Düsseldorf. . Ein Kraftakt: 40.000 Flüchtlingskinder kommen in NRW-Schulen. Tausende zusätzliche Lehrer sollen die Integration junger Asylbewerber ermöglichen.

Inklusion, Unterrichtsausfall, Turbo-Abitur – NRW-Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) konnte schon bisher nicht über Unterforderung klagen. Nun muss die 58-Jährige obendrein die wahrscheinlich größte Herausforderung ihrer Amtszeit stemmen: die Integration von mindestens 40. 000 schulpflichtigen Flüchtlingskindern allein in den kommenden Monaten.

Gemessen an der Gesamtschülerzahl von 2,5 Millionen Kindern und Jugendlichen machen 40 .000 Flüchtlinge zwar nur einen kleinen Teil aus. Doch wie schwierig die Wissensvermittlung bei völlig un­terschiedlich vorgebildeten, zum Teil traumatisierten Kindern aus einem anderen Kulturkreis werden dürfte, ließ Löhrmann am Mittwoch im Schulausschuss des Landtags erahnen.

Löhrmann macht Druck bei Ausschreibung neuer Lehrerstellen

Insgesamt 3653 zusätzliche Lehrerstellen wird NRW in diesem Jahr geschaffen haben, davon 300 für Spezialisten mit dem Fach Deutsch als Fremdsprache. „Das sind alles zusätzliche Stellen, da wird nichts verrechnet“, betonte Löhrmann. Ein gewaltiger Millionenaufwand. Damit die Pensionslasten der neuen Landesbeamten nicht ins Unendliche wachsen, werden die neuen Stellen zunächst nur bis zum 1. August 2018 bewilligt. Der Stellenplan soll dann, so die Flüchtlingszahlen schrumpfen, wieder zurückgeführt werden.

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Löhrmann macht Druck bei der Ausschreibung der zusätzlichen Lehrerstellen. Die Probleme in den Kommunen dulden keinen Aufschub. Am liebsten würde NRW die neuen Pädagogen bereits zum 1. November einstellen. Landesweit 3400 Referendare absolvieren im Oktober das zweite Staatsexamen, 3500 Lehrer warten ohnehin noch auf eine feste Anstellung. Man werde nicht auf einen Schlag alle Stellen besetzen können, habe aber auch nicht mit einem Lehrer-Notstand zu kämpfen, signalisierte Löhrmann. Ob ihre Personalplanungen für den nicht abreißenden Flüchtlingszuzug überhaupt ausreichen, weiß die Schulministerin indes selbst nicht: „Ich bin weder Zauberin noch Hellseherin.“

Schulpflicht gilt erst nach Zuweisung in Kommune

Erst nach der Zuweisung aus einer Erstaufnahmeeinrichtung in eine Kommune besteht für Flüchtlingskinder Schulpflicht. Selbst Kinder, die später wieder ausgewiesen werden, müssen bis dahin am Unterricht teilnehmen. In vielen Kommunen sollen von Schulämtern und Schulen sogenannte Vorbereitungsklassen eingerichtet werden. Dort sollen Flüchtlingskinder 14 bis 18 Wochenstunden Deutsch lernen. Daneben besuchen sie die normalen Regelklassen und nehmen am Mathematik-, Sport- oder Musikunterricht teil, um die deutschsprachigen Mitschüler und das normale Alltagsleben besser kennenzulernen.

Zusätzlich werden die Kommunen sogenannte Auffangklassen bilden, die etwa Kinder besuchen, die mitten im Schuljahr nach Deutschland kommen und dem Regelunterricht nicht folgen können. Den genauen Förderbedarf müssen Fall für Fall die kommunalen Ämter beurteilen und dann entsprechendes Personal anfordern. Es sei notwendig, „mobile Lerneinheiten“ zu bilden und den Personalbedarf vor Ort zu ermitteln, erklärte Löhrmann. „Manche Kinder sind nur drei Monate in Vorbereitungsklassen, andere zwei Jahre“, so die Schulministerin.

FDP will systematischere Sprachförderung

Die FDP wird dagegen kommende Woche im Landtag eine systematischere Sprachförderung für alle Flüchtlinge fordern: 144 Basissprachkurse für 200. 000 Flüchtlinge seien viel zu wenig, heißt es in einem aktuellen Antrag. In Zukunft müsse in NRW jeder Flüchtling ab dem ersten Tag in einer Kommune an einem kostenfreien und verpflichtenden Sprachkurs teilnehmen, fordern die Liberalen.

So oder so wird sich der normale Unterrichtsalltag verändern. Löhrmann räumte am Mittwoch ein, dass sich die Schüler-Lehrer-Relation insgesamt verschlechtern könnte: „Es wird an der einen oder anderen Stelle voller werden in den Klassen.“