Berlin. . Viele ausländische Studenten hält es nicht in Deutschland, damit gehen sie dem Arbeitsmarkt verloren. Dabei sind sie gesuchte Fachkräfte.

Die deutschen Unis sind bei ausländischen Studenten beliebt, doch nur drei von zehn Studienanfängern bleiben am Ende in Deutschland: Fast die Hälfte der Studierenden aus dem Ausland bricht das Studium vorzeitig ab, und auch von den Absolventen bleibt nicht mal jeder Zweite im Land.

Experten schlagen deswegen jetzt Alarm: Deutschland müsse sich mehr um den internationalen Nachwuchs kümmern, forderte am Mittwoch der wirtschaftsnahe Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft bei der Vorstellung seines Hochschulbildungs-Reports.

Deutschland ist für viele ein Durchgangsland

Mehr als 300.000 ausländische Studenten gibt es aktuell in Deutschland – bei den Studienanfängern stammt mittlerweile jeder fünfte aus dem Ausland. Tendenz steigend: In zehn Jahren könnte es schon jeder Dritte sein. „Wir sind ein attraktives Bildungsland, aber ein Bildungstransitland“, sagt Volker Meyer-Guckel, Vize-Generalsekretär des Stifterverbands.

Die Folge: Deutschland investiert viel Geld in die Hochschulbildung der ausländischen Studenten, hat aber am Ende wenig davon. Dabei rechnen die deutschen Unternehmen fest mit den internationalen Studenten: In einer Umfrage im Auftrag des Stifterverbands erklärte jedes zweite Unternehmen, dass ausländische Studierende wichtig seien, um den Fachkräftebedarf in Zukunft auf Dauer zu decken.

Ausländer bereichern die Unternehmen

Für die Unternehmen haben ausländische Absolventen vor allem zwei Vorteile gegenüber deutschen: Die Fremdsprachenkenntnisse und die höhere Bereitschaft, im Ausland zu arbeiten. Außerdem gehen viele Betriebe davon aus, dass ausländische Absolventen sich gut mit ausländischen Märkten und Unternehmen auskennen und sich sicher zwischen verschiedenen Kulturen bewegen können.

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Um die hohe Zahl der Studienabbrecher zu senken, schlägt der Stifterverband Leistungstests für Studienplatzbewerber vor, wie es sie etwa in den angelsächsischen Ländern gibt. Nur so könnten die Hochschulen sicherstellen, dass die Studienanfänger den Anforderungen in fachlicher und sprachlicher Hinsicht gewachsen seien.

Zwar gibt es mit dem „TestAS“ des Deutschen Akademischen Austauschdienstes bereits einen Studierfähigkeitstest für ausländische Studierende, doch viele Hochschulen nutzten ihn nicht. Laut Report liegt die Abbrecherquote bei ausländischen Studenten deutlich höher als bei deutschen - die meisten Abbrecher sind Bachelor-Studenten.

Es fehlt häufig eine Willkommenskultur

Probleme gibt es aber auch im weiteren Verlauf des Studiums: Viele ausländische Studenten beklagen, dass sie kaum Kontakt zu deutschen Kommilitonen hätten, auch nicht zu möglichen Arbeitgebern. Besonders bei kleinen und mittleren Unternehmen gebe es noch immer Vorbehalte gegenüber ausländischen Absolventen.

Hinzu kommen Sprachprobleme, bürokratische Hindernisse, fehlende Informationen über Aufenthaltsbestimmungen und den hiesigen Arbeitsmarkt. Der Stifterverband fordert daher eine bessere Betreuung der ausländischen Studenten und den Ausbau regionaler Netzwerke zwischen Unis, Unternehmen und Wirtschaftsverbänden, um den Absolventen den Weg in den Job zu erleichtern.

10 000 zusätzliche Fachkräftebei gleichen Bildungskosten

Denkbar sei auch, ausländische Studenten von vornherein strategischer zu rekrutieren: Um den Fachkräftebedarf etwa bei Ingenieuren oder in den MINT-Fächern zu decken, könnten Unis für sie eigene Studienplatz-Kontingente bereitstellen und so eine besondere Förderung ermöglichen.

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Von Christopher Onkelbach und Laura Carvalho

Heute entscheidet sich jeder zweite Studierende aus dem Ausland erst während seines Studiums, ob er bleiben will. Sollte es gelingen, die Abbrecherquote auf das Niveau der deutschen Studienanfänger zu senken und die Quote der Absolventen dadurch zu erhöhen, könnten laut Stifterverband 10 000 zusätzliche Fachkräfte gewonnen werden.

Deutsche Studenten gehen selten ins Ausland

Während Deutschland international zu den fünf beliebtesten Studienzielen zählt, zögern viele deutsche Studenten beim Schritt ins Ausland. Obwohl jeder Zweite grundsätzlich Auslandserfahrungen machen will, planen seit Jahren immer nur rund 30 Prozent tatsächlich Auslandssemester ein. Die Zahl der Studierenden, die komplett an ausländischen Unis studieren, stagniert ebenfalls bei sechs Prozent.

Der Anteil der Auslandspraktika und der Sprachkurse im Ausland ist in den letzten Jahren sogar gesunken. „Das Thema Ausland wird unbeliebter“, sagt Jürgen Schröder, Direktor der Unternehmensberatung McKinsey, die den Report begleitet. Bemerkenswert: Immer mehr Studenten entscheiden sich bei Auslandssemestern für Unis in deutschsprachigen Ländern. Österreich, die Schweiz und die Benelux-Staaten werden immer beliebter. Dagegen sei im Prinzip nichts zu sagen, meint Schröder, „aber Fakt ist, dass deutsche Studierende dort wahrscheinlich nicht in dem Maße die Fähigkeiten erlernen, die global aufgestellte Unternehmen auf außereuropäischen Märkten benötigen.“

Stifterverband fordert eine „Auslandsgarantie“

Für die Studenten jedoch spielen andere Gründe eine Rolle: Geld und Zeit. 83 Prozent der Studierenden aus bildungsfernen Familien scheuen aus Kostengründen vor einem Auslandsaufenthalt zurück – bei den anderen sind es immerhin 54 Prozent. Zudem befürchten Studenten, dass sich durch Auslandssemester das Studium verlängert und sie die anschließend Anforderungen nicht mehr schaffen. Der Stifterverband schlägt daher eine staatlich geförderte „Auslandsgarantie“ vor. Dazu müsse vor allem das Auslands-Bafög reformiert werden.