Berlin. . Die Bundesregierung setzt beim Thema Impfen auf Beratung und Freiwilligkeit. Mediziner glauben, dass dies die falschen Lehren aus den jüngsten Masernausbrüchen sind.
Kinderärzte werfen der Bundesregierung vor, die falschen Lehren aus den jüngsten Masernausbrüchen zu ziehen: Eine bundesweite Impfpflicht als Schutz vor Masernausbrüchen ist wieder vom Tisch – Union und SPD setzen stattdessen auf Beratung und neue Regeln für den Ernstfall. „Wir glauben nicht, dass damit ein neuer Masernausbruch verhindert werden kann“, sagte Wolfram Hartmann, Präsident des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte, dieser Redaktion.
Eltern von Kita-Kindern sollen Impfberatung nachweisen
Die Kinderärzte fordern eine Impfpflicht für Kinder, Jugendliche und alle Erwachsenen, die Kinder in Kitas, Schulen oder Sportvereinen betreuen oder im Gesundheitswesen arbeiten.
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Die Koalition hat sich dagegen darauf geeinigt, die Impfquote bei Kindern durch eine Beratungspflicht zu erhöhen: Eltern, die ihr Kind in die Kita geben wollen, sollen nachweisen, dass sie eine ärztliche Impfberatung bekommen haben.
Hartmann ist skeptisch: Die Regelung sei keine Garantie dafür, dass die Kinder tatsächlich ausreichend geimpft würden: Immerhin sei jeder zwölfte Kinderarzt eher impfskeptisch eingestellt – das betreffe vor allem Ärzte mit der Zusatzbezeichnung Homöopathie und Naturheilverfahren. Es sei riskant, wenn zweifelnde Eltern von einem Impfgegner beraten würden. NRW-Gesundheitsministerin Barbara Steffens (Grüne) findet die Beratungspflicht sogar komplett überflüssig: An der Lage in NRW werde sich dadurch „im Kern nichts ändern“, sagte Steffens der dieser Redaktion. Impfberatungen seien bereits Teil der Vorsorgeuntersuchungen für Kleinkinder – an denen nahezu alle Kinder teilnehmen.
Bundestag soll Donnerstag über neue Regeln entscheiden
Auf Kopfschütteln stößt bei den Kinderärzten die Regelung, nach der ungeimpfte Kinder im Fall eines Masernausbruchs zeitweise nicht mehr in die Kita oder die Schule gehen dürfen. Die Infektionskette sei auf diese Weise nicht sicher zu durchbrechen.
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Denn: Wer sich mit Masern infiziert hat, ist bereits mehrere Tage ansteckend, bevor bei ihm selbst die ersten Anzeichen der Krankheit wie Fieber und Ausschlag sichtbar sind. „Das ist Aktionismus“, so Hartmann. „Das hilft nicht, das Ziel zu erreichen: die Ausrottung der Masern.“
Um die Impflücken bei jungen Erwachsenen zu schließen, plant die Regierung, die Impfausweise verständlicher zu gestalten und das Impfen über Bonusprogramme der Kassen zu fördern. Der Bundestag soll am Donnerstag über die neuen Regeln entscheiden.