London/Edinburgh. Die Nationalpartei hat in Schottland ein sensationelles Ergebnis eingefahren. Das ist auch Parteichefin Nicola Sturgeon zu verdanken, die im Wahlkampf glänzte. Auch, wenn sie erst mal abwinkt: Schottlands Unabhängigkeit könnte wieder Thema werden.
Als Schottlands Nationalbewegung das Unabhängigkeits-Referendum knapp verlor und Alex Salmond als Vorsitzender der Nationalpartei zurücktrat, gab es nur eine logische Nachfolgerin. Nicola Sturgeon, bis dahin außerhalb Schottlands kaum bekannt, hat fast ihr ganzes Leben in den Dienst der sozialdemokratischen SNP gestellt. Die Chefin der Regionalregierung in Edinburgh machte im britischen Wahlkampf mit die meisten Schlagzeilen - obwohl sie gar nicht zur Wahl stand.
Auch interessant
Sturgeon wuchs in eher einfachen Verhältnissen im Südwesten Schottlands auf. Schon mit 16 trat die heute 44-Jährige der SNP bei. Der Kampf für nukleare Abrüstung hatte sie politisiert. Britische Atomwaffen abzuschaffen oder wenigstens aus Schottland zu verbannen, ist eines ihrer großen Themen - neben Sozialpolitik und, natürlich, Schottlands Unabhängigkeit.
"Darum ging es bei dieser Parlamentswahl nicht", stellte sie am Morgen danach klar. Doch ganz vom Tisch ist das Thema nicht - insbesondere, falls die Briten nach einem Volksentscheid die EU verlassen sollten. Dass die Nationalpartei 56 von 59 schottischen Wahlkreisen gewonnen hat, dürfte Rest-Großbritannien noch zu schaffen machen. Kommentatoren sprachen von einem "politischen Tsunami".
"Königin der Schotten"
Lange stand Sturgeon, die seit 1999 im schottischen Regionalparlament sitzt, als Nummer zwei hinter dem charismatischen Salmond. Ganz heraustreten konnte sie aus seinem Schatten bislang nicht, auch wenn die Presse sie in den vergangenen Wochen recht einhellig zur "Königin der Schotten" kürte - und sie wahlweise als politische Lichtgestalt vergötterte oder als "gefährlichste Frau Großbritanniens" verdammte.
Auch interessant
Die verheiratete, kinderlose Politikerin übernahm nach dem Referendum ein durch und durch politisiertes Land und führte den Triumphzug der SNP nahtlos weiter. Der hatte mit einem Sieg bei den Regionalwahlen 2007 begonnen und durch das verlorene Referendum kaum einen Knick bekommen: Die Mitgliederzahlen der Partei schnellten danach in die Höhe, die Hälfte der bisher auf nationaler traditionell Labour wählenden Schotten entschied sich diesmal für die Nationalpartei.
Das ist auch Sturgeon zu verdanken, die, wenn es möglich gewesen wäre, auch viele englische Sozialdemokraten gern unterstützt hätten. Die in ihren Blazern optisch an Angela Merkel erinnernde studierte Juristin glänzte in Debatten als gewitzte, angriffslustige, aber nie zu aggressive Rednerin.
Was sie und ihre Partei in Schottland so konsensfähig macht, ist die bei radikalen Zielen stets versöhnliche Rhetorik. In einem ihrer ersten Tweets wandte sie sich an alle Schotten, die nicht SNP gewählt hatten: "Wir wollen auch euch möglichst gerecht werden und euer Vertrauen gewinnen." Das ist typisch für die Linie der SNP und damit auch von Nicola Sturgeon. (dpa)