restauriert wurde. Und heute:
...weiß man kaum noch, wo die Mauer mal war. Die Eastside Galerie an der Spree in Berlin ist einer der wenigen Orte, der mittlerweile sogar restauriert wurde. Und heute: © NRZ
...erinnern Straßenschilder an das Ereignis, das am 3. Oktober 1990 in Kraft trat.
...erinnern Straßenschilder an das Ereignis, das am 3. Oktober 1990 in Kraft trat. © NRZ
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Aus seiner Sicht gibt es ein inneres Kommunikationsverhalten. "Die Verkehrskreise sind noch relativ getrennt", selbst wenn die Menschen auf die andere Seite der ehemaligen Grenze wechselten. Eine Stadt wie Dresden etwa habe zwei Kunstvereine, "in einem sind Westdeutsche und im anderen Ostdeutsche". Und bis auf manchen Trip nach Berlin, Dresden, Rostock oder Leipzig, nach Rügen oder in die Sächsische Schweiz halten sich viele Westdeutsche vom Osten fern.

Reisefreiheit - bekannte Küsten und Berge liegen vorn:

Denn die Macht des Gewohnten ist 25 Jahre nach der Wiedervereinigung auch beim Urlaub groß. Nach Stippvisiten im Ausland ist bei den innerdeutschen Reisezielen der Ostdeutschen längst wieder die Ostseeküste samt Inseln am beliebtesten. Bei den Westdeutschen zieht Bayern am meisten, wie Daten des Statistischen Bundesamtes belegen. Vor allem die mittlere Generation setzt auf das Bekannte. Vor allem bei jungen Menschen sind die Ziele hingegen weniger festgelegt. "Die Reisefreiheit ist das Schönste, was es für mich gibt", sagt etwa Sarah Klier, zwei Minuten vor dem 3. Oktober 1990 in Leipzig geboren und als "letzter Schrei der DDR" bekannt. Die frischgebackene Tourismusmanagerin will ein Halbjahr als Tour-Guide auf einem Kreuzfahrtschiff arbeiten.

Äußeres trügt: "Du siehst aber gar nicht so aus..."

Ihre Geburtsstadt Leipzig sieht Klier niemand mehr an. Trotzdem: Auch heute noch hören Ostdeutsche im Westen manchmal noch den Satz: "Du siehst aber gar nicht so aus...". Er entfährt manch Westdeutschem, wenn er erfährt, dass sein Gegenüber in der DDR gelebt hat. Und auch Ostdeutsche glauben mitunter, einen Wessi in ihrer Region sofort am Äußeren zu erkennen. "Das ist Quatsch, modisch ist die Einheit längst vollzogen", sagt der Hauptgeschäftsführer im Zentralverband des deutschen Friseurhandwerks, Jörg Müller. Und zwar von Kopf bis Fuß. Nach Ansicht von Modeexperten verläuft die Stil-Trennlinie längst nicht mehr zwischen Ost und West, sondern nach Einkommen oder Stadt- und Landregionen. "Mit Pumps geht man nicht in den Stall. Man muss nach den Metropolen schauen, da hängt Leipzig Düsseldorf keinen Deut nach", sagt Müller.

Einig im Konsum, nur in der Kaufkraft noch nicht:

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Wofür private Haushalte in Ost und West ihr Geld ausgeben, ist nach fast 25 Jahren Einheit ebenfalls weitgehend gleich, wie aus den Daten des Statistischen Bundesamtes hervorgeht. Das meiste ging etwa 2012 für die Wohnung (Ost: 34,2 Prozent und West: 34,5), Mobilität (Ost: 13,9 und West: 14,3) sowie Nahrung (Ost: 14,4 und West: 13,8) drauf. Unterschiedlich ist das Kaufvolumen - mit rund 2400 Euro monatlich im Westen und rund 1900 in den Ostländern und Berlin. Durchweg wirtschaftlich gesichert fühlen sich Bürger im stärker von Arbeitslosigkeit betroffenen Osten denn auch nicht. Zwar nannten 2014 in der Allensbach-Studie "Wertewandel Ost" im Auftrag großer Ost-Zeitungen rund 61 Prozent der Befragten die Wiedervereinigung eine Erfolgsgeschichte. Aber viele Ostdeutsche fürchten auch den Verlust an Wohlstand.

25 Jahre Einheit - Warum Pegida in Ostdeutschland erfolgreicher ist 

"Die diffuse Angst durch nicht kalkulierbare Dinge" sei in Ostdeutschland signifikant höher als in Westdeutschland, sagt Prof. Everhard Holtmann vom Zentrum für Sozialforschung der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Das sei einer der Gründe, weshalb die Pegida-Bewegung in Ostdeutschland größeren Zulauf hatte als im Westen. Das betreffen auch die Frage: Wie begegnen wir Zuwanderern, Asylbewerbern, Flüchtlingen? "Das Angstpotenzial ist in Ostdeutschland - bedingt durch die Auswirkungen der ökonomischen und gesellschaftlichen Transformationskrise - erkennbar größer. Das ist eine der Ost-West-Differenzen, die man zur Kenntnis nehmen muss", sagt Holtmann.

Der Zulauf zur islamfeindlichen Pegida-Bewegung sei auch Folge der "Sinn-Kränkung" vieler durch die Wende in ihrem bisherigen Lebenssinn entwerteter älterer "Mitläufer", glaubt auch Sozialforscher Rehberg. Die seien aber keine Agitatoren.

Wir sprechen Deutsch - Die Sprache der Einheit:

Mit einer Stimme sprechen die Deutschen nicht immer, eine Sprache schon. Die Einheit des Wortschatzes ist weitgehend vollzogen, wie Linguistik-Professor Peter Schlobinski, Vorsitzender der Gesellschaft für Deutsche Sprache (GfDS) in Wiesbaden, sagt. Für die Gruppe der Unter-60-Jährigen sei dieser Prozess abgeschlossen.

Während Hunderttausende in den Nachwendejahren nach Westen zogen, machte sich die Sprache der alten Bundesrepublik schnell im Osten breit und blies den sozialistischen Einheitsjargon fort, dem die wirtschaftliche und politische Verankerung plötzlich entzogen war. Bürokratische Wortungetüme wie die Jahresendflügelfigur für den Weihnachtsengel dienen heute allenfalls noch für satirische Rückblenden auf die untergegangene DDR.

So hat sich Berlin gewandelt

Westdeutsche Grenzpolizisten stehen am 17.06.1987 vor der Mauer am Brandenburger Tor in Berlin. ....
Westdeutsche Grenzpolizisten stehen am 17.06.1987 vor der Mauer am Brandenburger Tor in Berlin. .... © dpa
Im Jahr 2014 wechseln am gleichen Ort Passanten die Straßenseite zwischen Tiergarten und Brandenburger Tor.
Im Jahr 2014 wechseln am gleichen Ort Passanten die Straßenseite zwischen Tiergarten und Brandenburger Tor. © dpa
Ein demoliertes Auto steht an der Berliner Mauer vor dem Brandenburger Tor am 18.09.1987. ...
Ein demoliertes Auto steht an der Berliner Mauer vor dem Brandenburger Tor am 18.09.1987. ... © dpa
Am 15.10.2014 fließt der Verkehr am Brandenburger Tor in Berlin.
Am 15.10.2014 fließt der Verkehr am Brandenburger Tor in Berlin. © dpa
Am 10.11.1989 schiebt sich eine Menschenmasse durch eine Mauerlücke an der Bernauer Straße in Berlin. ...
Am 10.11.1989 schiebt sich eine Menschenmasse durch eine Mauerlücke an der Bernauer Straße in Berlin. ... © dpa
Im Jahr 2014 ist es ruhig am einstigen Mauerübergang an der Bernauer Straße in Berlin.
Im Jahr 2014 ist es ruhig am einstigen Mauerübergang an der Bernauer Straße in Berlin. © dpa
Der Turm der Versöhnungskirche, die direkt hinter der Mauer in Ostberlin lag, wurde am 28.01.1985 gesprengt. ...
Der Turm der Versöhnungskirche, die direkt hinter der Mauer in Ostberlin lag, wurde am 28.01.1985 gesprengt. ... © dpa
Inzwischen gehört die Fläche zur Gedenkstätte an der Bernauer Straße in Berlin.
Inzwischen gehört die Fläche zur Gedenkstätte an der Bernauer Straße in Berlin. © dpa
Der ehemalige Grenzübergang Checkpoint Charlie in Berlin am 19.05.1984 ...
Der ehemalige Grenzübergang Checkpoint Charlie in Berlin am 19.05.1984 ... © dpa
... ist inzwischen zu einem Museum umfunktioniert worden.
... ist inzwischen zu einem Museum umfunktioniert worden. © dpa
Am 11.11.1989 freuen sich diese  DDR-Bürger mit ihren Einkäufen in Herleshausen (Hessen) vor einem Spar-Markt. Diesen Supermarkt ...
Am 11.11.1989 freuen sich diese DDR-Bürger mit ihren Einkäufen in Herleshausen (Hessen) vor einem Spar-Markt. Diesen Supermarkt ... © dpa
... gibt es inzwischen nicht mehr.
... gibt es inzwischen nicht mehr. © dpa
Ein Abschnitt der Berliner Mauer in der Mühlenstraße in Berlin-Friedrichshain am 25.01.1990. ...
Ein Abschnitt der Berliner Mauer in der Mühlenstraße in Berlin-Friedrichshain am 25.01.1990. ... © dpa
Heute ist der ehemalige Mauerabschnitt als
Heute ist der ehemalige Mauerabschnitt als "East Side Gallery" bekannt. Das Mauerstück zwischen dem Berliner Ostbahnhof und der Oberbaumbrücke wurde von 118 Künstlern mit Wandbildern verschönert. © dpa
Die Mauer zwischen Scheidemannstraße und Brandenburger Tor im Februar 1988. ...
Die Mauer zwischen Scheidemannstraße und Brandenburger Tor im Februar 1988. ... © dpa
Das Brandenburger Tor im Jahr 2014.
Das Brandenburger Tor im Jahr 2014. © dpa
Westberliner Polizisten arbeiten 1988 vor den zum Teil beschädigten Grenzanlagen auf dem westlichen Teil der Glienicker Brücke in Berlin. ...
Westberliner Polizisten arbeiten 1988 vor den zum Teil beschädigten Grenzanlagen auf dem westlichen Teil der Glienicker Brücke in Berlin. ... © dpa
Die Glienicker Brücke am 15.10.2014: Zwischen Berlin und Potsdam war sie während der deutsch-deutschen Teilung ein Symbol der Ost-West-Konfrontation.
Die Glienicker Brücke am 15.10.2014: Zwischen Berlin und Potsdam war sie während der deutsch-deutschen Teilung ein Symbol der Ost-West-Konfrontation. © dpa
Die Friedrichstraße am Checkpoint Charlie in Berlin im Oktober 1961. Von der Hochzeit des Kalten Krieges ist ...
Die Friedrichstraße am Checkpoint Charlie in Berlin im Oktober 1961. Von der Hochzeit des Kalten Krieges ist ... © dpa
... im Jahr 2014 nichts mehr zu spüren. 25 Jahre nach der Wiedervereinigung Deutschlands erinnern das Mauermuseum und ein nachgebautes Kontrollhäuschen an die bewegende Geschichte des Grenzübergangs.
... im Jahr 2014 nichts mehr zu spüren. 25 Jahre nach der Wiedervereinigung Deutschlands erinnern das Mauermuseum und ein nachgebautes Kontrollhäuschen an die bewegende Geschichte des Grenzübergangs. © dpa
Der abgesperrte Pariser Platz vor dem Brandenburger Tor im Herbst 1989...
Der abgesperrte Pariser Platz vor dem Brandenburger Tor im Herbst 1989... © dpa
... und im Herbst 2014 in Berlin.
... und im Herbst 2014 in Berlin. © dpa
Passanten auf der West-Berliner Seite vor der Mauer am Brandenburger Tor vor der Wende ...
Passanten auf der West-Berliner Seite vor der Mauer am Brandenburger Tor vor der Wende ... © dpa
... und nach der Wende in Berlin.
... und nach der Wende in Berlin. © dpa
Die Mauer vor dem Brandenburger Tor in Berlin am 21.07.1986, ...
Die Mauer vor dem Brandenburger Tor in Berlin am 21.07.1986, ... © dpa
.. mit Menschen auf der Berliner Mauer am 10.11.1989, ...
.. mit Menschen auf der Berliner Mauer am 10.11.1989, ... © dpa
... und das Brandenburger Tor ohne Mauer am 13.10.2014 in Berlin.
... und das Brandenburger Tor ohne Mauer am 13.10.2014 in Berlin. © dpa
Die DDR-Propaganda beim Mauerbau an der Chausseestraße/Ecke Liesenstraße im Jahr 1961.  ...
Die DDR-Propaganda beim Mauerbau an der Chausseestraße/Ecke Liesenstraße im Jahr 1961. ... © dpa
Knapp 25 Jahre nach dem Mauerfall, wird hier an der Chausseestraße in Berlin wieder neu gebaut.
Knapp 25 Jahre nach dem Mauerfall, wird hier an der Chausseestraße in Berlin wieder neu gebaut. © dpa
Die Brücke Waldemarstraße im Jahr 1986: Die Malerei auf der Westseite der Mauer zeigt die Sankt-Michael-Kirche  am Engelbecken. ...
Die Brücke Waldemarstraße im Jahr 1986: Die Malerei auf der Westseite der Mauer zeigt die Sankt-Michael-Kirche am Engelbecken. ... © dpa
Die Brücke Waldemarstraße am  im Herbst 2014 mit direktem Blick auf die Sankt-Michael-Kirche am Engelbecken.
Die Brücke Waldemarstraße am im Herbst 2014 mit direktem Blick auf die Sankt-Michael-Kirche am Engelbecken. © dpa
Menschen gehen im Dezember 1989 an der Werrabrücke von Vacha (Thüringen) nach Philippsthal (Hessen). Die Mauer ist an dieser Stelle abgerissen, dafür markiert ein weißer Strich die Grenze. ...
Menschen gehen im Dezember 1989 an der Werrabrücke von Vacha (Thüringen) nach Philippsthal (Hessen). Die Mauer ist an dieser Stelle abgerissen, dafür markiert ein weißer Strich die Grenze. ... © dpa
Die Werrabrücke von Vacha (Thüringen) im Herbst 2014: Inzwischen wird sie
Die Werrabrücke von Vacha (Thüringen) im Herbst 2014: Inzwischen wird sie "Brücke des Friedens" genannt. © dpa
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Einige wenige Begriffe aus der Alltagssprache der Ostdeutschen sind mittlerweile gesamtdeutsches Sprachgut. Die Einraumwohnung etwa hat Einzug in den Immobilienteil westdeutscher Zeitungen gehalten. Im Westen nickt man heutzutage ab und denkt an, wie es früher nur der Ostdeutsche tat, wenn er zustimmte und plante. Und der Broiler bruzzelt mittlerweile auch an Imbissständen von Hähnchenbrätern auf Wochenmärkten in Hannover oder Köln vor sich hin.

Neue Länder braucht das Land nicht mehr:

Eine Wortschöpfung der Nachwendezeit hat sich längst überholt, hält sich aber hartnäckig: die "neuen Bundesländer". Kaum eine Ost-West-Betrachtung verzichtet auf diesen Begriff - obwohl nach einem Vierteljahrhundert nichts Neues mehr an Sachsen, Thüringen, Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern zu finden ist, und obwohl die Geschichtsschreibung Thüringer und Sachsen ausweist, Jahrhunderte bevor an Niedersachsen überhaupt zu denken war.

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Vor allem bei den Menschen im Osten ist der Begriff ungeliebt, weil dem Attribut "neu" nach 25 Jahren nicht nur ewige Jugend, sondern auch noch immer der Geruch von Anhängsel und Anfängertum anhaftet. Sprachwissenschaftler Schlobinski findet den Terminus "neue Bundesländer" unpassend und inhaltlich überholt. "Aber er ist fest in unserem mentalen Wortschatz verankert. Und dagegen ist schwer anzukommen, solange es nicht gelingt eine Wettbewerbssituation mit einem passenden anderen Begriff herzustellen." Ostdeutsche Länder, Ostländer, Länder im Osten - die Sprache hielte gute Konkurrenz bereit. "Aber deren Gebrauch lässt sich nicht verordnen, das ist ein Prozess. Da sind auch die Medien gefordert", sagt Schlobinski.

Der Ost-West-Vergleich - die unendliche Geschichte:

Wenn Nele (14) aus Niedersachsen mit der Bahn zu ihrer gleichaltrigen Brieffreundin Janne nach Mecklenburg-Vorpommern fährt, dann ist das für sie allenfalls geografisch gesehen eine Reise in den Osten. Die beiden Gymnasiastinnen können mit wechselseitiger Vorurteilspflege über die frühere innerdeutsche Grenze hinweg nichts anfangen. "Darüber habe ich noch nie nachgedacht habe. Das ist gar kein Thema für uns", sagt Nele. Ein Befund, den zahlreiche Studien für ihre Generation bestätigen.

Nach einer Umfrage des Forsa-Instituts von 2014 im Auftrag ostdeutscher Hochschulen etwa empfindet unter den 16- bis 29-Jährigen mehr als die Hälfte größere Unterschiede zwischen Nord- und Süddeutschen als zwischen West- und Ostdeutschen - nur knapp ein Drittel sagt das Gegenteil. Nach Untersuchungen des Politologen Holtmann sind Unterschiede in gegenseitiger Wahrnehmung und Selbstwahrnehmung zwischen den Jugendlichen in Ost und West kaum mehr erkennbar. Die Schüler hüben wie drüben einen allerdings auch deutliche Wissenslücken bei Teilung und Einheit. Das Thema müsse ein größeres Gewicht im Unterricht aller Schulformen erhalten, meint der Wissenschaftler.

Mehr als 18 Millionen Deutsche sind dem Statistischen Bundesamt zufolge nach der Vereinigung geboren. Sie haben nie das Leben im geteilten Land erfahren. Soziologe Rehberg sieht aber noch nicht die Nach-Wende-Generation, sondern erst die folgende als gänzlich unbelastet vom Ost-West-Denken. "Die jetzt Studierenden kennen es zwar nur noch als Familiengeschichte - die aber wurde konfliktlos weiterentwickelt", sagt Rehberg. Es habe - anders als nach 1945 - kein "kollektives Beschweigen" seitens der Elterngeneration gegeben. Und diese miterlebte Familiengeschichte habe den jungen Menschen noch etwas wie eine Ost-Identität vermittelt.

Dass der Sozialforschung in den nächsten Jahren der Stoff für Ost-West-Studien ausgehen könnte, glaubt auch Holtmann nicht. "Es wird nicht der Tag kommen, an dem die Unterschiede verschwunden sein werden. Das wird aber auch nicht für Nord und Süd der Fall sein. Diese Vielfalt und Unterschiedlichkeit ist in unserer föderalen Gliederung so angelegt." (dpa)