Brüssel. Die 28 EU-Staaten werden am Sonntag bei einem Sondergipfel über die Griechenland-Krise beraten. Das kündigte Bundeskanzlerin Angela Merkel am Dienstag nach Abschluss des Euro-Gipfels in Brüssel an.

Griechenlands Europartner erwarten nach dem Eurogipfel von der Regierung in Athen kurzfristig detaillierte Vorschläge für ein mehrjähriges Sanierungs- und Reformprogramm. Das ist das Ergebnis des EU-Sondergipfels am Dienstagabend in Brüssel. Im Gegenzug könnte Griechenland umfangreiche Mittel aus dem Nothilfetopf ESM bekommen. Ein weiterer Sondergipfel am Sonntag soll feststellen, ob die Vorbedingungen erfüllt sind und Verhandlungen über das Programm aufgenommen werden können.

Merkel: "Die Situation ist vergleichsweise Ernst"

Der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras habe bis Donnerstag genaue Vorschläge für Reformen versprochen, berichtete Bundeskanzlerin Angela Merkel am Abend. Ob sie den Anforderungen entsprächen, müsse sich zeigen. „Sie sehen mich nicht ausgesprochen optimistisch... Die Situation ist vergleichweise ernst“, sagte die Kanzlerin nach Ende des Sondergipfels der Euro-Länder - dem ersten nach dem griechischen Volksentscheid gegen die Hilfsangebote der Partnerländer und internationalen Geldgeber. Man habe Tsipras verdeutlicht, dass angesichts des Ausgangs des Referendums „der Spielraum für die 18 anderen Länder eher geringer geworden“ sei, erklärte Merkel. Die Anforderungen an die Griechen im Rahmen eines dritten Hilfsprogramms seien nicht geringer geworden.

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Die Kanzlerin erinnerte auch an die erheblichen politischen, rechtlichen und prozeduralen Hürden, die bis zum Abschluss eines ESM-Programms zu überwinden sind. Unter anderem muss der Bundestag seine Zustimmung geben. Die Griechen sollen sich vor allem zur Reform ihrer an vielen Punkten nicht funktionierenden staatlichen Strukturen verpflichten, um endlich eine nachhaltig leistungs- und konkurrenzfähige Wirtschaft aufzubauen. Wieviel Hilfe im Gegenzug aus dem mit 500 Milliarden Euro ausgestatteten Rettungsschirm Richtung Athen fließen könnte, ist vorerst offen.

Gipfel-Präsident Tusk: Zeit für Einigung läuft ab

Auch Gipfel-Präsident Donald Tusk warnte, die Zeit für eine Einigung laufe ab: „Sonntag muss Klarheit herrschen. Die letzte Frist endet diese Woche.“ Wenn der Einstieg in das neue Programm bis dahin nicht gelingt, droht den Griechen akut die Staatspleite und danach der Grexit, das Ausscheiden aus der Währungsunion. „Leider können wir das Schwarze Szenario nicht ausschließen“, meinte Tusk. Kommissionschef Jean-Claude Juncker versicherte, die Eurozone sei auf alle Eventualitäten vorbereitet. Außerdem stehen die Partner laut Merkel bereit, den Griechen humanitäre Hilfe zu leisten.

Noch kein Konzept aus Griechenland

Der Griechenland-Fahrplan

Für einen Kompromiss im Griechenland-Streit wird die Zeit knapp. EU-Gipfelchef Donald Tusk sagte nach dem Euro-Krisengipfel am späten Dienstagabend, es blieben nur noch fünf Tage Zeit. "Die endgültige Frist endet diese Woche." Die wichtigsten Termine:

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08. Juli:

In Straßburg sprechen Tusk und EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker vor dem EU-Parlament zum Thema Griechenland. Der griechische Regierungschef Alexis Tsipras wird ebenfalls erwartet. Und: Athen will einen Antrag auf neue Hilfen aus dem Eurorettungsschirm ESM stellen. Falls das Gesuch kommt, könnten die Euro-Finanzminister darüber in einer Telefonkonferenz umgehend beraten. Die griechischen Banken sind auch am Mittwoch weiter geschlossen.

Bis 09. Juli:

Die Europartner erwarten laut Bundeskanzlerin Angela Merkel, dass die griechische Regierung detaillierte Vorschläge macht, wie ein Hilfsprogramm des Euro-Rettungsschirms ESM aussehen könne.

10. Juli:

Griechische Staatspapiere mit kurzen Laufzeiten (T-Bills) in Höhe von 2 Milliarden Euro werden fällig und müssten durch neue abgelöst werden. Dieser Termin ist vor allem für das Urteil der Ratingagenturen wichtig.

12. Juli:

Die 28 EU-Staaten wollen bei einem Sondergipfel über die Griechenland-Krise beraten.

13. Juli:

Athen muss eine weitere Rate von knapp 500 Millionen Euro an den Internationalen Währungsfonds IWF zurückzahlen.

17. Juli:

Weitere T-Bills in Höhe von einer Milliarde Euro werden fällig.

20. Juli:

Athen muss insgesamt rund 3,5 Milliarden Euro an die Europäische Zentralbank (EZB) zurückzahlen. Sollte diese Zahlung ausfallen, dürfte die EZB laut Experten kaum in der Lage sein, weiter Ela-Kredite an griechische Banken zu ermöglichen.

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Am Nachmittag hatten zunächst die Eurofinanzminister mit ihrem neuen Kollegen aus Athen beraten. Doch entgegen der allgemeinen Erwartung hatte Euklid Tsakalotos, tags zuvor zum Nachfolger des glamourösen Yanis Varoufakis ernannt, noch kein schriftliches Konzept mitgebracht, wie die Regierung den Karren nun aus dem Dreck ziehen und eine Einigung mit den Geldgebern zustande bringen will. Tsakalotos war bislang Delegationschef in den Verhandlungen mit den Gläubiger-Institutionen EU-Kommission, Europäische Zentralbank und Internationaler Währungsfonds.

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Die Ausgangssituation ist verfahren. Einerseits sind Tsipras und Tsakalotos strahlende Sieger. Ihre Syriza-Partei hat beim Referendum am Sonntag breite Unterstützung bekommen, die Bedingungen der Euro-Partner für weitere Hilfen abzulehnen. Andererseits steht ihnen das Wasser bis zum Hals: Griechenland ist so gut wie pleite und rutscht immer schneller Richtung Ausgang der Währungsunion – was die große Mehrheit der Griechen auf keinen Fall will. Damit wird das finale Scheitern ein immer wahrscheinlicheres Szenario. Für Junckers Vize Valdis Dombrovskis ist der Grexit nicht mehr tabu: „Wenn das Vertrauen nicht wieder aufgebaut und ein glaubwürdiges Reform-Paket vorgelegt wird, kann man das nicht ausschließen.“

Athen fürchtet Flüchtlingsaufstand - Kein Essen mehr in Auffanglagern 

Die schwere Finanzkrise in Griechenland könnte zu Hungeraufständen in den zahlreichen Migrantenlagern vor allem auf den Inseln der Ostägäis führen. "Die Programme (zur Versorgung mit Essen) sind ausgelaufen. Es könnte zu Revolten kommen", warnte die griechische Vize-Ministerin für Migrationspolitik, Tasia Christofilopoulou, am Dienstag im griechischen Parlament.

Bereits am Vormittag hatten Regionalgouverneure von den Ägäisinseln vor einer gefährlichen Zuspitzung der Lage in den Migrantenlagern gewarnt. Die Catering-Unternehmen seien seit Monaten nicht bezahlt worden und hätten seit Dienstag die Austeilung von Essen eingestellt, hieß es. Die Ägäis ist eine der Routen, über die Schleuser Tausende Migranten nach Europa bringen. (mit dpa)