Wiesbaden/Oberursel. Viel deutet auf islamistischen Terror hin: In einer Wohnung in Hessen fand die Polizei eine Bombe. Offenbar hatten Salafisten ein Radrennen im Visier.
In Hessen haben die Behörden nach eigener Einschätzung einen islamistischen Anschlag vereitelt. Einen Tag vor einem großen Radrennen rund um Frankfurt (ehemals "Rund um den Henninger Turm") nahm die Polizei in Oberursel ein Ehepaar fest, in dessen Keller eine funktionsfähige Rohrbombe, Waffenteile und Munition gefunden wurden. "Nach alldem, was wir wissen zum jetzigen Zeitpunkt, haben wir ein Anschlagsgeschehen verhindert", sagte der Polizeipräsident für Westhessen, Stefan Müller, am Donnerstag in Wiesbaden.
Dennoch wurde das Radrennen abgesagt. Hinweise auf eine eventuelle Gefährdung der Bevölkerung hätten diesen drastischen Schritt notwendig gemacht, erklärte das hessische Landeskriminalamt (LKA) am Donnerstagabend in Wiesbaden. Zwar sei ein geplantes mögliches Anschlagsziel derzeit nicht bekannt. "Allerdings gab es deutliche Überschneidungen von Streckenverlauf des Radrennens und Bewegungsprofil der festgenommen Personen", hieß es in der Mitteilung. Aufgrund der Tatsache, dass zum akutellen Zeitpunkt noch zu viele Fragen offen seien, gehe die Sicherheit unbedingt vor.
Mann schlich über Parkplatz und Wald entlang der Rennstrecke
Der Mann, ein 35-jähriger Deutschtürke, sei in den vergangenen Tagen auf Parkplätzen und im Wald entlang der Radrennstrecke von Oberursel auf den Feldberg beobachtet worden. Deshalb habe sich die Polizei in der Nacht zum Donnerstag zum Zugriff entschlossen, sagte der Leiter der Frankfurter Staatsanwaltschaft, Albrecht Schreiber. Mehrere Hundert Polizisten durchkämmten am Donnerstag den Wald an der Strecke, fanden aber bis zum Nachmittag nichts.
"Der Beschuldigte unterhielt Verbindungen zur Extremisten-Szene im Rhein-Main-Gebiet", sagte Schreiber. Im hessischen Landtag sprach Innenminister Peter Beuth (CDU) von einem salafistischen Hintergrund des Paares. "Die Verdachtsmomente bestehen auch gegen die Frau", sagte Polizeipräsident Müller über die 34-jährige Türkin. Das Paar habe Ende März in einem Frankfurter Baumarkt eine größere Menge Wasserstoffperoxid gekauft. "Der Einkauf erfolgte unter Angabe falscher Personalien." Eine Mitarbeiterin des Baumarkts habe die Polizei informiert. Der Kauf der Chemikalie in einer bestimmten Menge ist meldepflichtig.
Nachts ab 4 Uhr sei die Wohnung des Ehepaares durchsucht worden. "Es war bekannt, dass zwei Kleinkinder in der Wohnung sind. Denen ist bei dem Zugriff nichts passiert", sagte Müller. In dem Keller fanden sich nach Angaben Schreibers neben der Rohrbombe 100 Schuss scharfer Munition, Teile eines Sturmgewehrs G3 und eine Übungsgranate für eine Panzerfaust. Neben drei Litern Wasserstoffperoxid fand sich auch Aceton. In Mischung mit Salzsäure entstehe daraus hochexplosiver Sprengstoff, sagte Schreiber.
35-Jähriger hatte Verbindung zur islamistischen Sauerland-Gruppe
Nach Angaben der Staatsanwaltschaft in Frankfurt hatte der 35-Jährige vor Jahren Verbindung zur islamistischen Sauerland-Gruppe gehabt. Müller wollte sich mit Blick auf die laufenden Ermittlungen nicht dazu äußern. Vier Mitglieder der Sauerland-Gruppe waren 2012 wegen der Planung von Terroranschlägen verurteilt worden.
Im Rhein-Main-Gebiet gibt es eine sehr aktive salafistische Szene. Am Frankfurter Flughafen ereignete sich 2011 der bislang einzige islamistische Terroranschlag in Deutschland. Dabei ermordete ein 22-jähriger Islamist mit Wurzeln im Kosovo zwei US-Soldaten und verwundete zwei Soldaten lebensgefährlich.
Ob das internationale Radrennen in Frankfurt an diesem Freitag wie geplant stattfindet, war am späten Nachmittag noch unklar. Die Veranstalter verwiesen auf das Landeskriminalamt, das die Einschätzung treffe.
Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) lobte den Polizeieinsatz. "Die heutige Festnahme in Hessen ist Beleg für die effektive Arbeit der Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern", sagte de Maizière in Berlin. Das Vorgehen zeige: "Wir sind wachsam und wir sind wehrhaft." Es gebe auch eine gute Zusammenarbeit von Bund und Ländern im Gemeinsamen Terrorismus-Abwehrzentrum, in dem alle relevanten Informationen der Sicherheitsbehörden zusammengeführt und bewertet würden. Der Chef der Innenministerkonferenz der Länder, Roger Lewentz (SPD), sandte eine Gratulation nach Hessen, dass es "gelungen ist, einen Terroranschlag zu verhindern". (dpa)