Berlin. Radrennen abgesagt, Kulturzentrum durchsucht, Karnevalsumzug gestoppt. Was wurde aus den Terror-Verdachtsfällen der vergangenen Monate?

Eine mit Nägeln gefüllte Rohrbombe, Teile eines Sturmgewehrs, eine Übungsgranate und Chemikalien: Bei der Festnahme eines mutmaßlich islamistischen Ehepaars aus Oberursel sind die Ermittler davon ausgegangen, einen Terror-Anschlag verhindert zu haben. Ob es das deutsch-türkische Paar tatsächlich auf das traditionelle 1.-Mai-Radrennen durch den Taunus abgesehen hatte, ist drei Monate später nicht abschließend geklärt. Die Frankfurter Staatsanwaltschaft ermittelt noch. Die 35 Jahre alte Frau ist wieder auf freiem Fuß.

Keine greifbaren Ergebnisse in Terror-Ermittlungen

Bei den beiden anderen aufsehenerregenden Verdachtsfällen islamistischen Terrors in diesem Jahr in Deutschland ergaben sich dagegen keine greifbaren Ergebnisse. Der Anti-Terror-Einsatz in Bremen ist jetzt sogar Gegenstand eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses. Die Ermittlungen nach der Absage des Karnevalsumzugs in Braunschweig wurden eingestellt. Wird die Terror-Gefahr überschätzt?

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Die Gefährdung durch Dschihadisten und internationalen Terrorismus ist nach Einschätzung von Bundesinnenminister Thomas de Maizière "unverändert hoch". Dies hatte der CDU-Politiker erst nach dem blutigen Attentat im tunesischen Badeort Sousse erneut gesagt.

"Nein, ich glaube nicht, dass die Terrorgefahr überschätzt wird", sagt Experte Guido Steinberg von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. "Mein allgemeiner Eindruck ist: In Deutschland wird zu früh zugegriffen." Während die Geheimdienste immer lieber abwarteten, mehr erfahren wollten und dafür auch Risiken eingehen müssten, wolle die Polizei vor allem Anschläge verhindern und Gefahren abwehren. "Dies führt dazu, dass die Strafverfolgung schwieriger wird", sagt Steinberg.

Wurde in Oberursel zu früh eingegriffen?

"In Oberursel wurde meines Erachtens sehr früh eingegriffen", sagt Steinberg. Das hessische Landeskriminalamt und das Innenministerium äußern sich mit Verweis auf die laufenden Ermittlungen nicht. Mit der gleichen Begründung verraten die Ermittler nicht, welche Angaben der 35 Jahre alte Deutschtürke in der Untersuchungshaft gemacht hat. Seine gleichaltrige Frau ist zwar wieder auf freiem Fuß, gegen die Mutter zweier kleiner Kinder werde aber weiterhin ermittelt, sagt die Sprecherin der Staatsanwaltschaft, Nadja Niessen.

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Die Strafverfolgung von Frauen im Zusammenhang mit islamistischen Terror sei besonders schwierig, "selbst wenn sie beteiligt waren", sagt Terror-Experte Steinberg. "Aus ideologischen Gründen ist die Rolle der Frau sehr stark eingeschränkt. Was die Frauen tun, tun sie nicht in der Öffentlichkeit."

Die Ermittler waren dem Oberurseler Paar auf die Spur gekommen, weil es unter falschem Namen in einem Baumarkt größere Mengen Wasserstoffperoxid gekauft hatte, ein möglicher Baustein für einen Sprengkörper. Da der Mann zudem mehrfach an der Strecke gesehen worden war, wurde das Radrennen am Vorabend abgesagt.

"Der Beschuldigte unterhielt Verbindungen zur Extremisten-Szene im Rhein-Main-Gebiet", hatte der Leiter der Staatsanwaltschaft, Albrecht Schreiber, gesagt. Er soll auch Kontakte zur islamistischen Sauerland-Gruppe gehabt haben. Vier Mitglieder dieser Gruppe waren 2012 wegen der Planung von Terroranschlägen verurteilt worden. Der 35-Jährige war der Polizei zudem wegen anderer Delikte bekannt.

Bremer Spezialkräfte durchsuchten Islamisches Kulturzentrum

In Bremen waren nach Hinweisen auf einen möglichen islamistischen Anschlag Polizisten mit Schutzwesten und Maschinenpistolen am 28. Februar durch die Innenstadt patrouilliert. Spezialkräfte durchsuchten das Islamische Kulturzentrum (IKZ). Im Zentrum der Ermittlungen stand eine Gruppe Salafisten rund um einen Mann, der sich Waffen für den Weiterverkauf beschafft haben soll. Zwei Männer wurden vorübergehend festgenommen. Später mussten Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) und Polizeichef Lutz Müller Fehler einräumen. Das Landgericht Bremen erklärte die Durchsuchung des IKZ für rechtswidrig. Diese Pannen soll der Untersuchungsausschuss jetzt aufklären.

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Auch wenn Fehler gemacht worden seien, hätten die Ermittler keine andere Wahl gehabt, sagt Steinberg. "Der Hinweis war so konkret. Auf dieser Grundlage hätten sie nicht anders handeln können." In Braunschweig dagegen habe er den Eindruck, dass die Reaktion überzogen gewesen sei.

Der Hinweis eines als zuverlässig eingestuften Informanten des Verfassungsschutzes hatte den Sicherheitsbehörden zufolge zur Absage des größten Karnevalsumzugs Norddeutschlands geführt. Bei den Ermittlungen hätten sich dann aber keine konkreten Hinweise ergeben, begründeten sie das Ende der Ermittlungen. Zugmarschall Gerhard Baller zeigte sich davon zwar wenig überrascht, betonte aber: "Wenn was passiert wäre, wäre es viel schlimmer gewesen." (dpa)