Erfurt. Wo Menschen auf engem Raum zusammenleben, haben Grippeviren leichtes Spiel. Das gilt auch für Flüchtlingsheime. Experten sorgen sich um Impfschutz.
Angesichts des anhaltenden Flüchtlingsandrangs machen sich Experten um die Versorgung dieser Menschen mit Grippe-Impfstoffen Gedanken. "Die Verfügbarkeit ist die größte Herausforderung", sagte Michael Pfleiderer vom für Impfstoffe zuständigen Paul-Ehrlich-Institut (PEI) am Donnerstag in Erfurt. Einen Impfstoffmangel sieht das Institut derzeit jedoch nicht heraufziehen. In Erfurt diskutieren bis Samstag rund 150 Fachleute auf einem Kongress der Deutschen Vereinigung zur Bekämpfung der Viruskrankheiten über die Vorbeugung von Grippe.
Bislang werde noch an Impfempfehlungen gearbeitet, die auf die aktuelle Flüchtlingssituation zugeschnitten seien, sagte der Vorsitzende der Ständigen Impfkommission, Jan Leidel. "Das Problem brennt auf den Nägeln, die Länder wollen praktikable Vorgaben."
Prinzip der Freiwilligkeit
Wegen des Zusammenlebens vieler Menschen auf engstem Raum in den Flüchtlingsunterkünften halte er die Impfung von Flüchtlingen für sinnvoll, sagte Kongressleiter Peter Wutzler. Allerdings gelte das Prinzip der Freiwilligkeit bei Impfungen auch für Flüchtlinge. "Wir können da nicht einfach Pflichtimpfungen anordnen."
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Zudem sei ungewiss, ob die auf in Deutschland zirkulierenden Grippeviren abgestimmten Impfstoffe Flüchtlingen überhaupt einen ausreichenden Schutz böten. In deren Herkunftsländern seien meist andere Virustypen verbreitet. Bereits in der vergangenen Saison hatte der eingesetzte Impfstoff nicht optimal geschützt, weil sich der damals in Deutschland zirkulierende Virusstamm H3N2 noch nach Beginn der Impfstoff-Produktion genetisch verändert hatte.
Impfungen vor allem für Ältere empfohlen
Die Impfstoffproduktion und die Nachfrage nach den Impfstoffen ist nach PEI-Angaben jedes Jahr von vielen Faktoren abhängig, die es nicht möglich machen, eine sichere Vorhersage zu geben. Faktoren sind zum Beispiel die Ausbeute bei der Produktion, der Verlauf der Grippewelle und die Impfbereitschaft.
Für die diesjährige Grippeschutzimpfung hat das Paul-Ehrlich-Institut 17 Millionen Impfdosen freigegeben. Empfohlen wird die Impfung vor allem Risikogruppen wie Menschen ab 60 Jahre, chronisch Erkrankten nicht nur mit Atemwegsleiden, Pflegeheimbewohnern, Schwangeren und medizinischem Personal. Einige Fachleute plädieren auch für die Schutzimpfung bei Kleinkindern und wollen das in Erfurt ausführlich diskutieren. Der optimale Zeitpunkt ist Oktober bis November. Derzeit ist die Grippe-Schutzimpfung nicht Bestandteil der Impfempfehlungen für Migranten.
Jährlich sterben Tausende
Jährlich sterben in Deutschland Tausende Menschen an der Virusgrippe. Labordiagnostisch bestätigt wird jedoch nur ein Bruchteil der Erkrankungs- und Todesfälle, weil Ärzte häufig auf einen Virusnachweis durch Labordiagnostik verzichten. In der Grippesaison 2014/2015 gab es rund 70 000 laborbestätigte Fälle von Influenza und 227 laborbestätigte Todesfälle.
Die Zahl der Grippetoten schwankt stark von Jahr zu Jahr. So starben nach Schätzungen des Robert-Koch-Instituts (RKI) in der Saison 2012/2013 etwa 21 000 bis 29 000 Menschen an Grippe. Ein Jahr zuvor waren es 2500 bis 7400. (dpa)
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