Brüssel. . Die EU-Minister und ihr griechischer Kollege Yanis Varoufakis reden permanent aneinander vorbei. Eine Krisen-Analyse.

Das Luxemburger Treffen der Euro-Finanzminister hat den Durchbruch in der Griechenland-Krise nicht geschafft, die Voraussetzungen waren nicht gegeben. Die Eurogruppe trifft Entscheidungen nicht spontan, sondern auf der Grundlage detaillierter Vorarbeiten der beteiligten Institutionen (Europäische Zentralbank, Internationaler Währungsfonds, EU-Kommission). Eine solche Beschluss-Vorlage gab es nicht. Die Vorstellungen der Geldgeber und der Regierung in Athen gehen zu weit auseinander.

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Zudem saß den anderen 18 Finanzministern in Gestalt von Yanis Varoufakis ein Kollege gegenüber, der aus Sicht der Partner die Schwerhörigkeit der Syriza-Regierung geradezu verkörpert. Premier Tsipras hat seinem Ressortchef für Geldangelegenheiten die Verhandlungsvollmacht entzogen. Zur Entschädigung wurde er mit einer Lizenz zum Nerven ausgestattet. Statt zu identifizieren, wie die Ziele des Reformprogramms mit anderen Mitteln erreicht werden könnten, trägt Varoufakis vor, warum der ganze Ansatz verfehlt und ein Schuldenschnitt nötig ist.

Varoufakis wird nicht mehr ernst genommen

Auch dafür gibt es beachtliche Argumente. Es ist nur im gegenwärtigen Stadium nicht Gegenstand der Verhandlungen, sondern fruchtlose Rechthaberei. So hat die Zusammenkunft vom Donnerstag das Klima weiter vergiftet. Die anderen quittierten den halbstündigen Vortrag des griechischen Ministers mit eisigem Schweigen. Man habe ihm „auf fast skurrile Weise“ demonstriert, dass er als Verhandlungspartner nicht mehr akzeptiert werde, hieß es. Dazu passte die böse Nachbemerkung der IWF-Chefin Lagarde, für einen Dialog brauche es „Erwachsene“.

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Das sind miese Voraussetzungen für einen Erfolg des für Montag anberaumten Euro-Sondergipfels. Zwar gilt nach wie vor die Fußball-Weisheit, wonach das Spiel erst vorbei ist, wenn es wirklich zuende ist. Und wirklich zuende geht das laufende Hilfsprogramm erst am 30. Juni. Bis dahin steht die noch nicht ausgezahlte Kredit-Tranche von 7,2 Milliarden Euro zur Verfügung, falls es eine Einigung über die damit verbundenen Auflagen gibt. Damit wäre es zwar nicht getan, weil ein Beschluss in vorgeschriebenen Schritten – darunter Votum im Bundestag – umgesetzt werden muss. Aber eine begrenzte Terminüberziehung wäre vermutlich mit Verfahrenstricks unschädlich zu machen.

Die Geduld ist erschöpft

Es fragt sich allerdings, woher Premier Tsipras den Optimismus nimmt, dass jetzt noch gelingt, was bisher nicht gelungen ist. Die Bereitschaft der Gutwilligen (Juncker) und der aus übergeordneten Gründen auf Verständigung Bedachten (Merkel) hat er weitgehend erschöpft. Die der anderen, auch sozialdemokratischer Ex-Sympathisanten, hat sich verflüchtigt. Mag sein, dass Merkel als Führungsfigur noch einen Chip im Ärmel hat. Doch mehr als ein kosmetisches Zugeständnis kann das kaum sein - die roten Linien der Kanzlerin sind keine Frage persönlicher Bereitschaft, sondern harter politischer und rechtlicher Zwänge. Dasselbe gilt für IWF und EZB.

Bleibt Furcht vor dem Crash als finsterer Konsensstifter. Der Panik-Run auf die griechischen Banken ist in vollem Gang, die Folgen eines Sturzes in die Staatspleite sind nicht mehr nur Spekulation, sondern bereits empfindlich spürbar. Ob das allerdings die in Reihen der Syriza gepflegte Illusion auflöst, man habe bei einem Pleite-Szenario weniger zu verlieren als durch das Abrücken von Wahlversprechen, scheint zweifelhaft.

Kein automatischer Ausstieg

Der Gipfel mag eine letzte Chance sein, den Unfall zu vermeiden. Vielleicht ist er indes schon die erste Gelegenheit zu überlegen, wie man mit den Folgen umgeht. Bislang ist ja nicht einmal klar, wer überhaupt in welcher Form feststellt, dass der Versuch, sich zu einigen, definitiv gescheitert ist. Die Euro-Gruppe? Ein Gipfel? Die Finanzmärkte? Und was hieße das?

Anders als viele vermuten, bedeutet Nicht-Einigung keineswegs automatisch „Grexit“, Abgang Griechenlands aus der Euro-Zone. Es bedeutet zunächst nur, dass Athen nicht in der Lage sein wird, die zum Monatsende fälligen 1,5 Milliarden Euro an den IWF zu überweisen. Dieser muss dann Zahlungsunfähigkeit seines Schuldners Hellas feststellen, was wiederum in einer Kettenreaktion finanztechnischer Wirkungen die Voraussetzungen für die Mitgliedschaft in der Währungsunion unterminiert.

Aber Rausschmiss ist im EU-Vertrag nicht vorgesehen. Grexit - wie soll das gehen? Kann man nach der Pleite auf dem Weg dorthin doch stoppen? Oder nur die Schäden minimieren? Es sind vor allem politische Fragen. Man wird dazu am kommenden Montag noch nichts hören. Aber Merkel und Co. werden – zum ersten Mal auf einem Gipfel - anfangen, darüber zu sprechen.