Düsseldorf. Nur mit viel Bewegung können Kinder wirklich lernen, sagt der Sportwissenschaftler Ingo Froböse. Doch die Kitas und die Schulen haben die Ressource Bewegung noch nicht erkannt.

„Dauersitzen macht die Kinder krank“, sagt Ingo Froböse, Leiter des Zentrums für Gesundheit durch Sport und Bewegung an der Kölner Sporthochschule. Wer zu viel sitzt, verbrenne zu wenig Kalorien. Bewegungsmangel führe zu Übergewicht, zu Krankheiten wie Diabetes oder zu hohem Blutdruck. Und zwar nicht erst im hohen Alter, sondern schon in der Jugend. „Lange haben wir über die hohe Lebenserwartung der heutigen Neugeborenen gesprochen. Aber jetzt taucht ein ganz anderer Trend auf: Kinder und Jugendliche erleiden heute schon Schlaganfälle“, so Froböse gestern in Düsseldorf bei der AOK.

Nicht nur Computer und Smartphones, also die üblichen Verdächtigen, seien Schuld am Bewegungsmangel: „Natürlich muss es nicht sein, dass schon bei Kleinkindern riesige Flachbildschirme im Kinderzimmer hängen“, so Froböse. Aber noch mehr macht ihm der von der Kita und der Schule geprägte Alltag Sorgen. Die Aufforderung, still zu sitzen, sei komplett falsch und sozusagen das Grundübel. Das Lernen müsse mit Aktivitäten verknüpft werden. „Wir wissen heute, dass Kinder Vokabeln viel besser behalten, wenn sie dabei körperlich aktiv sind.“

Wie das genau gehen soll, dazu müssten Konzepte her. Aber eines könne er jetzt schon sagen: „Diese durchbetonierten Schulhöfe regen nun wirklich nicht zum Herumtoben an. Auch die Tischtennisplatte oder der Basketballkorb reichen nicht.“ Grün soll der Schulhof sein, selbst wenn es dann wieder heißt: Rasenmähen sei teuer.

Vernetzung der Hirnzellen dringend auf Aktivität angewiesen

Auch diese Statistik bedrückt den Sportwissenschaftler: 93 Prozent der Kinder von sechs bis zwölf Jahren gucken täglich fern. Schlecht. Aber Hausaufgaben sind der zweithäufigste Grund für lange Sitzzeiten.

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Rennen, fangen, Fußballspielen – nur durch den Anreiz der Bewegung entwickele sich bei Kindern das Gehirn richtig. Die Vernetzung der Hirnzellen sei ganz dringend auf Aktivität angewiesen. Bewegung sei auch der Motor für einen flotten Stoffwechsel. Aber es reiche nicht, den ganzen Tag in der Schulbank zu hocken, um dann am Abend von der Mutter zum Ballett gefahren zu werden. „Es ist besser als nichts, aber wir sollten Bewegung nicht so sehr spezialisieren.“ Was auch ein Appell an die Eltern ist: Sie sollten ihre Kinder eben nicht bis direkt vor die Schule fahren.

Überhaupt seien Eltern auch in Sachen Bewegung die Vorbilder schlechthin. Wenn sie für jeden Schritt das Auto nehmen oder an freien Tagen nur im Sofa sitzen, sei ja klar, was ihr Nachwuchs mache.

Laut AOK-Familienstudie haben inzwischen 20 Prozent der Kinder gesundheitliche Beschwerden. Jedes vierte Kind gilt als übergewichtig. „Es sind alle gesellschaftlichen Kräfte gefordert, um Kindern einen guten Start und die beste Begleitung für ein gesundes Leben zu ermöglichen“, sagte Rolf Buchwitz von der AOK Rheinland/Hamburg.

„Starke-Kids-Netzwerk“ der AOK

Mit ihrem „Starke-Kids-Netzwerk“ unterstützt die AOK in NRW bereits 2000 Initiativen, „womit wir 50 000 Kinder erreichen“. Auch in diesem Jahr hat die Krankenkasse wieder den „Starke-Kids-Förderpreis“ ausgeschrieben. Bis 31. März können sich Kitas, Schulen, Freizeiteinrichtungen, Kliniken, Ärzte, Eltern oder Vereine bewerben. Die ausgezeichneten Projekte erhalten bis zu 3000 Euro. (www.aok.de/rh/kids).