Athen. Nach dem Gipfel steht die Regierung in Athen vor einer Zerreißprobe. Und die Bürger wissen, dass ihnen nun neue harte Entbehrungen bevorstehen.

Für Alexis Tsipras war dieser Montag, der 13. kein gutes Datum. Das merkten auch die Fernsehzuschauer in Griechenland, als der Premier nach dem Marathon-Krisengipfel übernächtigt vor die Kameras trat.

Tsipras rang sich ein Lächeln ab, aber es wirkte gequält. „Wir haben in einer harten Schlacht bis zum Ende gekämpft und die bestmögliche Vereinbarung erzielt“, erklärte Tsipras. Aber nach Harmonie, Kompromiss und Konsens klang es nicht, was der griechische Premier vortrug.

Tsipras bemüht wieder die alten Feindbilder

Aber Tsipras wäre nicht Tsipras, wenn er nach dem Gipfeltreffen nicht gleich wieder aus der Rolle des Regierungschefs in die des Po­pulisten zurückfiele. Er malt die alten Feindbilder aus: So sei es der griechischen Delegation gelungen, „die extremistischen Bestrebungen der allerkonservativsten Kreise der Europäischen Union zu durchkreuzen“.

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Man habe „die finanzielle Strangulierung“ und die finsteren Pläne zur „Zerstörung des griechischen Bankensystems“ abgewendet, tönt er.

Nikos Filis, Fraktionssprecher des regierenden Linksbündnisses Syriza, schürt die Stimmung: Was man mit Griechenland beim Euro-Sondergipfel gemacht habe sei „Waterboarding“, behauptet Filis in Anspielung auf die US-Folterpraktiken in Guantànamo. Und Deutschland schicke sich zum dritten Mal in hundert Jahren an, Europa zu spalten, sagte Filis. Die Zeitung Dimokratia erschien mit der Titelschlagzeile „Griechenland in Auschwitz“.

Populistisches Getöse soll bröckelnde Syriza zusammenhalten

Das Getöse soll wohl vor allem dazu dienen, das Linksbündnis Syriza zusammenzuhalten. Die Partei – und damit die Regierung – steht jetzt vor einer schweren Zerreißprobe. Bereits letzte Woche, als Tsipras seine Sparliste vorlegte, tat sich ein tiefer Bruch in der Partei auf. Jetzt scheiden sich die Geister.

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Steuererhöhungen, Rentenkürzungen, Privatisierungen: Was Tsipras in Brüssel zugestehen musste, widerspricht dem, was er den Menschen noch vor der Volksabstimmung vorgegaukelt hatte. Was er aus Brüssel mitbringt, ist weitaus härter als jene Spar- und Reformliste, die die Wähler mit großer Mehrheit zurückwiesen.

Das hat Tsipras selbst zu verantworten. Denn mit dem Volksentscheid stürzte er das Bankensystem in eine existenzbedrohende Krise und verursachte der Volkswirtschaft Milliardenverluste. Umso strikter müssen nun die Sparauflagen ausfallen.

Die meisten Griechen atmen zwar auf – das Land bleibt, vorerst, in der Eurozone. Das wünschen sich mehr als drei Viertel der Menschen. Aber in die Erleichterung mischt sich die Gewissheit, dass nun neue Entbehrungen bevorstehen.

Tsipras braucht Stimmen der Opposition

Tsipras verspricht zwar, die Lasten des Sparprogramms würden diesmal anders verteilt. Nun werde man jene zur Kasse bitten, die sich bisher gedrückt hätten. Aber die geplante Erhöhung der Mehrwertsteuer und die Rentenkürzungen treffen wieder einmal vor allem die Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen.

Damit wird nicht nur Tsipras in den Augen vieler Wähler entzaubert. Auch sein Linksbündnis Syriza steht vor einem Crashtest. Das zeigte sich bereits vorige Woche bei der Abstimmung über das Verhandlungsmandat, das Tsipras vom Parlament erbeten hatte. Über 30 Syriza-Abgeordnete versagten ihm die Gefolgschaft. Das zeigt: Auf seine Regierungsmehrheit kann sich der Premier nun nicht mehr stützen.

Bis Mittwoch soll das Athener Parlament einzelne Reform- und Spargesetze im Eilverfahren verabschieden, um den Staatsbankrott abzuwenden. Nur auf seine eigene Koalition gestützt, kann Tsipras die Gesetze nicht durchs Parlament bringen. Er braucht die Hilfe der Opposition. Über kurz oder lang bedeutet dies wohl die Spaltung von Syriza – und das Ende der ge­genwärtigen Regierung.

Steht die Syriza-Regierung vor dem Aus?

An ihre Stelle könnte eine Koalition treten, die sich auf eine breite Mehrheit der pro-europäischen Kräfte im Parlament stützt. Für Griechenland wäre das wohl nicht die schlechteste Lösung.

London will sich nicht an Finanzspritzen für Athen beteiligen 

Großbritannien weigert sich strikt, sich an finanziellen Hilfsmaßnahmen für Griechenland zu beteiligen. "Unsere Kollegen in der Eurozone haben die Botschaft laut und deutlich erhalten, dass es nicht akzeptabel ist, dass britische Unterstützung für Rettungsmaßnahmen in der Eurozone wiederbelebt wird", zitieren mehrere britische Zeitungen am Dienstag eine Quelle aus dem Londoner Finanzministerium.

Alter Rettungschirm EFSM soll wiederbelebt werden

Den Berichten zufolge will EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker Instrumente des alten Rettungschirmes EFSM wiederbeleben. Demnach würde der EU-Haushalt - und damit auch Geld des Nettozahlers Großbritannien - als Sicherheit herhalten müssen, falls Griechenland seine Kredite nicht zurückzahlt. London schätzt das Risiko als hoch ein.

Die Downing Street gab sich offiziell diplomatischer. Man gehe davon aus, dass die Vereinbarung von 2010, die EFSM nicht mehr zur Rettung von Euro-Ländern heranzuziehen, steht, sagte ein Sprecher. "Wir haben keinen solchen Vorschlag bekommen und es liegt auch keiner auf dem Tisch." (dpa)