Essen. Das Oberlandesgericht München lehnt die Entlassung der Zschäpe-Verteidiger ab, der NSU-Prozess kann vorerst weitergehen - aber die Justiz droht, Schaden zu nehmen. Ein Kommentar.

219 Verhandlungstage – alles für die Katz, das Ganze nochmal von vorn? Es wäre ein Desaster für den NSU-Prozess gewesen, der sich vor dem Münchner Oberlandesgericht nun seit mehr als zwei Jahren zäh dahinschleppt. Doch auch wenn die Entpflichtungsanträge der Verteidiger von Beate Zschäpe vom Gericht zurückgewiesen wurden - nach den verheerenden Pannen und Fehleinschätzungen bei den Ermittlungen in der Mordserie droht nun auch die Justiz Schaden zu nehmen.

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Beate Zschäpe, die Hauptangeklagte in dem Mammut-Verfahren, ist die große Unbekannte in dem Prozess. Zur Sache hat sie bislang eisern geschwiegen, was ihr gutes Recht ist. Welches Spiel Zschäpe jedoch im Hintergrund spielt, ist nebulös. Seit geraumer Zeit versucht sie offensichtlich, ihre Rechtsanwälte gegeneinander auszuspielen. Ihre drei Stamm-Verteidiger ignoriert die Angeklagte inzwischen demonstrativ, ein zusätzlicher vierter Anwalt würde ihr erst kürzlich vom Gericht zugestanden. Der Verdacht, dass hier eine clevere Angeklagte zumindest versucht, die Justiz vorzuführen, scheint nicht ganz unbegründet zu sein.

Belastende Situation für die Angehörigen der Opfer

Besonders belastend ist diese Situation für die Angehörigen der Opfer. Sie wurden schon während der Ermittlungen fälschlicherweise verdächtigt, mussten sich von der Polizei haltlose Anschuldigungen anhören – während die Fahnder gleichzeitig die rechte Spur zum NSU vernachlässigten. Das nun schon seit Wochen andauernde Geplänkel zwischen Angeklagter, Verteidigern und Richtern bedeutet eine zusätzliche Belastung für die Hinterbliebenen.

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Doch selbst da nun ein Platzen des Prozesses fürs erste abgewendet scheint, ist das Verfahren künftig belastet. Wie ein ordnungsgemäßer Prozess weiterlaufen soll, wenn zwischen der Angeklagten und einigen Verteidigern Funkstille herrscht und die Verteidigung insgesamt nicht an einem Strang zieht - das ist kaum vorstellbar.