London. . Unerwartet errangen die Konservative Partei die Mehrheit der Unterhaussitze. Ihr liberaldemokratischer Koalitionspartner ging ebenso unter wie Labour.

Mit einem breiten Lächeln auf den Lippen kehrte Premierminister David Cameron am Morgen nach der Wahlnacht in die Downing Street zurück. Dem Chef der Konservativen war gelungen, was keiner vorausgesehen oder erwartet hatte: Cameron hat seiner Partei eine absolute Mehrheit im Unterhaus errungen. Nachdem er von der Queen den Auftrag zur Regierungsbildung erhalten hatte, erklärte Cameron am Freitagmittag vor der Tür zur Downing Street Number 10: „Wir haben in den letzten Jahren die Fundamente für eine bessere Zukunft gelegt. Lasst uns nun darauf bauen.“

Zu den wichtigsten Punkten der zweiten und nach seinen Worten auch letzten Amtszeit von Cameron gehört neben einer rigiden Sparpolitik für einen ausgeglichenen Haushalt bis 2020 die Einlösung seines Versprechens einer Volksabstimmung über den Verbleib Großbritanniens in der Europäischen Union. Bis 2017 soll das Referendum stattfinden.

Wahlnacht des Grauens für Labour

Während die Konservativen ihr Glück kaum fassen konnten, erlebte Labour eine Wahlnacht des Grauens. Zuvor hatten noch eine Meinungsumfrage nach der anderen ein Kopf-an-Kopf-Rennen prophezeit. Im Labour-Hauptquartier überzeugt, eine gute Chance auf die Regierungsbildung zu haben.

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Aber dann kam kurz nach 22 Uhr der Paukenschlag. BBC-Moderator David Dimbleby öffnete den Umschlag, der die für Labour niederschmetternden Ergebnisse einer repräsentativen Wählerbefragung nach erfolgter Stimmabgabe enthielt. Wahlkreis um Wahlkreis ging an die Konservativen, zum Schluss hatte Labour gerade 232 statt der erhofften 280 Sitze errungen. Parteichef Ed Miliband zog am Freitag die Konsequenzen aus der Niederlage und trat zurück.

„Der schottische Löwe hat gebrüllt!“

Freude dagegen in Schottland. „Der schottische Löwe hat gebrüllt!“, rief Alex Salmond, der Ex-Chef der „Scottish National Party“, der demnächst die SNP-Fraktion im Unterhaus anführen wird. Bei der Volksabstimmung für die Unabhängigkeit Schottlands noch gescheitert, gelang ihr ein Erdrutschsieg. Von 59 Mandaten im hohen Norden wurden 56 gewonnen.

Labour, vormals Platzhirsch in Schottland, wurde weggefegt. Praktisch aus dem Stand gelang der SNP der Sprung zur drittstärksten Kraft im Unterhaus. Salmond will auf ein Ende der drakonischen Sparpolitik dringen und den Boden für ein erneutes Unabhängigkeitsreferendum bereiten.

Chef der Liberalen tritt zurück

So dramatisch wie die Lage von Labour in Schottland war der Zusammenbruch der Liberaldemokraten im ganzen Land. Der bisherige Partner der Konservativen musste für die Koalition, die man vor fünf Jahren einging, bitter bezahlen: Die „LibDems“ büßten über 15 Prozent der Stimmen ein, die sie 2010 geholt hatten. Aufgrund des britischen Mehrheitswahlrechtes verloren sie 48 von 56 Mandaten. Nick Clegg trat sofort vom Parteivorsitz zurück.

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Auch Nigel Farage, Chef der rechtspopulistischen Ukip-Partei, legte seinen Vorsitz nieder, weil er in seinem Wahlkreis keine Mehrheit fand. Dabei schnitt seine Partei nach Wählerstimmen hervorragend ab: Landesweit konnte man über 12 Prozent erzielen und jagte nicht nur den Konservativen, sondern auch Labour in den Arbeiter-Hochburgen des Nordens Stimmen ab. Doch aufgrund des Mehrheitswahlrechts sprang dabei nur ein Unterhausmandat für Ukip heraus, während SNP knapp fünf Prozent für 56 Sitze reichte.

Meinungsforscher lagen kräftig daneben

Meinungsforscher zerbrachen sich den Kopf, warum sie mit ihren Voraussagen so daneben gelegen haben. Es gibt zwei mögliche Erklärungen dafür. Zum einen das Phänomen der „scheuen Torys“. Das sind jene Wähler, die bei Umfragen nicht zugeben mögen, dass sie konservativ stimmen wollen.

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Der andere Grund ist ein Umschwung am Wahltag selbst. Caroline Lucas, einzige grüne Abgeordnete, brachte es auf den Punkt: „Die Politik der Furcht hat über die Politik der Hoffnung gesiegt.“ Wähler in England seien so verschreckt gewesen über eine mögliche Labour-Regierung, die mit den schottischen Nationalisten gemeinsame Sache macht, dass man sich in letzter Minute für die konservative Option entschieden habe.