Bochum/Essen.. Die Zahl der Übergewichtigen hat sich in NRW seit 2008 verdoppelt. Experten fordern deshalb eine Gesundheitserziehung und mehr Schulsport in Schulen.
Immer mehr Menschen in Nordrhein-Westfalen sind krankhaft fettleibig und müssen mit der Diagnose ,,Adipositas“ stationär behandelt werden. Wie das Statistische Landesamt Nordrhein-Westfalen mitteilt, hat sich die Zahl der erwachsenen Patienten seit 2008 (damals 1789 Fälle) bis zum Jahr 2013 auf 3596 Fälle verdoppelt. Doch häufig beginnen die Gewichtsprobleme bereits im Kindesalter.
Darauf weist Ernährungsmediziner Dr. Thomas Hulisz, Leiter des Adipositas-Zentrums der Bochumer Augusta-Kranken-Anstalt, hin. Schon heute gelte bundesweit jedes sechste Kind als fettleibig. Hulisz macht neben der ständigen Verfügbarkeit aller Lebensmittel und dem steigenden Konsum von nicht sättigenden, aber dick machenden Süßgetränken vor allem ,,mangelnde Bewegung“ für die deutliche Gewichtszunahme verantwortlich.
Experte fordert mehr Schulsport
Er fordert: "Für Kinder wären fünf bis sechs Stunden Schulsport in der Woche ideal." Doch in Nordrhein-Westfalen wird das Fach Sport an den Schulen lediglich mit drei Wochenstunden angeboten. Wie viele Stunden davon tatsächlich stattfinden bzw. ausfallen, wird nicht erfasst.
,,Auch Schulen sollten ihr Augenmerk auf die Gesundheitserziehung legen. Zwei Stunden im Jahr reichen nicht aus“, sagt Experte Hulisz. Wichtig sei die Aufklärung vor allem für Kinder aus bildungsfernen Schichten. Grund: ,,Der reiche Süden des Ruhrgebiets hat weniger Übergewicht als der arme Norden.“ Es reiche nicht aus, nur über die Risken von Tabak und Alkohol aufzuklären. „Schädliche Lebensmittel und Bewegungsmangel machen krank“, warnt der Experte.
Fettleibige Kinder leiden häufig an Diabetes
Die Folge: Fettleibige Kinder leiden an Diabetes, sie werden gehänselt, sind häufiger depressiv. ,,Im Idealfall sind natürlich die Eltern ein gutes Vorbild“, so der Ernährungsexperte. Doch bei 13 bis 15 Prozent der Kinder ist das offenbar nicht der Fall.
In Deutschland schaffen es auch die meisten Erwachsenen nicht, das Körpergewicht bis ins höhere Alter im Normalbereich zu halten: 67 Prozent der Männer und 53 Prozent der Frauen haben Übergewicht, wobei 23 Prozent der Männer und 24 Prozent der Frauen sogar adipös, also stark übergewichtig, sind. Diese Zahlen lieferte der 12. Ernährungsbericht der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE).
Patienten müssen mit Gewohnheiten brechen
Sehr stark übergewichtige Menschen wenden sich an den Ernährungsmediziner Thomas Hulicz. Er setzt in seiner Behandlung darauf, alte Gewohnheiten aufzubrechen. Zwei Jahre lässt er seinen Patienten Zeit, sich von Chips, Bier und Couch zu verabschieden. „Die Menschen müssen verstehen, das ihr Körper hauptsächlich aus Muskeln besteht und nur zu zehn Prozent aus Gehirn“, sagt er. Eine halbe Stunde Bewegung am Tag reichten aus, um gesund zu bleiben. „Meine Patienten sind schon nach 200 Metern Gehstrecke durchgeschwitzt.“
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Weil auch die Politik das Problem der übergewichtigen Gesellschaft erkannt hat, will die Vorsitzende der Sportministerkonferenz, NRW-Sportministerin Ute Schäfer, die „Trimm-Dich“-Bewegung neu beleben. Bewegungsmuffel sollen ermuntert werden, an Haltestellen beim Warten auf den Bus, in Parks oder auf Bolzplätzen an einfachen Geräten ohne großen Aufwand kleine Übungen ausführen zu können.
Einfache Angebote sollen Betroffenen helfen
Mit einfachen Reckstangen für Klimmzüge oder Steppern zum Gehen sollen Kinder und Senioren schnell und unkompliziert niederschwellige Bewegungsangebote erhalten. „Die Ministerin muss ihre Initiative noch mit den Ländern abstimmen“, begründete das Ministerium, warum das für Anfang 2015 angekündigte Projekt noch immer nicht gestartet ist.
Das Düsseldorfer Gesundheitsministerium hat zumindest schon bei den Kleinkindern reagiert. So bietet das Projekt „Anerkannter Bewegungskindergarten mit dem Pluspunkt Ernährung“ Kindergärten mit einem hohen Anteil an Kindern aus sozial benachteiligten Familien die Möglichkeit, tägliche, angeleitete und offene Bewegungsangebote zu machen und gesunde Ernährung zum Teil des Erlebensalltags werden zu lassen.