Essen.. Mitte September werden in 168 NRW-Kommunen neue Bürgermeister gewählt. In Kürze läuft die Frist für Kandidaten ab. Darunter gibt's manch Kuriose.

360 Unterschriften bei 98.000 Einwohnern können zu einer unüberwindbaren Hürde werden. So hat es Sven Busch, der Ortsvorsitzende der Satirepartei "Die Partei" in Witten erfahren müssen. Eigentlich wollte er in Witten als einer von sechs Bewerbern für das Amt des Bürgermeisters kandidieren. Doch das hat er aufgegeben, bzw. "auf 2020 verschoben", sagt Busch. Zu wenig Unterschriften... So werden wohl fünf Bewerber um das Chef-Amt in der Stadtverwaltung ringen - darunter, wie kurios, gleich zwei Kandidaten aus der SPD.

Die kommende Bürgermeisterwahl am 13. September ist schon für sich gesehen eine Kuriosität: die schwarz-gelbe Landesregierung unter Jürgen Rüttgers (CDU) hatte Rats- und Bürgermeisterwahlen voneinander getrennt, weil die Amtsperiode der Bürgermeister um ein Jahr verlängert wurde. Rot-Grün unter Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) machte das rückgängig. Die Folge: Die Kommunalwahl 2014 hat in gut 40 Prozent der Städte und Gemeinden in NRW jetzt eine Fortsetzung: In 11 Kreisen werden im September Landräte gewählt und in 168 Kommunen die hauptamtlichen Bürgermeister - jene, die sich 2014 nicht aus eigenen Stücken vorzeitig zur Wahl hatten stellen wollen.

Dabei stoßen Wähler mancherorts auf skurrile Situationen. Eine Auswahl:

Bürgermeister ohne Gegenkandidaten

Nicht überall haben die Wähler tatsächlich eine Aus-Wahl. Bis dato gibt es zum Beispiel in Unna nur einen einzigen Bürgermeisterkandidaten: den amtierenden Bürgermeister Werner Kolter. Der macht seinen Job offenbar zur allgemeinen Zufriedenheit. Aus den Ratsparteien mochte keine einen Gegenkandidaten, tja, verbrennen. "Er liebt Unna", heißt es über Kolter im Rathaus. Seit 2004 ist er im Amt. 2009 hatte Kolter, der SPD-Mitglied ist, 65 Prozent der Stimmen erhalten bei vier Gegenkandidaten. Darunter war sogar eine Rotlichtgröße. Jetzt macht man sich bei den Parteien in Unna eher Sorgen, dass die Bürger dort überhaupt am 13. September in die Wahllokale kommen. Die Jusos haben bereits eine Kampagne gestartet: "Unna, geh' wählen".

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Satire? "Ernst gemeint!" Rock-Bassist kandidiert in Menden

Rockmusiker Bernd
Rockmusiker Bernd "Tete" Maßling bewirbt sich um das Amt des Bürgermeisters in Menden. (Foto: WP) © Unbekannt | Unbekannt

„Ich bin der richtige Mann für das Amt“ behauptet wahrscheinlich jeder Bürgermeister-Kandidat. In Menden ist es Bernd Maßling, der das sagt. Der 48-jährige Langhaarträger mit Künstlername Tete und Backenbart wie Kaiser Wilhelm ist in Menden auch bekannt als Bassist einer Rock-Formation. Er will seine Kandidatur nicht als Satire verstanden wissen, was man ihm in Menden laut Bericht der örtlichen Westfalenpost wohl unterstellt. Seine Kandidatur sei "völlig ernst zu nehmen", sagt er. Damit er die nötigen Unterstützerunterschriften bekommt, hatte er im Juni Listen in drei Gaststätten ausgelegt.

Ein Punker will OB in Bochum werden

Der Amtsbonus ist in der Politik ein Pfund bei der Wahl um hohe Ämter. In Bochum fällt er weg, denn die amtierende Bürgermeisterin Ottilie Scholz (SPD) hat keine Lust mehr aufs OB-Amt. Umso mehr Kandidaten wollen sich wohl auch deshalb um Bochums Chefposten bewerben: Kurz vor Ende der Bewerbungsfrist lagen im Bochumer Wahlamt bereits zwölf Wahlvorschläge vor. Darunter auch die des Wattenscheider Punk-Sängers Wolfgang "Wölfi" Wendland ("Die Kassierer"). „Bochum soll Großstadt werden“, ist das Wahlprogramm des 52-jährigen, parteilosen Kandidaten. Bei der Abstimmung am 13. September gebe er sich mit Platz 2 zufrieden, hat er jüngst bei einem Wahlkampfauftritt in der Stadt gesagt: „In der Stichwahl werden’s dann über 50 Prozent“. Auch die Stichwahl hatte Rot-Grün in Düsseldorf übrigens 2011 wieder eingeführt.

SPD am Niederrhein schickt Puppenspieler ins Rennen

„Uedem wird Märchenstadt“, erklärt Heinz Bömler, den die SPD im niederrheinische Uedem als ihren Bürgermeisterkandidaten aufgestellt hat. Der vielseitige Unternehmer ist in der Region auch als "wahnsinniger Puppenspieler" bekannt. Bömler hatte sich sogleich nach seiner Nominierung bei den Genossen unbeliebt gemacht, weil er die Politik mit einem Kasperletheater verglich. Die örtliche SPD hielt an ihm als Kandidaten fest. Man war wohl auch froh, überhaupt jemanden zu finden. Würde Bömler künftig das Rathaus regieren, will er öffentliche Gebäude mit Märchenmotiven bemalen, vielleicht einen Märchenwald anlegen: „Das Ziel muss sein, dass Familien sagen: ‚Komm, wir fahren heute nach Uedem!“ Von Wahlkampf mag Bömler zudem nicht reden, sondern von seinem "Wahl-Projekt". In dem will er bei den Wählern in Uedem "mit Freundlichkeit punkten", berichtet die örtliche SPD. Sein Ziel am 13. September? "51 Prozent".

OB-Wahl in Essen mit zwölf Bewerbern

Wie in Bochum gab es auch in Essen kurz vor Ende der Bewerbungsfrist ein Dutzend Bewerber für das Oberbürgermeisteramt. Dort aber will Amtsinhaber Reinhard Paß (SPD) weiterregieren, Bei vier Bewerbern standen Mitte Juli noch die nötigen Unterstützerunterschriften aus, der Kandidat der Satirepartei Die Partei war indes bereits gesetzt: Jürgen Lukat. Bei der Landtagswahl 2012 trat der damals 41-jährige Diplom-Sozialarbeiter bei der Jugendgerichtshilfe u.a. mit der Forderung an, die Stadtteile Werden, Kettwig, Heisingen und Kupferdreh zu fluten, um den Baldeneysee zu vergrößern. Jetzt will er sich mit der Wahl am 13. September "zur Legende machen", zeigt ein auf Facebook vorgestelltes Wahlplakat. Das wirbt mit Lukats Lächelgesicht vor einer Szene aus dem Film "Das Wunder von Bern" mit dem Slogan: "Das Wunder von Essen".

Zoff in Witten - SPD bekämpft die eigene Bürgermeisterin

Wittens Bürgermeisterin Sonja Leidemann würde auch über den 13. September hinaus gerne Chefin im Rathaus in Witten bleiben. Unterstützerunterschriften braucht sie als Amtsinhaberin nicht vorlegen. Unterstützung im Wahlkampf dürfte Leidemann in ihrer Partei jedoch keine finden. Denn die örtliche SPD hat im Januar einen anderen Kandidaten nominiert: Frank Schweppe, bis dato Erster Beigeordneter im Wittener Rathaus. Weil Leidemann an ihrer Kandidatur festhält, läuft ein Parteiausschlussfahren. Gegen ihren Rauswurf hat sie inzwischen Widerspruch eingelegt, heißt es im Rathaus.

Ratsparteien wollen Bürgermeister aus dem Amt jagen

Im Münsterland wird am 13. September in 36 Kommunen ein neuer Bürgermeister gewählt. Die örtliche Presse berichtete auch dort über Kurioses aus der Ratspolitik: In Havixbeck im Kreis Coesfeld etwa hatten alle vier Ratsparteien per Annonce eine Bürgermeisterkandidatin gesucht, um den amtierenden Bürgermeister Klaus Gromöller "aus dem Amt zu jagen". Ihre "offizielle Kandidatin" ist parteilos, kommt aus Bochum und heißt Katja Venghaus, im Hauptberuf zuletzt Teamleiterin Berufsbildung bei der IHK Nord-Westfalen. Das Motto ihres Wahlkampfs passt zum offenkundigen Zoff zwischen Rat und Rathausspitze: "Havixbeck – zusammen wachsen!"

Auch in Laer im Kreis Steinfurt bekämpft der Rat seinen Bürgermeister. So jedenfalls berichtete es die örtliche Presse im Februar. Bürgermeister Detlef Prange sei 2009 von allen Parteien im Gemeinderat auf den Schild gehoben worden. Zuvor war er dort der Kämmerer. Ein halbes Jahr vor der Wahl hieß es, die meisten Parteien hätten sich "von ihm verabschiedet" - wohl auch einige in der CDU. Die örtliche CDU indes ist auch jetzt noch verärgert über "Fehlinformationen und -Interpretationen". Sie hat jüngst klargestellt, "dass wir bei der Wahl des Bürgermeisters am 13.09.2015 nur und ausdrücklich Herrn Bürgermeister Detlev Prange unterstützen." Für Parteizoff hat man in Laer unterdessen derzeit eigentlich keine Zeit. Denn die Gemeindepolitiker müssen bis zur Wahl sämtliche Ratsentscheidungen seit Januar wiederholen - weil die Sitzungen nachträglich ungültig sind. Eine Gemeindemitarbeiterin hatte vergessen, die Entscheidungen auch am 'schwarzen Brett' im Rathaus zu veröffentlichen.