Essen. . An diesem Wochenende wird gewählt: Die klassischen Kümmerer gehen, Jüngere kommen. Hoffnung bei der CDU im Ruhrgebiet.

Am kommenden Sonntag, 13. September, wird gewählt in vielen Städten und Gemeinden NRWs, und viele werden sich fragen: Warum überhaupt? Es ist eine kuriose, vielleicht sogar einzigartige Wahl. Eine solche Abstimmung dürfte es so schnell nicht wieder geben an Rhein und Ruhr. Die Stadträte wurden schon im Mai 2014 neu besetzt, viele Bürgermeisterposten auch. Jetzt gibt es sozusagen einen „Nachschlag“: zwölf Oberbürgermeister, elf Landräte und 156 Bürgermeister können am 13. September gewählt werden. 559 Kandidaten stehen bereit.

Das Ruhrgebiet wird sich an neue Gesichter und einen politischen Generationswechsel gewöhnen müssen. Da verlässt nämlich eine ganze „Garde“ altgedienter, profilierter SPD-Ratshauschefinnen und -chefs die Bühne. Klaus Wehling (Oberhausen), Horst Schiereck (Herne), Ottilie Scholz (Bochum), Dagmar Mühlenfeld (Mülheim) oder auch der Landrat Arnim Brux (Ennepe-Ruhr-Kreis) verabschieden sich in den Ruhestand.

Der Typ des bodenständigen Kümmerers verschwindet

Mit ihnen verschwindet der Typ des gerade an der Ruhr durchaus geschätzten bodenständigen „Kümmerers“. An ihrer Stelle betreten andere, „modernere“ Persönlichkeiten die lokalen politischen Bühnen. Sie dürften diplomatischer agieren als die Patriarchen gleichenden Ruhr-Oberbürgermeister früherer Jahrzehnte. Die Jungen, Dynamischen, die da nachdrängen, darf man wohl Politik-Profis nennen: kenntnisreich, redegewandt, gut vernetzt sind sie, aber auch glatter und weniger berechenbar als die „alte Garde“.

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Apostolos Tsalastras, Daniel Schranz (beide Oberhausen), Thomas Eiskirch (Bochum) und Thomas Kufen (Essen) könnten solche „Bürgermeister neuen Typs“ werden, wenn die Wähler sie denn wollen. Ohne Dagmar Mühlenfeld und Ottilie Scholz wird die Rathaus-Politik an der Ruhr auch wieder männerdominierter, als sie es zuletzt war. Gerade Dagmar Mühlenfeld hatte weit über die Grenzen des Ruhrgebiets hinaus geschaut. Sie schmiedete zusammen mit anderen Mitstreitern das Bündnis „Für die Würde unserer Städte“, ein Zusammenschluss finanzschwacher deutscher Kommunen, der Berlin gegenüber Hilfe einfordert. Nur wenige Frauen haben Chancen auf den Chefsessel in einem Rathaus im Ruhrgebiet.

In 13 Städten gibt es nur einen Bewerber

Für die CDU, die in den Großstädten seit vielen Jahren schwächelt, ist diese Wahl besonders interessant. Die Union rechnet sich Chancen aus, das Spitzenamt in der einen oder anderen Ruhrgebietsstadt zu „erobern“. In Essen scheint dies nicht unmöglich zu sein, das Gleiche gilt für Mülheim und Oberhausen. Sollten diese Träume aber platzen, würde die Schwäche der Konservativen in den Revierstädten über viele weitere Jahre zementiert.

Mancherorts haben die Bürger übrigens gar keine richtige Wahl. In Unna, zum Beispiel, können die Wähler nur bei einem Kandidaten ein Kreuzchen machen: bei Werner Kolter (SPD). Der Amtsinhaber ist so populär, dass CDU, Grüne und alle anderen gleich darauf verzichteten, eigene Kandidaten ins Rennen zu schicken. Sie wollen sich offenbar die Peinlichkeit ersparen, gegen Kolter haushoch zu verlieren. Im Grunde würde es für Kolter reichen, wenn er sich am Sonntag selbst wählt. Unna ist kein Einzelfall. In 13 NRW-Städten gibt es nur einen einzigen Bewerber. In Bochum aber treten gleich zwölf Kandidaten an, darunter mit Wolfgang Wendland ein Punk-Sänger.

Dass die Bürger in 13 Kommunen keine Alternative haben, da sich nur ein Kandidat zur Wahl stellt, ist für Professor Karl-Rudolf Korte, Politikwissenschaftler der Universität Duisburg-Essen, ein Zeichen für Politikmüdigkeit. Dieser Vorwurf richte sich allerdings nicht an die Parteien, sondern an eine Bürgergesellschaft, die sich zu wenig engagiere. Mehrere Kandidaten garantierten einen demokratischen Entscheidungsprozess. Er sehe zwar politisches Engagement der Menschen, doch äußere sich dies heute seltener auf etablierten, traditionellen Schienen wie einer Wahl. „Es gibt ein Desinteresse am System, nicht an der Politik“, sagt Korte.

Ein OB muss der Manager und Sicherheitslotse sein

Dass die Wähler an diesem 13. September überhaupt zu den Urnen gerufen werden, ist auf ein Tauziehen zwischen der früheren schwarz-gelben und der heutigen rot-grünen Landesregierung zurückzuführen. CDU und FDP hatten 2007 beschlossen, die Wahlen der Räte und Kreistage von denen der (Ober-)Bürgermeister und Landräte zu trennen. Sie versprachen sich davon eine höhere Wahlbeteiligung, mehr Interesse der Bürger an Politik und ganz nebenbei auch bessere Chancen, die Rathäuser mit eigenem Personal zu besetzen. SPD und Grüne drehten die Trennung der Wahlen 2013 wieder zurück. 2014 wurde daraufhin wieder gemeinsam gewählt, allerdings nur dort, wo die Bürgermeister und Landräte freiwillig auf ein Jahr ihrer Amtszeit verzichteten. Jetzt aber hilft kein Taktieren und Zögern mehr, nun sind die Wähler gefragt. Ob die Bürger dieses Wahl-Angebot aber in großer Zahl annehmen, bezweifeln viele Experten. Meinungsforscher sagen eine noch weit niedrigere Wahlbeteiligung voraus als bei der Kommunalwahl im vergangenen Jahr. Damals waren es magere 50 Prozent.

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Ein moderner OB müsse einen anstrengenden Spagat bewältigen, sagt Karl-Rudolf Korte. „Er muss Manager einer großen Behörde sein mit oft Tausenden Mitarbeitern, und zugleich muss er der Sicherheitslotse der Bürger sein, der die Probleme der Menschen versteht.“ Er bewundere diese Typen, gibt Korte offen zu. „Sie geben ihr Privatleben auf, werden für alles verantwortlich gemacht und müssen bei jeder Entscheidung um Mehrheiten im Stadtrat kämpfen.“ Bei aller Kritik dürfe man nicht vergessen: „Sie machen das für uns!“

Geld verdienen sie dabei aber auch: Als kommunale Wahlbeamte auf Zeit haben Bürgermeister Anspruch auf Besoldung. Das gilt nicht für Ortsvorsteher kleinerer Gemeinden, die ein Ehrenamt ausüben. Was gewählte Bürgermeister verdienen? Der Düsseldorfer Oberbürgermeister Thomas Geisel (SPD) hat es auf seiner Homepage öffentlich gemacht: Sein Grundgehalt beträgt 11. 896,37 Euro. Hinzu kommt ein Familienzuschlag: 123,46 Euro Ehegatten- und 1197,94 Euro Kinderanteil. Weiter erhält der OB eine Aufwandsentschädigung von 524,40 Euro. Das macht unterm Strich 13. 742,17 Euro.

Damit gehört Thomas Geisel zu den Spitzenverdienern unter den Bürgermeistern. Denn die Besoldungsstufe richtet sich nach der Einwohnerzahl der Stadt. Bei einer Stadt mit bis zu 10.000 Einwohnern wird der Bürgermeister in die niedrigste Gehaltsklasse eingestuft und erhält 5018,25 Euro im Monat. Bei Städten mit 101 .000 bis 150.000 Einwohnern sind es schon 9185,77 Euro. Ab 500. 000 Einwohner erhalten Bürgermeister das maximale Grundgehalt von 11. 896,37 Euro.

Kandidaten, die Sonntag nicht die absolute Mehrheit erreichen, müssen am 27. September in die Stichwahl mit dem Zweitplatzierten.