Straßburg/Athen. Im Kampf gegen die Schuldenkrise hat Griechenland neue Hilfen beim Eurorettungsschirm beantragt. Das teilte Premier Alexis Tsipras am Mittwoch mit.

Das pleitebedrohte Griechenland hat einen neuen Antrag für Rettungsmilliarden beim Eurorettungsschirm ESM gestellt. "Wir haben heute eine Mitteilung an den ESM vorgelegt", sagte der griechische Premier Alexis Tsipras am Mittwoch vor dem Europaparlament in Straßburg. Ziel eines neuen Hilfsprogramms müsse sein, die Belastungen für die Bevölkerung gerechter zu verteilen. Der Eurorettungsschirm ESM hat den Eingang bestätigt. "Der ESM hat das griechische Gesuch empfangen", sagte ein Sprecher in Luxemburg.

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Die Eurogruppe werde entgegen erster Erwartung nicht noch am Mittwoch in einer Telefonkonferenz über den neuen Hilfsantrag sprechen, wie der Sprecher von Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem mitteilte. Geplant seien hingegen Beratungen der Finanzstaatssekretäre der 19 Eurostaaten, die in der sogenannten Eurogroup Working Group die Treffen ihrer Ressortchefs vorbereiten. Die Eurogruppe muss darüber entscheiden, ob sie das mehrstufige Verfahren zur Gewährung neuer Rettungsmilliarden an das Krisenland in Gang setzt.

Hilfsgelder "kamen nicht beim Volk an"

"Arbeitnehmer und Rentner können keine zusätzlichen Lasten akzeptieren", sagte Tsipras. Die bisherigen Programme seien zur Rettung der Banken verwendet worden. "Sie kamen nicht beim Volk an", sagte er. "Mit keiner Reform wurde die Funktionsfähigkeit der Staatsmaschine verbessert." Derweil hat sich das Land am Mittwoch kurzfristig frisches Geld am Kapitalmarkt besorgt.

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Wie der griechische Rundfunk unter Berufung auf die Schuldenagentur PDMA am Mittwoch berichtete, konnten insgesamt 1,625 Milliarden Euro für 26 Wochen in Form kurzlaufender Staatspapiere aufgenommen werden. Die Rendite der versteigerten Papiere lag - wie bei einer vergleichbaren Auktion im Vormonat - bei 2,97 Prozent.

"Wir befinden uns an einem Scheideweg für Europa"

Tsipras wurde im Europaparlament mit stürmischem Beifall seiner Anhänger, aber auch mit Protesten empfangen. Einige Parlamentarier hielten Schilder mit dem Aufschrift "No" in die Höhe. "Wir befinden uns an einem Scheideweg für Europa", sagte der Chef der griechischen Links-Rechts-Regierung.

Griechenland hat nur noch wenige Tage Zeit, um mit den Europartnern einen Kompromiss im Streit über die Schuldenkrise zu finden. Vor allem die Europäische Zentralbank (EZB) erhöht massiv den Druck auf die griechische Regierung.

Sollte es keine Perspektive für eine Einigung im Schuldenstreit mit den Gläubigern geben, müsste die EZB die Nothilfen für die griechischen Banken unverzüglich beenden, warnte der französische Notenbankchef Christian Noyer am Mittwoch im französischen Radiosender Europe 1. Seit Monaten sind die Banken des hoch verschuldeten Landes vor allem auf Ela-Notkredite der Zentralbank ("Emergency Liquidity Assistance"/Ela) angewiesen.

EU-Ratspräsident setzt den Sonntag als Frist

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) kündigte einen Sondergipfel aller 28 EU-Mitgliedstaaten für Sonntag an. "Die endgültige Frist endet diese Woche", hatte EU-Ratspräsident Donald Tusk nach einem Eurozonen-Gipfel am Dienstag in Brüssel gesagt.

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Falls auch dieser keine Lösung bringt, wird in den Brüsseler Institutionen bereits ein "Grexit"-Szenario durchgespielt. "Sonntag wird so oder so ein Schlussstrich gezogen", sagte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker.

Frankreich will Griechenland im Euro halten

Laut Merkel erwarten die Europartner, dass Athen bis spätestens Donnerstag vorschlägt, wie genau ein Hilfsprogramm des Euro-Rettungsschirms ESM aussehen könne. Bisher seien die Voraussetzungen für die Aufnahme von Verhandlungen über ein solches Rettungsprogramm nicht gegeben. Frankreichs Staatspräsident François Hollande betonte: "Frankreich will, dass Griechenland in der Euro-Zone bleibt und arbeitet daran, das zu erreichen." Einen von Griechenland verlangten erneuten Schuldenerlass lehnen die Euro-Staaten bisher mehrheitlich ab.

Griechen jubeln über Referendum

"Ochi" - "Nein"! Das Referendum in Griechenland vom Sonntag (5. Juli 2015) hat ein klares Ergebnis gebracht: Mit deutlicher Mehrheit wurden die Sparvorschläge der Eurogruppe abgelehnt... © dpa
...Das sorgte für eine bizarre Situation: Zehntausende Menschen - auf dem Foto Anhänger der Regierungsparty Syriza - zogen über die Staßen etwa in Athen und feierten; in einem Land, in dem es seit nun einer Woche eigentlich nichts wirklich zu feiern gibt, weil zum Beispiel die Banken geschlossen sind.
...Das sorgte für eine bizarre Situation: Zehntausende Menschen - auf dem Foto Anhänger der Regierungsparty Syriza - zogen über die Staßen etwa in Athen und feierten; in einem Land, in dem es seit nun einer Woche eigentlich nichts wirklich zu feiern gibt, weil zum Beispiel die Banken geschlossen sind. © Getty Images
"Nein" jedenfalls war auch - und vielleicht vor allem - eine Antwort auf eine innenpolitische Frage: Die Regierung um Ministerpräsident Alexis Tsipras hatte mit der Antwort auf das Referendum auch ihre eigene Zukunft verbunden. © dpa
...Die Antwort auf das Referendum war also auch Ausdruck von Selbstbehauptung...
...Die Antwort auf das Referendum war also auch Ausdruck von Selbstbehauptung... © dpa
...Das Gefühl, unter der Knute der Eurogruppe zu stehen,...
...Das Gefühl, unter der Knute der Eurogruppe zu stehen,... © dpa
...steigerte offenbar den Nationalstolz, der nach der Abstimmung mit zig geschwenkten Nationalflaggen...
...steigerte offenbar den Nationalstolz, der nach der Abstimmung mit zig geschwenkten Nationalflaggen... © Getty Images
...zur Schau gestellt wurde...
...zur Schau gestellt wurde... © dpa
...Nicht nur Flaggen wurden in die Luft gereckt...
...Nicht nur Flaggen wurden in die Luft gereckt... © Getty Images
...auch Feuerwerk war zu sehen...
...auch Feuerwerk war zu sehen... © Getty Images
...und Menschen, die eben jubelten.  Weil das
...und Menschen, die eben jubelten. Weil das "Nein" die Position der griechischen Regierung gegenüber den Euroländern stärken würde, wie es Ministerpräsident Alexis Tsipras im Vorfeld erklärte... © dpa
...Tsipras konnte sich denn mit dem deutlichen Ergebnis des Refendums bestätigt sehen, was er nicht verhehlte...
...Tsipras konnte sich denn mit dem deutlichen Ergebnis des Refendums bestätigt sehen, was er nicht verhehlte... © imago/Kyodo News
...In einer Fernsehansprache kündigte er am Abend neue Verhandlungen an. Erste Priorität habe nun die Wiederöffnung der geschlossenen Banken. Denen sollte am Montag, wie erwartet wurde, das Geld ausgehen.
...In einer Fernsehansprache kündigte er am Abend neue Verhandlungen an. Erste Priorität habe nun die Wiederöffnung der geschlossenen Banken. Denen sollte am Montag, wie erwartet wurde, das Geld ausgehen. © dpa
...Griechenlands Finanzminister Yanis Varoufakis konnte sich ebenfalls bestätigt sehen. Bis zuletzt hatte er im scharfen Tonfall die Position der Geldgeber kritisiert:
...Griechenlands Finanzminister Yanis Varoufakis konnte sich ebenfalls bestätigt sehen. Bis zuletzt hatte er im scharfen Tonfall die Position der Geldgeber kritisiert: "Was man mit Griechenland macht, hat einen Namen: Terrorismus", sagte Varoufakis etwa noch kurz vor dem Referendum einer spanischen Tageszeitung. © dpa
...Die Überraschung folgte einen Tag später, also am Montag: Varoufakis gab seinen Rücktritt als Finanzminister bekannt...
...Die Überraschung folgte einen Tag später, also am Montag: Varoufakis gab seinen Rücktritt als Finanzminister bekannt... © Getty Images
...Ob der sein Nachfolger ebenfalls von der Motorradfraktions kommt, wird sich zeigen.
...Ob der sein Nachfolger ebenfalls von der Motorradfraktions kommt, wird sich zeigen. © dpa
Der Referendums-Abend in Griechenland stand natürlich unter großer medialer Beobachtung...
Der Referendums-Abend in Griechenland stand natürlich unter großer medialer Beobachtung... © dpa
Rückblidk: Hemd über der Hose? Das kann ja nur der griechische Finanzminister sein. Am Sonntag, hier im Abstimmungslokal, jedenfalls war er es noch...
Rückblidk: Hemd über der Hose? Das kann ja nur der griechische Finanzminister sein. Am Sonntag, hier im Abstimmungslokal, jedenfalls war er es noch... © imago/Xinhua
...Auch Ministerpräsident Alexis Tsipras nahm am Referendum teil...
...Auch Ministerpräsident Alexis Tsipras nahm am Referendum teil... © imago/ZUMA Press
...Inwieweit die Menschen in Griechenland tatsächlich vollkommen verstanden haben, wonach genau sie auf dem Stimmzettel abzustimmen haben? Im Vorfeld war der griechischen Regierung vorgeworfen worden, sie hätte die Frage manipulativ formuliert. Die Antwort-Vorgabe jedenfalls war klar:
...Inwieweit die Menschen in Griechenland tatsächlich vollkommen verstanden haben, wonach genau sie auf dem Stimmzettel abzustimmen haben? Im Vorfeld war der griechischen Regierung vorgeworfen worden, sie hätte die Frage manipulativ formuliert. Die Antwort-Vorgabe jedenfalls war klar: "Ochi" stand für "Nein", "Nai" - anders als man als Nicht-Grieche vielleicht meint, für "Ja"... © imago/ZUMA Press
...Antonios Samaras, Chef der oppositionellen konservativen Partei Nea Dimokratia, hatte für
...Antonios Samaras, Chef der oppositionellen konservativen Partei Nea Dimokratia, hatte für "Ja" geworben - und verkündete als Reaktion auf das Referendum am Montag seinen Rücktritt als Parteichef... © dpa
...Das Ergebnis des Referendums in Griechenland fand weltweit Beachtung, hier etwa die Titelseite einer thailändischen Wirtschaftszeitung an der Börse in Bangkok.
...Das Ergebnis des Referendums in Griechenland fand weltweit Beachtung, hier etwa die Titelseite einer thailändischen Wirtschaftszeitung an der Börse in Bangkok. © dpa
...Das griechische
...Das griechische "Oxi" brachte wichtige Auslandsbörsen nur wenig in die Bredouille: Der Eurozone-Leitindex EuroStoxx 50 fiel zuletzt um 2,04 Prozent. In Japan (Foto) schloss der Nikkei-Index mehr als 2 Prozent tiefer. Auch der Kurs des Euro gab nach, grenzte die Abschläge nach dem Varoufakis-Rücktritt aber ein, schreibt dazu die Nachrichtenagentur dpa. © dpa
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Die EU-Kommission ist laut Juncker auf alle Szenarien vorbereitet: "Wir haben ein "Grexit"-Szenario im Detail ausgearbeitet. Wir haben ein Szenario, was die humanitäre Hilfe angeht. Und wir haben ein Szenario - und das ist auch mein Lieblingsplan - mit dem wir dem Problem Herr werden könnten und Griechenland im Euro-Währungsgebiet bleibt." Juncker betonte, er sei gegen ein Ausscheiden Griechenlands aus dem Euro. Allerdings müsse Athen dafür Reformen zusagen und umsetzen. (dpa)