Brüssel. Die Fronten verhärten sich: Russland erteilt Einreiseverbote für europäische Politiker; dafür sperrt Brüssel jetzt russische Diplomaten aus.
Wie Du mir, so ich Dir: Nach diesem Motto scheint derzeit ein Teil der Diplomatie zwischen dem Westen und Russland zu funktionieren. Auf die "schwarze Liste" Moskaus reagiert das EU-Parlament nun mit Hausverboten für russische Diplomaten.
Das Telefonat mit dem russischen EU-Botschafter war sehr kurz. "Es tut mir leid, aber mir bleibt keine andere Wahl" - so oder so ähnlich soll Parlamentspräsident Martin Schulz am Dienstag Wladimir Tschischow über gerade beschlossene Hausverbote gegen seine Mitarbeiter informiert haben. Nach der Veröffentlichung von Russlands "schwarzer Liste" mit Einreiseverboten für 89 europäische Politiker habe es keine andere Reaktionsmöglichkeit gegeben, lässt der deutsche SPD-Politiker später erklären. Seine Antwort - zu der auch ein Einfrieren der Arbeit im russisch-europäischen Kooperationsausschuss zählt - sei angemessen.
"Die Jagd auf russische Hexen ist eröffnet"
Was ist Provokation, was nur notwendige Reaktion? Im Streit zwischen dem Westen und Russland im Ukraine-Konflikt ist diese Frage seit Monaten ein großes Diskussionsthema. Auch jetzt gab es wieder schnell deftige Worte. "Die Jagd auf russische Hexen ist eröffnet", kommentierte Maria Sacharowa vom Außenministerium in Moskau in der Nacht zum Mittwoch. Die Hausverbote von Schulz seien eine "Rückkehr zur Inquisition".
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Der Kreml hatte bereits am Wochenende klargemacht, dass er seine Einreiseverbote lediglich als Antwort auf von der EU verhängte Reisebeschränkungen gegen Russen sehe. Die Übergabe der Liste mit den Namen erfolgte demnach auf Wunsch der EU hin. Russland habe mit der Übergabe keine politischen Ziele verfolgt, kommentierte Vizeaußenminister Alexej Meschkow. Die Liste sei ausgehändigt worden, um die betreffenden Personen zu informieren und ihnen "das Leben zu erleichtern".
Hausverbot mit Ausnahmen
Im EU-Parlament bemühte man sich am Mittwoch darum, die Bedeutung der Vergeltungsaktion zu relativieren. Ein Sprecher betonte, dass Botschafter Tschischow und ein Mitarbeiter von dem Hausverbot ausgenommen seien. Damit stelle man sicher, dass der wichtigste Gesprächskanal weiter offen bleibe, hieß es.
Auch persönliche Kontakte von EU-Abgeordneten zu russischen Parlamentariern sollen nicht unterbunden werden. Das Einfrieren der Zusammenarbeit beziehe sich lediglich auf die institutionelle Kooperation im russisch-europäischen Ausschuss.
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Wie viele russische EU-Diplomaten das von Schulz verhängte Hausverbot trifft, konnte die Parlamentsverwaltung am Mittwoch nicht genau beziffern. Einen uneingeschränkten Zugang zum Parlament hatten bislang nur drei Mitarbeiter der russischen Botschaft. Alle anderen bekamen für Besuche im Parlament Tagesausweise ausgestellt.
"Der Bundestagspräsident hat solche Maßnahmen nicht im Sinn."
Die von Russland mit einem Einreiseverbot belegte Grünen-Politikerin Rebecca Harms begrüßte die Entscheidung von Schulz. Sie habe in Berlin und Brüssel gehört, dass die russischen Botschaften mit ihren Mitarbeitern an der Erstellung der "schwarzen Liste" beteiligt gewesen seien, sagte die Fraktionsvorsitzende im Europaparlament. Sie halte es deswegen für konsequent, solchen Personen Restriktionen aufzuerlegen. Dabei verwies sie auch auf den Verdacht, dass viele russische Diplomaten eigentlich Spione seien.
Gleichzeitig warnte Harms davor, die Veröffentlichung der russischen Liste überzubewerten. "Was ich nicht richtig finde, ist, dass man diese Liste jetzt als große neue Eskalation ansieht", sagte die Deutsche.
Mit Spannung wird nun erwartet, ob auch nationale Parlamente russischen Diplomaten Hausverbote erteilen. Aus Berlin gab es auf diese Frage bereits am Mittwoch eine klare Antwort. Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU), der sich wegen des Moskauer Einreiseverbotes für den CDU-Abgeordneten Karl-Georg Wellmann an Pfingsten kritisch zum Kurs Russlands geäußert hatte, will dem Beispiel des EU-Parlamentes nicht folgen. Eine Sprecherin Lammerts sagte der Deutschen Presse-Agentur in Berlin: "Der Bundestagspräsident hat solche Maßnahmen nicht im Sinn." (dpa)