Berlin. . Die Kanzlerin überlässt die Griechenland-Debatte anderen. Bei Reden von Kritikern aus der CDU-Fraktion verlässt sie sogar demonstrativ das Plenum.
Stau in der Regierungsbank um kurz vor 9 Uhr. Wolfgang Schäuble redet mit Sigmar Gabriel, hinter ihnen steht Andrea Nahles und quatscht mit Johanna Wanka, Barbara Hendricks und Ursula von der Leyen. Dann kommt Angela Merkel. Nahles merkt zuerst nicht, dass sie der Kanzlerin im Weg steht. Merkel guckt kurz ungeduldig. Nahles erschrickt ein bisschen, lächelt und gibt der Kanzlerin die Hand.
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Schon bevor die Bundestags-Debatte über das dritte Hilfspaket für Griechenland beginnt, lernen wir also zwei Dinge. Erstens ist zwischen Finanz- und Wirtschaftsminister wieder alles in Butter. Zumindest soll es so aussehen. Bei der Griechenland-Abstimmung am 17. Juli gab es noch Streit zwischen den beiden, weil Schäuble einen Grexit favorisierte. Zweitens lässt diese Episode erkennen, dass Merkel heute nicht die wichtigste Person ist. Der Finanzminister hält die Regierungserklärung, die Kanzlerin schweigt.
Und Schäuble erzählt von seinem Ringen mit sich selbst, er will die Zahl der Abweichler in den eigenen Reihen möglichst klein halten. „Die Entscheidung über ein weiteres Hilfsprogramm für Griechenland fällt nicht leicht“, beginnt er. „Es gibt beachtliche Gründe für und es gibt beachtliche Gründe gegen“ das neue Paket für den faktisch zahlungsunfähigen Staat. Letztlich seien Hilfen für Athen aber „im Interesse Griechenlands und im Interesse Europas“, sagt Schäuble. Es wäre „unverantwortlich, die Chance auf einen Neuanfang in Griechenland nicht zu nutzen“.
Es geht um Kredite von 86 Milliarden Euro
Es geht um Kredite von 86 Milliarden Euro, die Griechenland in den nächsten drei Jahren braucht. In einer ersten Tranche werden jetzt 26 Milliarden Euro fällig. Es ist Sommerpause, viele Abgeordneten mussten aus dem Urlaub zurück nach Berlin kommen. Viele Abgeordnete sind gut gebräunt, auch der Chef der Linksfraktion, der Ende Juli in Norwegen war. Gregor Gysi spricht nach Schäuble. Seine Meinung zum Hilfspaket kann man in einem Satz zusammenfassen: „Sie erpressen die Griechen.“ Gysi will mehr Investitionen und Selbstbestimmung für Athen - er empfiehlt seiner Fraktion, mit Nein zu stimmen.
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Mehr Investitionen wünscht sich auch Anton Hofreiter. Doch der Grünen-Fraktionschef wirbt trotzdem für ein Ja. „Die Alternative ist noch schlimmer“, sagt er. SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann lobt, dass das neue Paket erstmals auf den Umbau von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft setze. „Finanzhilfen gibt es nur Zug um Zug gegen Reformen.“
Natürlich ist es an diesem Mittwochmorgen nicht unwichtig, was in der Debatte gesagt wird. Interessanter ist allerdings, was während der Debatte so passiert. Da sitzt zum Beispiel Klaus-Peter Willsch, Abgeordneter der CDU. Er stimmte schon beim ersten Hilfspaket im Jahr 2010 mit Nein. Willsch klatscht nicht, wenn sein Fraktionschef ans Rednerpult tritt. Das hat auch damit zu tun, dass Kauder Abweichlern mit dem Verlust wichtiger Ausschusssitze gedroht hat. Willsch hat diese Praxis schon erfahren: 2013 verlor er seinen Platz im mächtigen Finanzausschuss.
Mittelmäßiger Applaus für Wolfgang Kauder aus der eigenen Fraktion
Volker Kauder spricht wie immer ohne Redemanuskript. Für ihn kommt es darauf an, „in diesem Europa zusammenzubleiben“. Dann redet er lange über die Flüchtlinge. Der Fraktionschef warnt davor, „das Thema Flüchtlinge nicht zu einem politischen Kampffeld zu machen“. Der Applaus aus seiner Fraktion ist höchstens mittelmäßig.
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Doch dann kommt ihm jemand zur Hilfe. Angela Merkel setzt sich mit ihrem treuen Fraktionschef irgendwo in die hintersten Reihen des Parlaments. Sie reden lange, vorne geht die Debatte weiter. Merkels Botschaft: Uns bringt nichts auseinander. Als sie dann zurück auf ihre Plätze gehen, lächelt Merkel Kauder noch demonstrativ zu. Die Aufmerksamkeit der Kanzlerin ist die stärkste politische Währung in Berlin. Als dann der Abweichler Willsch spricht, verlässt Merkel das Plenum. So wenig subtil verteilt sie ihre Zuneigung.
Am Ende bekommt das Hilfspaket eine Mehrheit von 453 Stimmen - bei 18 Enthaltungen und 113 Nein-Stimmen. Neben der Linken verweigerten auch wieder viele Unions-Abgeordnete der Kanzlerin die Gefolgschaft. Und es sind sogar noch ein paar mehr Dissidenten als vor einem Monat. Am 17. Juli stimmten 60 Unions-Abgeordnete mit Nein, fünf enthielten sich. Jetzt gibt es 63 Nein-Stimmen und drei Enthaltungen. Macht 66 Abweichler.
Damit können Merkel und Kauder leben - obwohl mutmaßlich Schäuble die meisten potenziellen Abweichler im Zaum hielt. Trotz des Lächelns der Kanzlerin war dieser Mittwoch für Volker Kauder kein schöner Tag.