Essen. Über nichts reden die Deutschen so ungern wie übers eigene Gehalt. Günther Jauch versuchte es bei seinem TV-Talk in der ARD trotzdem - und scheiterte auf der ganzen Linie.
Deutschland - Streikland. Bei Bahn, Post, Lufthansa und in den Kitas lassen Beschäftigte in diesen Wochen die Arbeit ruhen, auch weil sie eine bessere Bezahlung fordern. Die Landesbeamten in NRW haben gerade erst eine bessere Besoldung eingeklagt. Lokführer und Briefträger, Polizisten und Richter, Erzieherinnen und Piloten finden, dass sie nicht angemessen bezahlt werden für ihre Arbeit. Und das in einem Land, das sich seit einigen Jahren im Dauer-Wirtschaftshoch zu befinden scheint - und in dem Topmanager immer noch Millionen-Boni einstreichen.
Mehr als die Hälfte der Bürger unzufrieden mit ihrem Einkommen
Ist es da ein Wunder, dass laut einer Umfrage weniger als die Hälfte der Bundesbürger mit ihrem Einkommen zufrieden sind? "Was ist unsere Arbeit wert?", fragte Günther Jauch seine sonntagabendliche TV-Talk-Runde in der ARD. Dazu müsste der oberste Gewerkschaftsboss der Republik doch eigentlich so einiges zu sagen haben. Hatte er auch. Aber Reiner Hoffmann, der es geschafft hat, trotz seiner Wahl zum DGB-Vorsitzenden vor einem Jahr für die breite Öffentlichkeit weitgehend ein Unbekannter zu bleiben, konnte die Vorlage bei Günther Jauchs TV-Talk nicht verwandeln. Hoffmann, der die klassische Gewerkschafterkarriere durchlaufen hat, zeigte, warum es Gewerkschaften hierzulande immer schwerer haben.
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Wo man sich eine klare Sprache wünschte, gab es Funktionärssprech aus dem DGB-Seminar: "Lohnspreizung", "Entgeldrahmenabkommen", "öffentliche Daseinsvorsorge". So ging das in einer Tour. Warum redet Hoffmann von "Sinnstiftung durch Arbeit", wenn man sagen könnte, dass die Arbeit Spaß machen und Befriedigung bringen soll? Und seine Klage, wonach immer weniger Betriebe tarifgebunden seien, hilft dem Mechatroniker im Publikum, der gern ein paar Euro mehr in der Lohntüte hätte, gerade nicht weiter.
Gysi holt sich bei TV-Talk nur leichten Beifall ab
Eine Art Arbeiterführer ist ja auch Gregor Gysi, zumindest sieht er sich wohl als solcher. Der Chef der Linkspartei im Bundestag glaubt, dass die "Einkommensunterschiede bei uns maßlos geworden sind" und holt sich damit im TV-Talk den leichten Beifall ab. Vor allem die sogenannten Frauenberufe seien "grottenschlecht" bezahlt. Da kann sogar Katja Suding von der FDP zustimmen, die den streikenden Kita-Erzieherinnen mit ihren Forderungen Recht gibt. Die Lösung hat Gysi bei "Günther Jauch" auch parat und ist sich damit mit dem DGB-Chef einig: "Wir brauchen mehr Steuergerechtigkeit."
Wie mag das auf eine Kita-Erzieherin gewirkt haben, die sich gerade auf einen längeren Arbeitskampf einstellt? Die in diesen Wochen womöglich zum ersten Mal in ihrem Leben streikt? Und dies nicht leichten Herzens oder aus Übermut, sondern weil ihre Arbeit in der Kita immer anspruchsvoller, fordernder und anstrengender wird? DGB-Chef Hoffmann würde von "Arbeitsverdichtung" sprechen.
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