Berlin/Düsseldorf. . Parteichef Lucke will eine Entscheidung im Machtkampf erzwingen. Sein Brandbrief zielt auf die Rechtskonservativen. Luckes Gegner sitzen auch in NRW.

Die Alternative für Deutschland (AfD) steckt in einer schweren Krise. Wie tief die Gräben zwischen dem nationalkonservativen und dem wirtschaftsliberalen Flügel inzwischen sind, wurde am Wochenende beim Landesparteitag der AfD in Siegen sichtbar: Die drei Stellvertreter des AfD-Landeschefs Marcus Pretzell traten zurück. Zuvor hatten sie monatelang vergeblich versucht, Pretzell aus seinem Amt zu drängen.

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Der Siegener Parteitag wurde von Beobachtern als „chaotisch“ beschrieben. Die Wahl von Delegierten für den Bundesparteitag am 18. Mai gelang nur mit Mühe, ihre Namen wurden „aus Datenschutzgründen“ nicht veröffentlicht. Offenbar haben sich im größten AfD-Landesverband die Befürworter eines nationalkonservativen Kurses durchgesetzt -- ein Alarmsignal für den AfD-Chef und Pretzell-Gegner Bernd Lucke.

Sogar eine Spaltung der AfD scheint möglich

Zwei Jahre nach ihrer Gründung steuert die AfD auf einen dramatischen Machtkampf zwischen liberalen und rechtskonservativen Kräften zu – sogar eine Spaltung der Partei ist nicht mehr ausgeschlossen. Die Zuspitzung treibt jetzt der dem liberalen Flügel zugerechnete Bundesvorsitzende Bernd Lucke persönlich an: Er machte am Montag in einem Brandbrief an die Mitglieder deutlich, dass er einen Bruch zwischen radikalen und bürgerlichen Kräften in der Partei für unvermeidlich hält.

„Ich glaube nicht, dass Appelle zur Geschlossenheit hier weiterhelfen“, schrieb Lucke in einer E-Mail, die er an alle Mitglieder verschickte. „Die Grundvorstellungen dieser beiden Gruppen sind unvereinbar.“

Die ultimative Entscheidung steht an

Lucke verschickt seinen Alarmbrief nur fünf Wochen vor einem Bundesparteitag am zweiten Juni-Wochenende in Kassel, der ohnehin vom Richtungsstreit geprägt sein wird. Lucke will dort wieder als Parteivorsitzender kandidieren, die Führung soll verkleinert werden. In Parteikreisen wird berichtet, Lucke wolle bei diesem Konvent die ultimative Entscheidung herbeiführen: Entweder werde eine von ihm vorgelegte Liste von Vorstandsmitgliedern komplett abgesegnet, oder er werde aus der AfD austreten und eine neue Partei ins Leben rufen.

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Lucke will sich zu derartigen Spekulationen, die zuerst vom Co-Vorsitzenden Konrad Adam lanciert wurden, bisher nicht konkret äußern. In dem Schreiben an die Mitglieder versichert er, es sei daran nur wahr, dass er sich große Sorgen um die AfD mache.

Lucke sucht den Machtkampf mit den Rechtskonservativen

Erwartet wird nun, dass Lucke am kommenden Montag in Berlin seine Forderungen präsentiert. Sein Schritt gilt als Kampfansage vor allem an seine Kritiker um Parteivize Frauke Petry aus Sachsen, den Brandenburger AfD-Chef Alexander Gauland , den Thüringer Fraktionschef Björn Höcke und NRW-Landeschef Marcus Pretzell. Sie setzen darauf, der AfD mit einem rechtskonservativen Kurs neue Wählerschichten zu erschließen – während Lucke vor allem bürgerlich-liberale Kräfte im Blick hat.

Die Auseinandersetzungen hatten sich in den letzten Wochen verschärft, zum Teil kam es zu bizarren Streitereien zwischen Teilen der Bundespartei und Landesverbänden. Zuletzt hatten mehrere Führungsmitglieder, darunter der frühere Industriepräsident Hans-Olaf Henkel, aus Protest gegen einen Rechtsruck ihre Ämter niedergelegt. Auch Lucke beklagt nun in alarmierendem Ton antikapitalistische, deutschnationale, antiislamische und zuwanderungsfeindliche Kräfte, die dem Ansehen der Partei stark schadeten.