Washington. . Tödliche Post aus dem Labor: Ein Jahr lang hat das US-Militär Proben mit aktiven statt abgetöteten Anthrax-Erreger verschickt – ohne es zu wissen.
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Seit Experten einen Terror-Anschlag mit Biowaffen für eine reale Gefahr halten, lässt das amerikanische Verteidigungsministerium intensiv mit Milzbrand-Erregern (Anthrax) experimentieren, um rechtzeitig Gegenmaßnahmen einleiten zu können. Dabei kam es jetzt zu einer merkwürdigen Panne, die Zweifel an der Professionalität der beteiligten Einrichtungen sät.
Monatelang wurden aktive Anthrax-Erreger verschickt
Wie das Pentagon am Mittwoch einräumte, sind von einer Militär-Einrichtung in Utah binnen eines Jahres irrtümlicherweise Anthrax-Proben mit noch aktiven, hoch ansteckenden Erregern zu Forschungszwecken an Labore in Texas, Maryland, Wisconsin, Delaware, New Jersey, Tennessee, New York, California und Virginia sowie an eine US-Militärbasis in Südkorea verschickt worden. Wie das passieren konnte, ist derzeit unklar.
Der Fall fiel auf, als ein Labor in Maryland sich Ende vergangener Woche meldete und angab, die eingeschickte Probe sei nicht wie vorgeschrieben mit abgetöteten Erregern bestückt gewesen. Das Pentagon ließ die Lieferungen umgehend einstellen und ordnete eine Untersuchung an. Auch das Seuchenbekämpfungszentrum CDC in Atlanta wurde alarmiert.
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Ministeriums-Sprecher Steven Warren erklärte, für die Öffentlichkeit habe zu keiner Zeit eine Gefahr bestanden. Dennoch wurden mindestens vier Laboranten, die mit den Milzbrand-Erregern in Kontakt gekommen sind, vorbeugend intensiv medizinisch behandelt. Ob rund 20 in Südkorea betroffene Militär-Angehörige ebenfalls vorübergehend isoliert werden, war gestern noch unklar. Bislang zeige niemand Symptome für eine Ansteckung, hieß es.
Weltweit rund 2000 Fälle von Hautmilzbrand im Jahr
Bei Milzbrand handelt es sich um eine bakterielle Infektionserkrankung, die in der Regel Tierbestände in Afrika, Asien und wenigen Teilen Europas befällt. Gefährdet sind vor allem Schafe oder Rinder. Dass Menschen betroffen sind, kommt in Industrieländern selten vor. Meist infizieren sich Menschen aus Risikogruppen wie Bauern oder Tiermediziner. Der Erreger breitet sich meist auf der Haut aus, kann aber auch Lunge oder Darm befallen. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gibt es weltweit cirka 2000 Fälle von Hautmilzbrand im Jahr. Die Infektion wird mit Antibiotika behandelt, ohne Therapie kann sie tödlich enden.
Versuche zum Einsatz von Milzbrand-Erregern als Bio-Waffe gab es bereits vor Jahrzehnten. Die schottische Insel Guida kann bis zum heutigen Tag nicht betreten werden, weil das britische Militär dort während des Zweiten Weltkrieges Anthrax-Experimente durchführte. In Japan versuchten Mitglieder der Aum-Sekte vor einigen Jahren, mit Anthrax einen Anschlag zu verüben. Sie verteilten den Erreger mit den Abgasen von Lastwagen in Tokio. Weil die Partikel zum Einatmen zu groß waren, entstand kein größerer Schaden.