Berlin. . Gregor Gysi, Gallionsfigur der Linken, sorgt für Spekulationen. Bald wird er 67 und seine Partei fragt sich, ob er weitermacht oder nicht.

Hört Gregor Gysi auf? Die Frage treibt die Linksfraktion im Bundestag um. Es heißt, dass er im Herbst nicht wieder für den Vorsitz kandidieren will. Gysi hat „ein bestimmtes Ritual im Kopf“. Im Fall des Falles würde er erst einen Parteitag informieren, dann die Medien. Ein Dementi klingt anders.

Bielefeld, 7. Juni, 13 Uhr, Showtime: Gysis Rede. Danach wird der Parteitag beendet. Wer ihm in diesen Tagen begegnet, erlebt einen Mann mit Anflügen von Nostalgie. Dann erinnert Gysi daran, wie mühsam die Anfangsjahre waren und wie groß die gesellschaftliche Akzeptanz inzwischen ist. Früher bereitete es schon Mühe, so Gysi, von den Gewerkschaften eingeladen zu werden. Jetzt redet er sogar vor Unternehmern. An der Entwicklung habe er einen gewissen Anteil, „ein bisschen stolz darauf“ sei er auch. Der Mann ist jetzt 67 Jahre alt und auf dem Höhepunkt der Popularität. Heute sei ein Bundestag ohne Linke kaum vorstellbar, „das war mal umgekehrt“. Für einen Absprung wäre es der optimale Zeitpunkt.

Gysis Nachfolge ist ungeklärt

Viele in der Partei sähen es ungern, wenn Gysi privatisieren würde. Die Nachfolge an der Fraktionsspitze ist ungeklärt. In Berlin, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt stehen 2016 Wahlen an. Schon wird ein Plan B erörtert. Dann würde Gysi zwar den Fraktionsvorsitz abgeben, aber in Bielefeld die Option auf eine Spitzenkandidatur bei der Bundestagswahl offenhalten. Die Partei braucht ihn. In Wahlkämpfen hat er die stärkste Zugkraft.

Womöglich sind die Gerüchte nur ein raffinierter Plan, um die Linke zu disziplinieren und den Fokus auf Gysis Auftritt zu lenken, auf die Ruckrede, die er sich für Bielefeld vorgenommen hat. Die wird vom Reifeprozess handeln, den seine Partei durchgemacht hat, von der Akzeptanz, die sich spätestens mit der Wahl von Bodo Ramelow zum Ministerpräsidenten in Thüringen einstellte. Sie hat symbolisch fast eine so hohe Bedeutung wie die erste rot-grüne Regierung in Hessen.

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Hier enden die Parallelen. Längst sind die Grünen regierungsfähig und -willig. Da ist die Linke anders. Die einen hätten die Sorge um die Identität der Partei; sie fürchten jede Anpassung. Die anderen sähen die Chance, was zu verändern, erzählt Gysi. „Das müssen wir lernen, wenn wir reif werden wollen.“ Selbstredend gehört er zur zweiten Gruppe.

"Man muss regieren wollen"

Gerade erst sagte er im Interview: „Man muss regieren wollen.“ Der Fraktionschef will, dass in der Bevölkerung der Wunsch nach einem Politikwechsel entsteht. Er will auch, dass die Leute ihr abnehmen, dass sie im Westen angekommen sei, „dass wir für Freiheit und Demokratie stehen, was ein bisschen schwer ist mit unserer Vergangenheit“. Es sind Signalsätze.

Gysi spekuliert auf ein Bündnis mit SPD und Grünen 2017 im Bund. Die Grundannahme ist, dass Sigmar Gabriel für die SPD antreten und nicht den Fehler seiner Vorgänger wiederholen wird, ohne Machtoption in den Wahlkampf zu ziehen. Er hat nur zwei realistische Möglichkeiten: Ein Bündnis mit FDP und Grünen oder Rot-Rot-Grün.