Brüssel. In Brüssel herrscht Zuversicht, die griechische Staatspleite in letzter Sekunde verhindern zu können. Doch auf Athens Premier kommen schwere Zeiten zu.
Eine Einigung im griechischen Schuldenstreit gibt es noch nicht – wohl aber auf beiden Seiten mehr guten Willen als in den quälenden Wochen zuvor. Ob es reicht, muss sich in den nächsten Tagen zeigen. Doch wie es scheint, führt der Weg eher zur letzten Ausfahrt vor dem gefürchteten „Grexit“ als zu diesem selbst.
Das liegt zum einen daran, dass Griechenlands Premier Alexis Tsipras nunmehr signalisiert, dass seine Strategie nicht auf den Crash zielt, sondern auf die Unfall-Vermeidung.
Die Vermutung vieler Kritiker scheint widerlegt, der Regierungschef wolle es darauf ankommen lassen, dass die Athener Staatskasse am Monatsende ihre Zahlungsverpflichtungen nicht mehr erfüllen kann, und arbeite lediglich daran, die Verantwortung den EU-Partnern und Kreditgebern zuzuschieben.
Es könnte reichen
Es bleibt im wesentlichen bei den Spielregeln, auf die auch Kanzlerin Angela Merkel stets gepocht hat: Erst müssen die Zahlen stimmen, dann kann es grünes Licht geben von der Politik – Tsipras hätte es lieber umgekehrt.
GriechenlandEinen Teilerfolg kann er immerhin verbuchen: Im chaotischen Sitzungsgedränge des Gipfeltages waren es nicht die Buchhalter auf Beamtenebene oder Wolfgang Schäubles misstrauische Runde der Finanzminister, denen die erste Bewertung der neuen Ideen zufiel. Vielmehr waren es die Gipfel-Oberen höchstselbst, die Merkels und Hollandes, die Tusks und Junckers, die den verhalten optimistischen Ton vorgaben: Es könnte reichen.
Inhaltlich liegt als Ausgangspunkt ein griechisches Angebot auf dem Tisch, das erstmals einigermaßen konkrete und realistische Reform-Maßnahmen in Aussicht stellt. Demnach kommt ein Spar-Volumen von rund acht Milliarden Euro zusammen, vor allem durch Kürzungen bei den Renten und höhere Mehrwertsteuern. Firmen-Gewinne über einer halben Million Euro und Privat-Einkünfte über 30 000 Euro sollen stärker abgeschöpft werden, der Wehretat soll um 200 Millionen schrumpfen.
Wichtigstes Zugeständnis an die Griechen: der verlangte Primärüberschuss des Haushalts, also ohne Schuldendienst, soll dieses Jahr ein Prozent der Wirtschaftsleistung betragen und bis 2018 auf 3,5 Prozent steigen – erheblich weniger, als ursprünglich verlangt. Damit verringert sich indes auch die Fähigkeit, Schulden zu bedienen.
Gegenwind aus der eigenen Partei
Gleichwohl dürfte Tsipras zuhause vor großen Schwierigkeiten stehen: Der sich abzeichnende Deal wäre für die harte Linke in seiner Syriza-Partei wohl so unverdaulich, dass sie dem Vorsitzenden die Gefolgschaft aufkündigen könnte.
Einen Vorgeschmack darauf konnte Tsipras am Dienstag in der griechischen Tagespresse nachlesen. Die konservative „Kathimerini“ meinte, Tsipras müsse jetzt seiner Partei erklären, warum er von seinen Wahlversprechen so sehr abweiche. Einen „Crash-Test für die Regierung“ erwartet das Blatt. „Sparabkommen – Schock“, titelt „Eleftheros Typos“. Jetzt müsse Tsipras seine Kehrtwende erklären. Und die linke „Efimerída ton Syntaktón“ schrieb auf ihrer Titelseite: „In die Richtung eines schmerzhaften Kompromisses.“