Gütersloh. Total abgehängt: Allein Essen muss inzwischen vier Mal mehr Kassenkredite bedienen als die Kommunen in Bayern, Baden-Württemberg und Sachsen zusammen.
Die Kommunen in Nordrhein-Westfalen verlieren im bundesweiten Finanzvergleich weiter an Boden. Das geht aus einer am Freitag veröffentlichten Studie der Bertelsmann-Stiftung hervor. Deutschlandweit erholen sich demnach die Finanzen vieler Städte, Gemeinden und Kreise seit 2012. Unter dem Strich verzeichneten die Kommunen ein Plus von 240 Millionen Euro. Nur an NRW geht diese Entwicklung komplett vorbei: Seine Städte verbuchten 2014 insgesamt ein Haushaltsdefizit von über 1,5 Milliarden Euro.
Bei den Kassenkrediten, vergleichbar mit den Dispokrediten in Privathaushalten, steht damit jeder zweite Euro in Deutschland in den Bilanzen von Städten und Gemeinden aus NRW. Die Kommunen in Bayern verbuchten dagegen 2014 einen Überschuss von fast 1,5 Milliarden Euro.
Nur ein Kreis in NRW kommt ohne Kassenkredite aus
Sorgenkinder bleiben die Städte Essen, Duisburg, Wuppertal, Oberhausen, Dortmund, Hagen, Mönchengladbach, Gelsenkirchen, Mülheim und Bochum. 12,5 von insgesamt 26,5 Milliarden Euro an Kassenkrediten in Nordrhein-Westfalen entfallen allein auf diese Städte. Nur der Kreis Gütersloh kam im vergangenen Jahr ohne dieses Finanz-Instrument aus. Allein die Stadt Essen muss mit 2,2 Milliarden Euro vier Mal mehr Kassenkredite bedienen als alle Kommunen in Bayern, Baden-Württemberg und Sachsen zusammen.
Den Hauptgrund für die Misere sehen die Experten der Bertelsmann-Stiftung in hohen Ausgaben für Hartz-IV-Wohnkosten. Die fallen vor allem in steuerschwachen Kommunen an. Die Stiftung forderte eine Übernahme durch den Bund. Positiv bewertet der Kommunale Finanzreport den Stärkungspakt des Landes NRW. Dessen Finanzierungsanteil sei im Vergleich zu den Programmen anderer Bundesländer hoch. Gegen harte Auflagen fließen an die 57 teilnehmenden Kommunen jährlich zusätzliche Mittel aus dem Länderhaushalt.
Schmerzhafte Maßnahmen - aber der Zeitpunkt ist günstig
"Für die Städte bedeutet das schmerzhafte Maßnahmen, aber angesichts guter Konjunktur und niedriger Zinsen ist das Zeitfenster für die Sanierung günstig", sagt Kirsten Witte von der Bertelsmann-Stiftung. "Der Stärkungspakt allein kann die Probleme nicht lösen. Wenn die notleidenden Kommunen nicht dauerhaft abgehängt werden sollen, müssen Bund, Länder und Kommunen gemeinsam einen Aufholprozess ermöglichen", sagt die Expertin. "Für die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse ist diese Entwicklung bedrohlich. Die Unterschiede zwischen den Regionen werden fortgeschrieben", sagt Witte.
Datenbasis für den Finanzreport sind amtliche Statistiken aller 398 kreisfreien Städte und Landkreise in Deutschland. Der Report entsteht in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung Berlin. (dpa)