Essen. . Kommerzielle Anbieter spinnen kleine Zugangs-Netze, Freifunker träumen vom Gratis-Internet. Aber das Revier dürfte noch lange eine WLAN-Wüste sein.
Die Vision ist in der Welt: Möglichst überall sollen Menschen über offene WLAN-Netze gratis ins Internet können. In Großbritannien, Skandinavien, Estland funktioniert das schon gut, in Deutschland noch nicht so richtig. Das Ruhrgebiet ist zum Beispiel noch immer eine Gratis-WLAN-Wüste. Auch wenn nun kommerzielle und ehrenamtliche Anbieter die eine oder andere Funk-Oase in die Wüste setzen, ist das Ziel „Freies Internet für alle“ in weiter Ferne.
Der Kabelnetzbetreiber Unitymedia macht in diesen Tagen durch kostenloses WLAN in Innenstädten von sich reden. So wurden in Dortmund, Duisburg, Essen, Bochum, Mülheim und Hattingen „an ausgewählten Flächen und Straßen“ öffentliche WLAN-Zugangspunkte freigeschaltet. Bis Dezember sollen diese grauen Kästen bundesweit in 100 Städten funktionieren. Nutzer müssen sich mit ihrer Mobilnummer registrieren, dann erhalten sie ein Passwort und dürfen 24 Monate lang gratis ins Netz, auf Wunsch mit sicherer Verschlüsselung.
Zu wenig für flächendeckendes WLAN
Erste Tests von Nutzern in Mülheim ergeben: Das Angebot funktioniert ordentlich, aber nur bis etwa 100 Meter Distanz vom Zugangspunkt. Wer ein paar Schritte weiter geht, ist schnell raus aus dem Netz. Das Unternehmen beteuert, bei privaten Nutzern keine kommerziellen Ziele zu verfolgen. Ein Sprecher deutete aber an, dass irgendwann eigene Kunden „bessergestellt“ werden könnten, zum Beispiel beim Tageslimit von zurzeit 100 MB bei einer Geschwindigkeit von 10 Mbits. Nutzer müssen bedenken, dass sie ihre Daten hier keinem gemeinnützigen Verein zur Verfügung stellen, sondern einem Konzern. Geld verdienen möchte Unitymedia durch die Zusammenarbeit mit Geschäftsleuten, die für einen speziellen Zugang (Power-Spot) und Kabelanschluss zahlen sollen, und durch Kooperationen mit städtischen Gesellschaften.
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16 graue Kästen wurden in Dortmund freigeschaltet, zehn in Mülheim. Für ein flächendeckendes WLAN-Netz müssten es Hunderte sein. „Das ist ein Tropfen auf den heißen Stein“, sagt Alexander Sander vom gemeinnützigen Netzverein Digitale Gesellschaft. „Deutschland ist abgeschlagen im europäischen Vergleich“. Schuld sei vor allem die „Störerhaftung“, eine gesetzliche Hürde, die Privatleute davon abhält, ihre Router öffentlich zur Verfügung zu stellen.
Der Verein Digitale Gesellschaft und Verbraucherschützer protestieren gegen die von Berlin geplante Neuregelung der Störerhaftung von WLAN-Betreibern im Telemediengesetz. Die Verbraucherschützer appellieren sogar an die EU-Kommission, den leichteren Zugang zu öffentlichem WLAN in Deutschland durchzusetzen.
Heftiger Streit um die Störerhaftung
Das Telemediengesetz sieht zwar vor, dass WLAN-Provider nicht für Rechtsverletzungen ihrer Nutzer haften. Dazu müssen die Anbieter aber „Maßnahmen“ ergreifen und beispielsweise das Funknetz verschlüsseln. Das Netz darf dann nur Personen bereitgestellt werden, die zuvor erklärt haben, keine Rechtsverletzungen zu begehen. Sind die Anbieter weder „geschäftsmäßig“ noch als „öffentliche Einrichtung“ tätig, müssen sie außerdem die Namen der Nutzer kennen. „Im Kern soll damit nur die Störerhaftung für Cafés, Flughäfen und Hotels abgeschafft werden, nicht für Privatleute“, ärgert sich Alexander Sander.
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Besonders die so genannten Freifunker fürchten, vom neuen Telemediengesetz ausgebremst zu werden. „Eine Zwangsverschlüsselung oder Nutzerregistrierung würde die Freifunkinfrastruktur, wie wir sie heute kennen, dem Boden gleich machen“, sagen sie. Freifunker spinnen ein Netz von Routern, die über Funk Kontakt zueinander aufnehmen. Innerhalb dieses Netzes kann jeder gebührenfrei und anonym ins Internet. Mehrere NRW-Kommunen wie Iserlohn und Arnsberg betreiben mit den Freifunkern großflächige Netze in den Innenstädten.
„Grundsätzlich ist es gut, dass auch andere öffentliche WLAN-Netze aufbauen“, sagt Philip Berndroth vom Verein Freifunk Rheinland über Unitymedia. „Aber es ist eben kein freies WLAN“. Nutzer müssten sich registrieren, das Volumen sei begrenzt. Die Netznutzung an den Freifunker-Knotenpunkten, von denen es laut Berndroth in NRW inzwischen mehr als 4000 gebe, sei hingegen nicht volumenbeschränkt. Freifunker kümmerten sich auch um soziale Bereiche, in die die großen Anbieter „nie investieren würden“, wie ein Flüchtlingsheim in Dortmund, sagt Heinz Niski (Freifunker Gelsenkirchen).