Essen. Die Bildungsminister wollen hochbegabte Schüler besser fördern. Dazu müssen auch die Lehrer geschult werden, um herausragende Talente besser zu erkennen.
Früh in die erste Klasse, Besuch von Kinderakademien, Schnupperkursen an der Uni und Spezialklassen – so sollen besonders begabte Schüler in Zukunft gefördert werden.
Bei der Sommersitzung der Kultursministerkonferenz (KMK) in Berlin beschlossen die Bildungsminister der Länder erstmalig eine „Förderstrategie für leistungsstarke Schüler und Schülerinnen.“ Zwar gebe es bereits vielfältige Angebote für starke Schüler, doch fehlen nach Ansicht der KMK in vielen Bundesländern noch spezielle Konzepte und Lernangebote an den Schulen.
Defizite bei der Talentförderung
Bislang habe der Schwerpunkt vor allem auf der Förderung von leistungsschwächeren Schülern gelegen, sagte KMK-Vorsitzende Brunhild Kurth (CDU), Bildungsministerin in Sachsen. Jetzt sei es an der Zeit, sich um die Talentierten zu kümmern. „Wir müssen uns fragen“, so Kurth, „wie wir die starken Schüler besser unterstützen können. Das gehört für mich ebenso zur Frage der Bildungs- und Chancengerechtigkeit.“
Auch interessant
Dass es trotz vieler bestehender Fördermaßnahmen für Hochbegabte noch Defizite bei der Begabtenförderung gebe, erkennt die KMK zum Beispiel an den Pisa-Studien. Während es demnach in Deutschland etwa in Mathematik gelungen ist, den Anteil der leistungsschwächeren Jugendlichen von 21,6 Prozent (2003) auf 17,7 Prozent (2012) zu reduzieren, stagniert die Gruppe der Besten seit Jahren bei etwa 17 Prozent. Mit der gemeinsamen Förderstrategie soll sich das ändern.
Die Besten für Wirtschaft und Wissenschaft
KMK-Präsidentin Kurth sieht darin nicht nur einen bildungspolitisch wichtigen Schritt, sondern sieht in der Strategie auch eine wirtschaftspolitische Notwendigkeit: „Wir brauchen die leistungsstarken Schülerinnen und Schüler nicht zuletzt für den Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort Deutschland.“ Darüber seien sich die Bildungsminister über die Parteigrenzen hinweg einig. Ein ideologischer Streit, wie früher beim Elite-Thema zu erwarten, blieb offenbar aus.
Konkrete Vorschläge sind zum Beispiel:
- Mehr Lernstoff für leistungsstarke Schüler
- Freiräume für selbstbestimmtes Lernen
- Teilnahme an Wettbewerben und Arbeitsgemeinschaften
- frühere Einschulungen
- Überspringen von Klassen
- Spezialklassen oder Spezialschulen für Hochbegabte
- Schülerwettbewerbe, Feriencamps und Auslandsaufenthalte
Die Länder wollen sich nach der grundsätzlichen Einigung über die besten Förderinstrumente verständigen und bereits etablierte Instrumente stärken.
NRW sieht sich bestätigt
Ein wichtiger Punkt ist die Fortbildung der Lehrer. Die KMK bezeichnet dies als „Stärkung der diagnostischen Kompetenz“. Denn es sind die Lehrkräfte, die einen Zappelphilipp oder Klassenclown als hochbegabten Schüler erkennen und fördern sollen. Hier bestehe Nachholbedarf, konstatiert die KMK. Jetzt wollen die Länder ihren Plan Bundesbildungsminiserin Johanna Wanka (CDU) vorstellen, um auszuloten, wo der Bund dabei finanziell helfen kann.
Auch interessant
Während der bundesweite Zusammenschluss der Studierendenvertreter (FZS) die Vorschläge der KMK strikt ablehnt – „sozial ist da gar nichts“ – reagierte der Deutsche Philologenverband begeistert: „Absolut richtig, notwendig und lange überfällig“, sagte der Bundesvorsitzende Heinz-Peter Meidinger. Derzeit sei Begabtenförderung „oft nur nach Kassenlage“ möglich.
Die Schwächeren im Blick behalten
Auch NRW-Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) äußerte sich positiv. Sie sehe darin eine „Bestätigung und Bestärkung“ der Bildungspolitik in NRW. „Das Stichwort lautet hier: individuelle Förderung. Wenn Lehrer das gut können, kommt dies allen Schülern, den Leistungsstarken und den Leistungsschwächeren, zugute.“
Ähnlich äußerte sich der Dortmunder Udo Beckmann, Vorsitzender des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE). Die Förderstrategie dürfe aber nicht zu Lasten der Schwächeren gehen, sagte er dieser Zeitung. „Wir müssen für schwächere und gute Schüler etwas tun, um alle Potenziale auszuschöpfen.“