Brüssel. Dramatische Stunden in Brüssel: Nach einem 17-stündigen Verhandlungsmarathon gelang ein Kompromiss, der den Griechen neue Hilfen ermöglichen soll.
Im griechischen Schuldendrama haben die Staats- und Regierungschefs der Eurozone den Weg für Verhandlungen über ein drittes Hilfspaket geebnet. EU-Ratspräsident Donald Tusk berichtete am Montag, der Krisengipfel in Brüssel habe sich einstimmig auf ein umfangreiches Spar- und Reformpaket für das Krisenland verständigt. Vorausgegangen waren intensive Beratungen seit Samstag, die am Ende in einen 17-stündigen Verhandlungsmarathon auf der Ebene der Staats- und Regierungschefs gipfelten.
Kanzlerin Merkel geht von einer breiten Mehrheit im Parlament in Athen für das nun vereinbarte Reformprogramm aus. Es gebe nach ihrem Eindruck den "großen Wunsch der Griechen, im Bereich des Euro weiter Mitglied zu sein", sagte sie. Dieser Wunsch habe auch den griechischen Premier Alexis Tsipras in den Verhandlungen geleitet. Eine griechische Handschrift in dem Hilfspaket gebe es etwa, weil es Athen ermögliche, 12,5 Milliarden Euro aus dem Privatisierungsfonds für direkte Investitionen einzusetzen. Insofern gebe es Punkte, "mit denen wir auch auf die griechischen Belange eingegangen sind".
Privatisierungsfonds über 50 Milliarden außerhalb Griechenlands
Weitere Details über die Inhalte des Kompromisses wurden zunächst nicht bekannt. Als offen galt zuletzt noch die Frage eines griechischen Privatisierungsfonds. Der Tsipras hatte sich hartnäckig gegen diese Kernforderung der Europartner gewehrt.
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Der Privatisierungsfonds sollte nach ursprünglichen Plänen einen Umfang von rund 50 Milliarden Euro haben und außerhalb Griechenlands angesiedelt werden. In diesen Fonds sollen staatliche Vermögenswerte übertragen werden.
Auch die finanzielle Einbeziehung des Internationalen Währungsfonds beim neuen Hilfspaket der Europäer war von Athen kritisiert worden. Laut Diplomaten wurde dieser Streit mittlerweile beigelegt.
Der Gipfel war in der Nacht häufiger unterbrochen worden, um Zeit für Beratungen in kleiner Runde zu geben. Zuletzt trafen sich am Montagmorgen Kanzlerin Angela Merkel, Frankreichs Staatschef François Hollande und EU-Ratspräsident Donald Tusk mit dem griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras im kleinen Kreis. Die Staats- und Regierungschefs der 19 Euro-Länder waren am Sonntag um 16.00 Uhr zusammengekommen und verhandelten seitdem über einen Kompromiss für ein Spar- und Reformpaket für Athen.
Athen muss Privatisierungen und Verwaltungsreform umsetzen
Das Krisentreffen dreht sich darum, ob Verhandlungen über ein drittes Hilfspaket aufgenommen werden. Nach dem vorgelegten Plan der griechischen Regierung soll es über drei Jahre laufen. Der Finanzbedarf wird auf bis zu 86 Milliarden Euro geschätzt. Athen braucht laut einem Papier der Finanzminister bis zum 20. Juli rund sieben Milliarden Euro.
Von Athen wird im Gegenzug verlangt, einen vierseitigen Forderungskatalog der Euro-Finanzminister in die Tat umzusetzen. Dabei geht es neben den Privatisierungen von Staatsbesitz unter anderem auch um eine Verwaltungsreform. (dpa)
Reaktionen auf die Einigung beim Krisengipfel
EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker: "Es ist ein Kompromiss. Da es ein Kompromiss ist, gibt es weder Gewinner noch Verlierer. Ich denke nicht, dass das griechische Volk gedemütigt wurde, und ich denke nicht, dass die anderen Europäer ihr Gesicht verloren haben."
Kanzlerin Angela Merkel betont, dass ein Schuldenschnitt nicht in Frage kommt. Die Eurogruppe sei bereit, wenn nötig über längere Laufzeiten der Schulden Athens zu reden. Das setze aber eine erfolgreiche Bewertung des neuen griechischen Reformprogramms voraus. "Alles in allem: Vorteile überwiegen die Nachteile. Ich glaube, dass Griechenland damit Chancen hat, auf den Wachstumspfad zurückzukehren."
Griechenlands Ministerpräsident Alexis Tsipras meint, das Beste erreicht, was für sein Land möglich war. "Wir haben einen gerechten Kampf geführt. Wir stehen jetzt vor schweren Entscheidungen." Er habe mit den Geldgebern hart gekämpft und werde nun im Inland ebenso hart kämpfen, damit die Gipfelbeschlüsse umgesetzt würden. "Griechenland braucht tiefgreifende Reformen".
Die Alternative für Deutschland (AfD) wirft der Bundesregierung vor, sie täusche die Bürger. Merkel und Schäuble behaupteten, kein weiteres Geld ins "griechische Fass ohne Boden" zu werfen – aber genau das tue man, erklärte AfD-Vize Jörg Meuthen. "Der Euro ist wie Guantánamo: Man kann rein, aber nie wieder raus." (dpa)