Brüssel. Mit maximalem Druck versuchen die Euro-Staaten , den griechischen Premier Tsipras während des nächtlichen Krisengipfels auf ihren Kurs zu zwingen.

Auf dem Sondergipfel in Brüssel gab es bis tief in die Nacht zum Montag keine Einigung über die Vorbedingungen für ein neues Hilfsprogramm für Athen. Beim Ringen um Griechenlands Verbleib in der Eurozone traten die Differenzen zwischen Frankreich und Deutschland offen zutage.

Die Staats- und Regierungschefs der Partnerländer konnten sich in stundenlangen Beratungen zunächst nicht mit ihrem griechischen Kollegen Alexis Tsipras verständigen, welche Bedingungen Athen erfüllen muss, um in den kommenden drei Jahren Kredithilfe vom Schutzschirm ESM zu bekommen. Die Euro-Finanzminister hatten zuvor den Bedarf auf 82 bis 86 Milliarden Euro beziffert.

Griechen sollen schon am Mittwoch Maßnahmen einleiten

„Es geht um automatische Mechanismen und Garantien, die der griechischen Regierung in großem Umfang Souveränität entziehen würden“, erläuterte ein Diplomat. Auf besonders erbitterten Widerstand der Griechen stieß die Forderung, die Privatisierung von griechischem Staatseigentum im Wert bis zu 50 Milliarden Euro über einen Treuhandfonds in Luxemburg abzuwickeln.

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In mehreren Bereichen sollen die Griechen umgehend – per Parlamentsbeschluss bis zum Mittwoch dieser Woche - die verlangten Maßnahmen einleiten: Dabei geht es um die Reform des Mehrwertsteuer- und Renten-Systems und der Zivilprozess-Ordnung, ein unabhängiges Statistik-Amt, automatische Ausgabenkürzungen falls die angepeilten Haushaltsüberschüsse nicht erreicht werden, und die sofortige Umsetzung des EU-Bankenregimes.

Frankreich und Deutschland sind sich uneinig

„Es bestehen ernste Sorgen hinsichtlich der Schuldentragfähigkeit“, stellte die Eurogruppe nach ihrer Sitzung zur Vorbereitung des Gipfels in einem vierseitigen Papier fest, das allerdings zahlreiche Punkte noch ungeklärt ließ. Griechenlands Partner seien bereit, über eine weitere Streckung der Fristen und Senkung der Zinsen zu reden, wenn die erste Etappe eines neuen Programms erfolgreich absolviert sei. Ein Schulden-Erlass („haircut“) komme nicht in Frage. Die Beteiligung des Internationalen Währungsfonds (IWF) bleibe „eine Vorbedingung“ für den Abschluss eines Programms.

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Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Francois Hollande zeigten unterschiedliche Bereitschaft, Athen entgegen zu kommen und grünes Licht für Verhandlungen über das Hilfsprogramm zu geben: Hollande warnte vor den Folgen eines Grexit, Merkel verwies auf das verlorene Vertrauen in die griechische Regierung. Die christdemokratisch geführte Bundesregierung ist grundsätzlich skeptischer als ihre sozialistischen Partner in Paris gegenüber der Regierung Tsipras und seiner linken Syriza-Partei. Merkel sagte, eine Einigung um jeden Preis komme für die Bundesrepublik nicht in Frage. „Die wichtigste Währung ist verloren gegangen, und das ist das Vertrauen und die Verlässlichkeit.“ Es müsse bei jedem Ergebnis sichergestellt sein, „dass die Vorteile die Nachteile überwiegen“.

Gipfelteilnehmer drängen auf schnelle Entscheidung

Hollande betonte demgegenüber: „Es geht darum, ob Griechenland in der Eurozone bleibt. Aber es geht auch um Europa - Frankreich wird alles tun, um heute Abend eine Einigung zu erzielen!“ Kritisch äußerte sich Hollande zu Überlegungen aus dem Bundesfinanzministerium, wonach Griechenland vorübergehend aus der Eurozone ausscheiden könnte. „Einen provisorischen Grexit gibt es nicht … entweder ist Griechenland in der Eurozone oder draußen.“ Der deutsche Vorschlag, beim Nichtzustandekommen eines Deals den Griechen Verhandlungen über eine Auszeit von der Eurozone anzubieten, fand auch in der Euro-Gruppe keine einhellige Zustimmung.

Für ein Entgegenkommen gegenüber Athen sprachen sich der italienische Premier Matteo Renzi und EU-Parlamentspräsident Martin Schulz aus. Beide gehören wie Hollande zur Parteienfamilie der europäischen Sozialdemokraten. „Italien wird alles tun, den Griechen die Hand zu reichen“, versicherte Renzi. Schulz warnte, beim Treffen am Sonntagabend handle es sich nicht um einen beliebigen weiteren Gipfel. Diesmal müssten die Teilnehmer „über die Zukunft Europas entscheiden“. Eine Einigung sei zwingend geboten.

Griechen jubeln über Referendum

"Ochi" - "Nein"! Das Referendum in Griechenland vom Sonntag (5. Juli 2015) hat ein klares Ergebnis gebracht: Mit deutlicher Mehrheit wurden die Sparvorschläge der Eurogruppe abgelehnt... © dpa
...Das sorgte für eine bizarre Situation: Zehntausende Menschen - auf dem Foto Anhänger der Regierungsparty Syriza - zogen über die Staßen etwa in Athen und feierten; in einem Land, in dem es seit nun einer Woche eigentlich nichts wirklich zu feiern gibt, weil zum Beispiel die Banken geschlossen sind.
...Das sorgte für eine bizarre Situation: Zehntausende Menschen - auf dem Foto Anhänger der Regierungsparty Syriza - zogen über die Staßen etwa in Athen und feierten; in einem Land, in dem es seit nun einer Woche eigentlich nichts wirklich zu feiern gibt, weil zum Beispiel die Banken geschlossen sind. © Getty Images
"Nein" jedenfalls war auch - und vielleicht vor allem - eine Antwort auf eine innenpolitische Frage: Die Regierung um Ministerpräsident Alexis Tsipras hatte mit der Antwort auf das Referendum auch ihre eigene Zukunft verbunden. © dpa
...Die Antwort auf das Referendum war also auch Ausdruck von Selbstbehauptung...
...Die Antwort auf das Referendum war also auch Ausdruck von Selbstbehauptung... © dpa
...Das Gefühl, unter der Knute der Eurogruppe zu stehen,...
...Das Gefühl, unter der Knute der Eurogruppe zu stehen,... © dpa
...steigerte offenbar den Nationalstolz, der nach der Abstimmung mit zig geschwenkten Nationalflaggen...
...steigerte offenbar den Nationalstolz, der nach der Abstimmung mit zig geschwenkten Nationalflaggen... © Getty Images
...zur Schau gestellt wurde...
...zur Schau gestellt wurde... © dpa
...Nicht nur Flaggen wurden in die Luft gereckt...
...Nicht nur Flaggen wurden in die Luft gereckt... © Getty Images
...auch Feuerwerk war zu sehen...
...auch Feuerwerk war zu sehen... © Getty Images
...und Menschen, die eben jubelten.  Weil das
...und Menschen, die eben jubelten. Weil das "Nein" die Position der griechischen Regierung gegenüber den Euroländern stärken würde, wie es Ministerpräsident Alexis Tsipras im Vorfeld erklärte... © dpa
...Tsipras konnte sich denn mit dem deutlichen Ergebnis des Refendums bestätigt sehen, was er nicht verhehlte...
...Tsipras konnte sich denn mit dem deutlichen Ergebnis des Refendums bestätigt sehen, was er nicht verhehlte... © imago/Kyodo News
...In einer Fernsehansprache kündigte er am Abend neue Verhandlungen an. Erste Priorität habe nun die Wiederöffnung der geschlossenen Banken. Denen sollte am Montag, wie erwartet wurde, das Geld ausgehen.
...In einer Fernsehansprache kündigte er am Abend neue Verhandlungen an. Erste Priorität habe nun die Wiederöffnung der geschlossenen Banken. Denen sollte am Montag, wie erwartet wurde, das Geld ausgehen. © dpa
...Griechenlands Finanzminister Yanis Varoufakis konnte sich ebenfalls bestätigt sehen. Bis zuletzt hatte er im scharfen Tonfall die Position der Geldgeber kritisiert:
...Griechenlands Finanzminister Yanis Varoufakis konnte sich ebenfalls bestätigt sehen. Bis zuletzt hatte er im scharfen Tonfall die Position der Geldgeber kritisiert: "Was man mit Griechenland macht, hat einen Namen: Terrorismus", sagte Varoufakis etwa noch kurz vor dem Referendum einer spanischen Tageszeitung. © dpa
...Die Überraschung folgte einen Tag später, also am Montag: Varoufakis gab seinen Rücktritt als Finanzminister bekannt...
...Die Überraschung folgte einen Tag später, also am Montag: Varoufakis gab seinen Rücktritt als Finanzminister bekannt... © Getty Images
...Ob der sein Nachfolger ebenfalls von der Motorradfraktions kommt, wird sich zeigen.
...Ob der sein Nachfolger ebenfalls von der Motorradfraktions kommt, wird sich zeigen. © dpa
Der Referendums-Abend in Griechenland stand natürlich unter großer medialer Beobachtung...
Der Referendums-Abend in Griechenland stand natürlich unter großer medialer Beobachtung... © dpa
Rückblidk: Hemd über der Hose? Das kann ja nur der griechische Finanzminister sein. Am Sonntag, hier im Abstimmungslokal, jedenfalls war er es noch...
Rückblidk: Hemd über der Hose? Das kann ja nur der griechische Finanzminister sein. Am Sonntag, hier im Abstimmungslokal, jedenfalls war er es noch... © imago/Xinhua
...Auch Ministerpräsident Alexis Tsipras nahm am Referendum teil...
...Auch Ministerpräsident Alexis Tsipras nahm am Referendum teil... © imago/ZUMA Press
...Inwieweit die Menschen in Griechenland tatsächlich vollkommen verstanden haben, wonach genau sie auf dem Stimmzettel abzustimmen haben? Im Vorfeld war der griechischen Regierung vorgeworfen worden, sie hätte die Frage manipulativ formuliert. Die Antwort-Vorgabe jedenfalls war klar:
...Inwieweit die Menschen in Griechenland tatsächlich vollkommen verstanden haben, wonach genau sie auf dem Stimmzettel abzustimmen haben? Im Vorfeld war der griechischen Regierung vorgeworfen worden, sie hätte die Frage manipulativ formuliert. Die Antwort-Vorgabe jedenfalls war klar: "Ochi" stand für "Nein", "Nai" - anders als man als Nicht-Grieche vielleicht meint, für "Ja"... © imago/ZUMA Press
...Antonios Samaras, Chef der oppositionellen konservativen Partei Nea Dimokratia, hatte für
...Antonios Samaras, Chef der oppositionellen konservativen Partei Nea Dimokratia, hatte für "Ja" geworben - und verkündete als Reaktion auf das Referendum am Montag seinen Rücktritt als Parteichef... © dpa
...Das Ergebnis des Referendums in Griechenland fand weltweit Beachtung, hier etwa die Titelseite einer thailändischen Wirtschaftszeitung an der Börse in Bangkok.
...Das Ergebnis des Referendums in Griechenland fand weltweit Beachtung, hier etwa die Titelseite einer thailändischen Wirtschaftszeitung an der Börse in Bangkok. © dpa
...Das griechische
...Das griechische "Oxi" brachte wichtige Auslandsbörsen nur wenig in die Bredouille: Der Eurozone-Leitindex EuroStoxx 50 fiel zuletzt um 2,04 Prozent. In Japan (Foto) schloss der Nikkei-Index mehr als 2 Prozent tiefer. Auch der Kurs des Euro gab nach, grenzte die Abschläge nach dem Varoufakis-Rücktritt aber ein, schreibt dazu die Nachrichtenagentur dpa. © dpa
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