Essen. Ungarns Grenzen sind weitgehend dicht, also suchen sich die Flüchtlinge neue Routen auf ihrem Weg nach Norden. Für Kroatien wird das zur Nagelprobe.
Und noch ein Bollwerk gegen die ungeliebten Flüchtlinge. Der ungarische Generalstabschef Tibor Benö erschien am Mittwoch höchstpersönlich zu ersten Vermessungsarbeiten am ungarisch-serbischen Dreiländereck bei Kübekhaza. Dort begann Ungarn mit dem Bau eines neuen Zauns an der Grenze zum EU-Nachbarland Rumänien. Holzpfähle wurden bereits im Boden fixiert. Der neue Zaun soll erst einmal nur ein paar Kilometer lang sein. Ob er vielleicht demnächst die ganze Grenze auf 448 Kilometern absperren soll, ist unklar.
Rumäniens Reaktion war scharf. "Mauern, Polizeihunde, Waffen - das sieht wie in sen 1930er Jahren aus", schimpfte Ministerpräsident Victor Ponta. Dabei gibt es bisher hier gar kein Flüchtlingsproblem. In diesem Jahr wurden laut Grenzpolizei nur 963 illegale Flüchtlinge aufgegriffen. Da hat es Nachbar Bulgarien schon mit anderen Zahlen zu tun. 200 Flüchtlinge wurden am Mittwoch an der illegalen Einreise aus der Türkei gehindert. Seit Jahresbeginn wurden gut 17 000 nicht registrierte Migranten an den Grenzen des Landes aufgegriffen. Daher wird der schon bestehende 30 Kilometer lange Zaun an der Grenze zur Türkei deutlich verlängert.
Kroatiens Regierung verbreitet Zuversischt
Ganz anders dagegen die Stimmung in Kroatien. Die Regierung verbreitet am Mittwoch Zuversicht. Alles sei unter Kontrolle, versichert Regierungschef Zoran Milanovic im Parlament. Er stellt sein Land als großzügig und ausgesprochen menschlich dar - und kündigt an, alle Flüchtlinge könnten sein Land ungehindert passieren. Im gegensatz zur Linie Ungarns, dessen Grenzzäune eine "Bedrohung" seien. Kroatien sei eben ein christliches Land, das die Forderungen des Papstes nach Flüchtlingshilfen ernst nehme. Es werde alles besser machen.
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Bei aller demonstrativen Freude und Menschlichkeit begibt sich das jüngste EU-Mitglied möglicherweise auf unsicheres Terrain. Die Regierung geht stillschweigend davon aus, dass sich alle Flüchtlinge geduldig registrieren lassen. Viele von ihnen hatten aber bisher eine solche erkennungsdienstliche Behandlung einschließlich der Abgabe von Fingerabdrücken abgelehnt.
Innenpolitische Probleme drohen
Bei den 181 Personen, die am Mittwoch von der Polizei bis 11.00 Uhr bei der Stadt Tovarnik aufgegriffen wurden, mag die Registrierung noch gehen. Bis zum Mittag zählte die Polizei aber schon doppelt so viele Menschen. Bisher habe sich noch keiner verweigert, sagt Innenminister Ranko Ostojic stolz. Was wird aber in den nächsten Tagen, wenn er rund 4000 Flüchtlinge erwartet? Ein großes Fragezeichen steht auch hinter der Fähigkeit der Verwaltung dieses kleinen und armen Landes, ein solches Problem zu meistern.
Sollten die Flüchtlingszahlen dramatisch steigen, könnten schnell innenpolitische Probleme entstehen. Die Bevölkerung ist traditionell Fremden gegenüber skeptisch eingestellt. Zudem ist die innenpolitische Atmosphäre aufgeheizt, weil Parlamentswahlen bevorstehen. Das starke rechte politische Lager hat in der Vergangenheit immer wieder mit Animositäten gegenüber allem Ausländischen von sich reden gemacht.
Kroatien will Schengenzone beitreten
Kroatien will möglichst schnell der Schengenzone beitreten. Der Umgang mit den erwarteten Flüchtlingen wird dafür eine Art Reifezeugnis werden. Zagreb will mit dem Nachbar- und Schengenland Slowenien einen noch nicht näher beschriebenen Flüchtlingskorridor einrichten. Jedenfalls dürften alle anderen EU-Mitglieder Kroatien genau auf die Finger schauen. Milanovic trifft sich an diesem Donnerstag mit dem österreichischen Kanzler Werner Faymann. Dabei ist ganz und gar nicht sicher, dass beide Länder bei diesem Problem an einem Strang ziehen.
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Die Balkanroute wird geändert, weil sie offensichtlich noch längst nicht ausgedient hat. Möglicherweise wird der Andrang sogar noch viel größer. Es gibt viele Gerüchte und Spekulationen über einen gewaltigen neuen Flüchtlingstreck aus Richtung der Türkei. Das Telefonat von Bundeskanzlerin Angela Merkel mit dem türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan am Mittwoch passt jedenfalls gut ins Bild. (dpa)