Braunschweig. Nach Hinweisen auf mögliche Terroranschläge ist der Karnevalsumzug in Braunschweig abgesagt worden. Auch in NRW ist die Polizei sensibilisiert.

  • Die Polizei hat den Karnevalsumzug in Braunschweig mit bis zu 250.000 Besuchern abgesagt.
  • Der Polizei liegt eine "konkrete Gefährdung durch einen Anschlag mit islamistischen Hintergrund vor".
  • Die Rosenmontagszüge in NRW finden statt, aber die Polizei ist sensibilisiert.

Die Absage des Karnevalumzugs in Braunschweig hat handfeste Gründe: Aus „zuverlässigen Staatsschutzquellen“ sei bekannt geworden, dass „eine konkrete Gefährdung durch einen Anschlag mit islamistischem Hintergrund“ vorliege, erklärte die Polizei. Die Hinweise beruhten auf Ermittlungen. „Es handelte sich nicht um eine SMS oder einen Drohanruf.“

Zum Braunschweiger Karneval waren 250.000 Besucher erwartet worden. Das Spektakel gilt als der größte Karnevalsumzug Norddeutschlands. In diesem Jahr sollten 4500 Teilnehmer aktiv dabei sein. Rund 100 Motivwagen waren geplant.

Terrorangriff"Trauriger Tag für unsere Demokratische Gesellschaft"

Viele Karnevalisten in Braunschweig reagierten enttäuscht. Oberbürgermeister Ulrich Markurth (SPD) sagte, dies sei „ein trauriger Tag für unsere demokratische Gesellschaft“. Aber: „Die Einschätzung der Polizei ließ eine andere Entscheidung nicht zu.“

Am Rosenmontag werden unter anderem in den Karnevalshochburgen Köln, Düsseldorf und Mainz Hunderttausende Menschen bei Straßenumzügen erwartet. Auch im Ruhrgebiet sollen Zehntausende Narren zum Karneval strömen. All diese Umzüge sollten trotz der Ereignisse in Kopenhagen und Braunschweig stattfinden, so die Behörden.

Keine Hinweise auf Terror-Pläne in NRW

Das NRW-Innenministerium sieht keine veränderte Sicherheitslage. „Niemand sollte sich den Spaß am Karneval verderben lassen“, sagte ein Sprecher von Innenminister Ralf Jäger (SPD) unserer Redaktion. Die Behörden zeigten höchste Wachsamkeit und sähen seit Wochen eine allgemeine Gefährdungslage. Anders als in Braunschweig gebe es in NRW aber keine Hinweise auf konkrete terroristische Pläne.

Im sauerländischen Menden bewachten am Sonntag deutlich mehr Polizisten als üblich den diesjährigen Karnevalsumzug. Zwei „Charlie Hebdo“-Motivwagen hatten bereits im Vorfeld eine Debatte um die Sicherheit ausgelöst. „Charlie Hebdo“ ist der Name des französischen Satiremagazins, das von islamistischen Terroristen überfallen wurde. Dabei waren im Januar zwölf Menschen in Paris ermordet worden. (we)

Tausende fahren enttäuscht nach Hause

Kurz nach 10 Uhr am Sonntagmorgen, nach einer Lagebesprechung bei der Polizei, ist klar: Terrorgefahr – der Karnevalsumzug muss abgesagt werden. „Wir können die Sicherheit in dem Umfang, der erforderlich ist, nicht gewährleisten“, erklärt Polizeipräsident Michael Pientka rund 300 tief enttäuschten Teilnehmern beim Empfang des Zugmarschalls in der Volkswagenhalle. Auch er sei nicht glücklich: „Aber es blieb uns keine andere Wahl.“

Die 121 Motivwagen sind erst gar nicht vorgefahren, und auch die meisten Zugteilnehmer bereits informiert. Nur ein Häuflein Jecken steht an der Straße, um abzuwarten, was weiter passiert. Viele Karnevalisten sind geschockt. Viele haben Tränen in den Augen – so auch Ehrenpräsident Gerhard Glogowski, der frühere Ministerpräsident von Niedersachsen. „Das haben wir nicht verdient. Das ist nicht fair“, sagte er sichtlich angefasst vor Journalisten.

SalafismusIn schwarzem Anzug in die VW-Halle

Bereits gegen 11 Uhr, als Oberbürgermeister Ulrich Markurth mit ernster Miene und im schwarzen Anzug die Lobby der VW-Halle betritt, ist vielen klar: Da stimmt etwas nicht. Nach einem kurzen Telefonat tritt Markurth dann auf die Bühne, um die Nachricht zu verkünden. „Das ist ein sehr trauriger Tag, nicht nur für den Karneval. Aber Gott sei Dank kein tragischer“, sagte er. Seit Monaten hätten sich die Menschen darauf gefreut. Braunschweig habe sich auf einen Rekordbesuch eingerichtet, 250 000 Besucher seien am Sonntag erwartet worden. Und dann das. „Die Sicherheit der Bevölkerung und der Kinder geht vor.“

Zugleich fordert Markurth die Anwesenden auf, sich den Spaß am Karneval nicht verderben zu lassen. „Wir dürfen eines nicht machen: uns diese Fröhlichkeit und die Vielfalt nehmen lassen.“ Ob dieser Tag ein Tag zum Feiern sei, das müsse nun jeder selbst entscheiden. „Es sind so viele verkleidete Menschen in der Stadt unterwegs und auch hier in der Halle. Ich meine, nichts spricht dagegen, trotzdem noch Karneval zu feiern.“

Polizei suchte nach mutmaßlichen Bomben – vergebens

Die Stimmung in der Halle ist gedrückt, passend zur gespenstisch leeren Innenstadt am Nachmittag. Selbst Kneipen und Cafés haben geschlossen: die Folge des Bombenalarms! Doch die Enttäuschung in den Gesichtern der Karnevalisten ist nicht zu beschreiben. Viele haben Tränen in den Augen. Prinzen weinen, Jecken telefonieren mit Freunden, um sie zu warnen: „Bleibt daheim, kommt nicht. Terrorgefahr!“

„Ich habe mich so auf den Karneval gefreut“, sagt Tom in seinem Gockel-Kostüm. Sagt es und beißt in seine Möhre – das Bier möchte nicht so recht alle werden. Wie ihm ergeht es vielen. „Jetzt fahren wir wider heim, unsere Eltern holen uns gleich ab“, meinen Vivien und Luisa. Die Hexenkostüme tragen sie noch; „aber die Besenstiele haben wir gleich im Auto gelassen“.

Die Polizei sucht mit Hunden nach zwei mutmaßlichen Bomben – und findet einen Karton und einen anderen harmlosen Gegenstand. (mit we)