Düsseldorf. Der Fall des Flüchtlingsmädchens Reem entfacht eine neue Debatte um ein Einwanderungsgesetz. Parteien in NRW fordern den Kurswechsel beim Bleiberecht.
Sie ist 14 Jahre jung. Als sie vor vier Jahren mit ihren palästinensischen Eltern und zwei jüngeren Geschwistern aus dem Libanon nach Deutschland kam, sprach sie kein Wort Deutsch. Doch sie strengte sich an, büffelte Grammatik, lernte Vokabeln. Vor wenigen Tagen gab es Zeugnisse und sie sagt stolz der Zeitung "Bild am Sonntag"’: „Ich bin die einzige in meiner Klasse mit einer Eins in Deutsch.“
Die Geschichte des Flüchtlingsmädchens Reem, das im Gespräch mit der Bundeskanzlerin vor laufender Kamera schilderte, wie sehr sie und ihre Familie die drohende Abschiebung zurück in den Libanon belastet, hat die Politik offenbar wachgerüttelt. Auch in Nordrhein-Westfalen werden nun die Stimmen derer, die ein neues Einwanderungsgesetz und mehr Flexibilität beim Bleiberecht anmahnen, lauter.
„Die Potenziale erkennen“
So forderte NRW-Integrationsminister Guntram Schneider (SPD) nicht nur ein Bleiberecht für die junge Reem. „Nach den Plänen des Bundes sollen Flüchtlinge, die hier eine Berufsausbildung oder ein Studium absolvieren, für die Zeit ihrer Ausbildung einen verfestigten Aufenthaltsstatus erhalten“, so Schneider gegenüber dieser Zeitung. Und weiter: „Es wäre aber richtig, wenn auch für Zeiten der Berufstätigkeit ein verfestigter Aufenthaltsstatus gelten würde. Man sollte qualifizierte Kräfte nicht wieder wegschicken.“
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Auch NRW-CDU-Chef Armin Laschet fordert weitere Änderungen am Bleiberecht. Die jüngste Reform habe bereits einen „Perspektivwechsel eingeleitet, der früher als bisher die Potenziale der Flüchtlinge erkennt und ihnen Aufstiegschancen gibt“, so Laschet. „Wer aber aus sicheren Herkunftsländern wie dem Westbalkan jetzt neu einreist und Asyl beantragt, muss wissen, dass die Chance auf ein Bleiberecht gering ist. Aber ein Kind wie die Schülerin Reem abzuschieben, die seit Jahren mit ihrer Familie hier lebt und zu den Klassenbesten gehört, ist absurd.“
Ähnlich sehen es auch Wirtschaftspolitiker wie der Landesvorsitzende der CDU-Mittelstandsvereinigung, Hendrik Wüst: „Bei unserem Fachkräftemangel auf qualifizierte Flüchtlinge zu verzichten, ist verrückt“, sagte er auf Anfrage. „Wir müssen uns auch unter diesem Aspekt mit einem neuen Einwanderungsgesetz befassen.“
Der FDP-Vorsitzende Christian Linder argumentiert ähnlich, er sagt: „Ein neues Einwanderungsrecht ist am Beginn des demografischen Wandels überfällig. Gut qualifizierte und integrierte Menschen sollten nicht abgeschoben werden, sondern bei uns eine Perspektive erhalten. Asylbewerber sollten eine Stelle annehmen dürfen, um einen Beitrag zum Lebensunterhalt zu verdienen.“
Schwesig für neues Bleiberecht
Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) zeigte sich erschüttert von den Schilderungen Reems. „Das Schicksal des Mädchens hat mich berührt und zeigt, in welch verzweifelter Situation Flüchtlingskinder in unserem Land sind, wenn sie keine Perspektive haben“, sagte die Ministerin gegenüber der „Bams“. „Deshalb ist es gut, dass wir das Bleiberecht ändern und jungen Menschen, die hier erfolgreich zur Schule gehen, die Sprache lernen, Freunde gefunden haben eine Zukunft bieten“, so Schwesig.