Kairo. . Diktator Bashar al Assad sind 85 Prozent seines Landes entglitten. Die Terroristen des Islamistischen Staates herrschen über große Teile des Landes.

An dem Unglückstag, als der „Islamische Staat“ erstmals seine schwarze Flagge über dem römischen Antikenwunder Palmyra aufzog, war das Opernhaus in Damaskus am Abend festlich erleuchtet. Auf der Bühne trug ein Sänger traditionelle arabische Balladen vor. Einige Wochen später wurde in den Wandelgängen der Oper seelenruhig die nächste Kunstausstellung gehängt, während die Gotteskrieger die beiden bedeutendsten Tempel Palmyras in die Luft jagten. Selbst zum „Welttag der Zugvögel“ veranstaltete Damaskus eine große Konferenz, derweil die Hälfte der eigenen 23 Millionen Einwohner verzweifelt durch die Welt irrt.

85 Prozent von Syrien steht unter Kontrolle des IS

Mindestens 250 .000 Menschen hat der Bürgerkrieg in Syrien das Leben gekostet. 2,7 Millionen Kinder gehen nicht mehr zur Schule, die Hälfte der 52 .000 Lehrer ist verschollen. Und jeder Tag bringt neue Horrorfotos von Fassbombenangriffen, die ganze Straßenzüge pulverisieren. „Zivilisten erleiden das Unvorstellbare und die Welt schaut zu“, klagte Paulo Sergio Pinheiro, Vorsitzender der Untersuchungskommission zu Syrien, die beim UN-Menschenrechtsrat angesiedelt ist. Fast die gesamte Zivilbevölkerung sei Opfer von Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und schwersten Menschenrechtsverletzungen geworden, bilanziert seine jüngste Dokumentation.

Mehr als 85 Prozent des Territoriums sind Bashar al-Assad nach der jüngsten Übersicht von „IHS Conflict Monitor“ entglitten. In einem seltenen Eingeständnis von Schwäche offenbarte der Diktator Ende Juli gegenüber Funktionären seiner Baath-Partei, die Armee könne nicht mehr überall weiterkämpfen und müsse sich auf Regionen konzentrieren, die für das Regime überlebenswichtig seien.

Verfeindete Extremistenlager spielen Assad in die Karten

Gemeint sind neben Damaskus, die Stadt Homs sowie die alevitischen Kerngebiete entlang des Mittelmeeres mit Latakia und Tartus. Hier waren auch diesen Sommer wieder sämtliche Badehotels ausgebucht. Doch die Nervosität wächst. Letzte Woche ging zum ersten Mal im streng bewachten Zentrum von Latakia eine Autobombe hoch, die 17 Menschen in den Tod riss.

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In sämtlichen anderen Teilen des Landes dominieren mittlerweile die Rebellen. Lediglich in Aleppo, Deir Ezzor und Deraa halten sich noch isolierte Regime-Bastionen. Den Norden mit der Provinzhauptstadt Idlib beherrscht die islamistische „Eroberungsarmee“, deren Rückgrat die Al Kaida nahe Al-Nusra-Front bildet. Ebenfalls im Norden besitzt der Islamische Staat mit der Stadt Rakka seine Zentrale. Beide Extremistenlager sind verfeindet, was ihr Vorgehen gegen Assad bremst.

Russland schickt Soldaten nach Syrien

Kurdische Einheiten haben ihre Gebiete entlang der Nordgrenze Syriens von Kobane bis in das nordirakische Kurdistan freigekämpft und genießen faktisch einen autonomen Status. Die disziplinierten Truppen von YPG und PKK sind die einzigen, die dem IS die Stirn bieten können. Nach Kobane vertrieben die Kurden die Gotteskrieger auch aus dem Grenzort Tal Abyad, so dass der Terrormiliz nur noch ein Übergang zur Türkei bleibt. Diesen will nun Ankara in den kommenden Wochen blockieren – mit einer 100 Kilometer breiten „IS-freien“ Sicherheitszone.

Im Osten Syriens dominiert alleine der IS, der sich nach der spektakulären Eroberung von Palmyra nun entlang der Überlandstraßen in Richtung Homs und Damaskus vorkämpft. Moderate Rebellen spielen einzig an der „Südfront“ nahe der jordanischen Grenze eine Rolle, wo sie rund 30 000 Kämpfer kommandieren. Sie werden teilweise von Amman trainiert und mit Waffen versorgt. Die Präsenz von Al-Nusra-Kriegern schätzen Beobachter hier auf lediglich 3000. Das bedrängte Baath-Regime dagegen muss sich immer stärker auf die libanesische Hisbollah sowie schiitische Milizen aus Irak und Iran stützen, die von persischen Kommandeuren geführt werden.

Seit einer Woche verlegt auch Russland Soldaten nach Syrien. Nach Einschätzung des Pentagon plant der Kreml ein hoch gerüstetes Expeditionskorps von etwa 3000 Mann. Und so inszeniert der Assad-Clan in Damaskus weiterhin demonstrativ Normalität, auch wenn das von Ferne grollende Artilleriefeuer zum Alltag gehört.

Wie eh und je gibt sich die Luxuselite der Hauptstadt an Wochenenden ihren ausschweifenden Poolpartys hin. Nur das Gehabe der Gäste, kolportieren Teilnehmer, werde immer überdrehter und hysterischer.