Athen. Das Parlament in Athen soll am Mittwoch das Spar- und Reformprogramm verabschieden. Dabei zeigt sich: Das Land ist politisch jetzt instabiler denn je.

Am Mittwochabend soll das Athener Parlament im Eilverfahren ein erstes Teilpaket des neuen Spar- und Reformprogramms verabschieden - als „vertrauensbildende Vorleistung“, nachdem frühere Athener Regierungen in der Vergangenheit häufig Reformen zugesagt, dann aber nicht umgesetzt hatten. Mit der Billigung des Gesetzespakets kann das Parlament den Weg zu Verhandlungen über das am Montagmorgen in Brüssel ausgehandelte dritte Rettungspaket frei machen. Es stellt dem Krisenland frische Hilfskredite von bis zu 86 Milliarden Euro für die kommenden drei Jahre in Aussicht. Doch zur Verabschiedung der Reformen ist Premierminister Alexis Tsipras auf die Unterstützung der Opposition angewiesen. Denn seine eigene Partei meutert.

Beschließen sollen die Abgeordneten ein Paket, das eine Mehrwertsteuerreform, höhere Luxussteuern, Schritte für ein nachhaltiges Rentensystem und striktere Haushaltsregeln enthält. Für Alexis Tsipras kommt damit die Stunde der bitteren Wahrheit. Er hatte seinen Wählern ein Ende des Sparkurses versprochen, wollte zahlreiche Strukturreformen sogar zurückdrehen, die Privatisierungen stoppen. Die unpopuläre Immobiliensteuer versprach er abzuschaffen, die Mindestlöhne wollte er anheben, die von den Vorgängerregierungen beschlossenen Rentenkürzungen rückgängig machen. Nichts, gar nichts davon kann er halten. Tsipras muss sogar eine Anzahl Gesetze, die seine Regierung in den vergangenen Monaten einseitig ohne Absprache mit den Gläubigern verabschiedete, wieder rückgängig machen.

Auf die Griechen kommen neue Steuererhöhungen und weitere Einschnitte bei den Renten zu. Auch die verhasste Troika, die Tsipras für immer vertreiben wollte, kehrt nun nach Athen zurück, sogar mit erweiterten Kontrollbefugnissen.

Am Mittwoch streikt der öffentliche Dienst

Am Montagabend demonstrierten auf dem Athener Syntagmaplatz Tausende gegen das Programm. Für den Mittwoch haben die Gewerkschaften zum Streik im öffentlichen Dienst aufgerufen. Parallel zur Parlamentssitzung soll es eine weitere Protestkundgebung vor dem Parlamentsgebäude geben. Politisch brisanter für Tsipras: Der linksradikale Flügel der Regierungspartei Syriza will das Paket keinesfalls mittragen.

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Der Bruch in der Partei deutete sich am vergangenen Samstag an, als es um ein Verhandlungsmandat des Parlaments für Tsipras beim Brüsseler Sondergipfel ging. 32 Syriza-Abgeordnete verweigerten dem Premier direkt oder indirekt die Gefolgschaft, darunter auch zwei Minister. Dass Tsipras dennoch die erbetene Vollmacht bekam, verdankt er drei proeuropäischen Oppositionsparteien.

Die Rede ist von 40 Meuterern

Auf die muss er sich auch bei der Abstimmung am Mittwochabend stützen – zumal unklar ist, ob sein Koalitionspartner, die ultrarechten Unabhängigen Griechen (Anel), die Reformen mittragen werden. Inzwischen sei die Zahl der „Meuterer“ in der Syriza-Regierungsfraktion auf rund 40 angewachsen, heißt es in Parteikreisen. Lange vermied der konfliktscheue Tsipras die Auseinandersetzung mit der „Linken Plattform“, wie sich der linksextreme Syriza-Flügel selbst nennt. Jetzt kann er der Konfrontation nicht länger aus dem Weg gehen. Am Reformprogramm scheiden sich die Geister. Beobachter erwarteten, dass Tsipras noch vor der entscheidenden Abstimmung die beiden abtrünnigen Kabinettsmitglieder ablösen wird. Es handelt sich um Energieminister Panagiotis Lafazanis und Vize-Sozialminister Dimitris Stratoulis. Beide sind führende Figuren des marxistischen Syriza-Flügels.

Die Abstimmungshürde dürfte Tsipras zwar mit Unterstützung der Opposition nehmen. Aber offen ist, wie es danach weitergeht. Tsipras könnte versuchen, an der Spitze einer Minderheitsregierung durchzuhalten. Oder er bildet eine neue, breit aufgestellte Koalition mit proeuropäischen Parteien. Ob er dann Premier bleiben kann, ist fraglich. Letztlich dürften Neuwahlen in Herbst unvermeidlich werden. Trotz der Aussicht auf ein drittes Rettungspaket – politisch wirkt Griechenland instabiler denn je.