Was Sportler tun, wenn die Halle mit Flüchtlingen belegt ist
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Ruhrgebiet. Viele Turnhallen sind Notunterkünfte, andere wegen möglicher Baumängel gesperrt. Training und Ligabetrieb funktionieren nur unter größter Anstrengung.
In den Turnhallen brennt noch Licht. Immer länger, jeden Tag und notgedrungen. Denn mit Saisonbeginn in den meisten Sportarten geraten NRW-Sportvereine verstärkt in Termin- und Platznot. Nicht nur, dass immer noch viele Hallen wegen möglicher baulicher Mängel gesperrt sind. Jetzt werden auch immer mehr Spielstätten durch die wachsende Zahl von Flüchtlingen in Notunterkünfte umgewandelt. „Langsam“, heißt es bei Trainern und Vorständen, „wird es eng.“
Sonntags haben sie noch gespielt in der Halle der Albert-Schweizer-Realschule, am Montag bereits wurden dort die ersten Betten aufgestellt. „Das ging schnell“, erinnert sich Jost Neurath, Abteilungsleiter Handball beim ASC 09 Dortmund. Seitdem fehlt den rund 2000 Mitgliedern des Stadtteils Aplerbeck ihre wichtigste Halle. „Zwei Drittel unserer Trainingseinheiten haben dort stattgefunden“, sagt Neurath. Zwar gibt es gleich nebenan die Sporthalle des örtlichen Gymnasiums, aber die ist gesperrt, bis sie von Bauexperten auf ihre Sicherheit untersucht worden ist. „Das macht es nicht einfacher.“
„Wir fahren mittlerweile durch die ganze Stadt“
Der ASC ist kein Einzelfall. Landesweite Zahlen sind zwar nicht zu bekommen, weil sich die Situation beinahe täglich ändert, aber ob Dortmund, Bochum, Essen, Witten oder Gladbeck, die Sorgen in den großen Städten sind überall ähnlich. „Natürlich herrscht bei allen Vereinen Einigkeit, dass man den Flüchtlingen helfen muss“, sagt Mathias Grasediek, Geschäftsführer des Stadtsportbundes (SSB) Dortmund. „Aber wir brauchen zeitliche Perspektiven.“ Und Rüdiger Stenzel, Geschäftsstellenleiter beim Stadtsportbund in Bochum fügt hinzu: „Die Vereine sind noch geduldig, mittelfristig aber muss eine andere Lösung her.“
Bis es soweit ist, wird improvisiert. Trainingszeiten werden verschoben oder in andere Hallen verlegt. Beim Bochumer Sport- und Bäderamt war eine Mitarbeiterin tagelang mit Notfallplänen beschäftigt. „Bisher können wir den Ligabetrieb sicherstellen“, sagt Amtsleiter Klaus Retsch. Auch weil die Vereine sich sehr kooperativ zeigen. Nicht nur in Bochum. „Wir fahren mittlerweile durch die ganze Stadt“, erzählt Jost Neurath und lobt Eltern und Trainer. „Das wird alles sehr gut organisiert.“
Zur Not wird das Heimrecht getauscht
Manchmal aber hilft selbst die beste Organisation nicht mehr. Jürgen Adolph, Jugendspielwart beim Westdeutschen Volleyballverband weiß von einer Jugendmannschaft, die sich nach Sperrung ihrer Stammhalle vom Spielbetrieb abgemeldet und aufgelöst hat. „Die Ersatzhalle war einfach zu weit weg.“ In den nordrhein-westfälischen Basketballligen wird derzeit oft ein Auge zugedrückt. „Wenn es gar nicht anders geht, darf auch mal in Hallen gespielt werden, die von den Maßen oder Zuschauerkapazitäten vom Verband eigentlich nicht zugelassen sind“, sagt Thilo von Tongelen, Spielleiter der NRW-Jugendligen im Westdeutschen Basketballverband.
Wenn selbst das nicht hilft, wird auch schon mal das Heimrecht getauscht. Da macht dann ein Team, dessen Halle belegt ist, in der Hinrunde nur Auswärtsspiele – immer in der Hoffnung, dass sich die Lage bis zu Beginn der Rückrunde entspannt hat. „Das funktioniert natürlich nur, wenn der Gegner noch ausreichend Hallenkapazitäten hat“, stellt von Tongelen klar.
Vereine fürchten wirtschaftliche Folgen
Auch die Aplerbecker Handballer tauschen bei Bedarf. Bei Teams, die in den unteren Ligen spielen, ist das meist kein Problem. Aber je höher die Klassen, desto größer das Zuschauerinteresse. „Da müssen wir warten, wie die Besucherzahlen sich entwickeln, wenn wir öfter auswärts spielen oder unsere Heimspiele in weiter entfernten Stadtteilen austragen“, sagt Neurath und will „wirtschaftliche Folgen“ nicht ausschließen. Überhaupt, ahnt der Abteilungsleiter, „werden sich viele Probleme ergeben, an die man jetzt noch gar nicht denkt.“ Helfen, glaubt Neurath – und spricht damit stellvertretend für viele Kollegen – werde nur eins: Die Politik müsse in Sachen Flüchtlinge „schnell und unkonventionell entscheiden“.
Auch Mathias Grasediek fordert „ein Umdenken“. „Turnhallen sind doch auf Dauer kein Aufenthaltsort für die Flüchtlinge.“ Sollten dennoch noch mehr Hallen zu Notunterkünften werden, weiß aber auch er keinen Rat mehr, um den Sportbetrieb in NRW aufrecht zu erhalten. „Die Vereine“, warnt der Dortmunder SSB-Chef, „sind am Limit.“
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