Düsseldorf/Essen. Die Urabstimmung ist angelaufen. Möglicherweise gibt es schon kommende Woche unbefristete Streiks. Höhere Eingruppierung für Erzieher gefordert.
Hunderte Kindertagesstätten in Nordrhein-Westfalen werden möglicherweise schon in der kommenden Woche bestreikt. Die Gewerkschaft Verdi hat mit Urabstimmungen für einen unbefristeten Streik von Erziehern und Sozialarbeitern begonnen. Verdi geht davon aus, dass bis zum kommenden Dienstag die notwendige Dreiviertelmehrheit deutlich überschritten wird. „Danach kann es schnell gehen“, sagte Verdi-Sprecher Günter Isemeyer.
Eltern, deren Kinder städtische Kitas besuchen, müssten sich dann nach alternativen Betreuungsmöglichkeiten umsehen. Der Streik würde auch Jugendfreizeitstätten und die Nachmittagsbetreuung an vielen Ganztagsschulen treffen. Allein in Dortmund könnten 102 Kitas bestreikt werden, in Duisburg sind es 79, in Gelsenkirchen 66.
Zuletzt gab es 450 Notplätze für 6500 Kinder
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Hinter den Kulissen verhandeln die Revierstädte am Mittwoch schon mit Verdi sowie mit kirchlichen und freien Trägern von Kindertageseinrichtungen, um zumindest eine Notbetreuung anbieten zu können. Viele Plätze können so aber nicht geschaffen werden. Beim jüngsten Warnstreik der Erzieherinnen in Duisburg gab es nur eine Notbetreuung für 450 von rund 6500 Kinder in städtischen Kitas. Dortmund hat es sich zum Ziel gesetzt, in jedem Stadtbezirk wenigstens eine „Bedarfs-Kita“ zu öffnen, wie Stadtsprecher Michael Meinders mitteilte. Ob das gelingt, ist ungewiss. In Dortmund blieben am 15. April beim Warnstreik 96 von 102 städtischen Kitas geschlossen. Im benachbarten Bochum sind hingegen nur 17 von 170 Kitas in städtischer Trägerschaft.
Am Montagabend hatte Verdi die Tarifverhandlungen für die bundesweit 240 000 Erzieher und Sozialarbeiter für gescheitert erklärt. Verdi sowie die Gewerkschaften GEW und dbb fordern eine höhere Eingruppierung der Beschäftigten. Das würde zu Einkommensverbesserungen von zehn Prozent führen. Die kommunalen Arbeitgeber halten das für nicht bezahlbar. Eine Erzieherin beginnt heute mit einem Gehalt von rund 2300 Euro brutto.
Der Hauptgeschäftsführer der Kommunalen Arbeitgeber (VKU), Manfred Hoffmann, sieht die Gewerkschaften in der Pflicht, gerade in einem so sensiblen Bereich wie den Kindertagesstätten besonders verantwortungsvoll vorzugehen und zuerst den Verhandlungsweg auszuschöpfen, „bevor sie Kinder und Eltern mit einem Arbeitskampf belasten“.
Wohin mit den Kleinen, wenn die Kita streikt?
Während das Kita-Personal um sein Gehalt kämpft, sind Mütter und Väter in der Bredouille. Eltern können die Beiträge aber erstattet bekommen und je nach Arbeitgeber das Kind mit zur Arbeit nehmen
Ein Recht auf eine Notbetreuung haben Eltern laut einem Sprecher der Stadt Dortmund nicht. Doch wohin mit den Sprösslingen? Generell gilt, wenn „ein Elternteil nicht berufstätig ist, muss dieses die Betreuung übernehmen“, so der Düsseldorfer Arbeitsrechtler Julian Bauer. Doch oftmals sind Vater und Mutter erwerbstätig. Wichtig sei in jedem Fall, den Arbeitgeber stets frühzeitig zu informieren.
Kann der Arbeitgeber die Eltern von der Arbeit freistellen?
„Der Arbeitgeber kann die Eltern natürlich freistellen“, so Bauer. Doch das Gesetz grenze ein, in welchen Fällen er dies auch tun muss. Man sollte in jedem Fall nachweisen können, sich ernsthaft um eine Alternative bemüht zu haben. Da Eltern eine Aufsichtspflicht gegenüber dem Kind hätten, würden sich allerdings die wenigsten Arbeitgeber querstellen, wenn man alleinerziehend sei und sich erfolglos um eine alternative Betreuung bemüht hätte. „Letztlich ist die Kommunikation mit dem Arbeitgeber wichtig.“
Muss der Arbeitgeber bei einer Freistellung das Gehalt weiterzahlen?
Bezüglich einer Weiterzahlung des Lohns sei der Ausgangspunkt der arbeitsrechtliche Grundsatz „ohne Arbeit keinen Lohn“. Davon gibt es laut Bauer allerdings eine Reihe von Ausnahmen, die im § 616 des BGB geregelt sind. Eltern hätten danach einen Anspruch auf bezahlte Freistellung, wenn sie „unverschuldet“ und für eine „verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit“ an der Erbringung der Arbeitsleistung gehindert sind.
Allerdings sei dies laut Michael Feiter vom Kommunalen Arbeitgeberverband NRW und Bauer nur die gesetzliche Vorgabe, die durch den Tarif- oder Arbeitsvertrag eingeschränkt werden könne. In solchen Fällen würde der § 616 BGB nicht mehr greifen. „Von daher lohnt sich ein Blick in die jeweiligen Verträge“, gibt Bauer den Hinweis.
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Das Recht der Eltern auf eine Weiterzahlung des Gehaltes hängt auch davon ab, wie weit der Streik im Voraus angekündigt wurde. „Wenn die Kindertagesstätte wegen des Streiks überraschend schließt, absehbar ist, dass der Streik nur ein bis zwei Tage dauert und eine alternative Betreuung nicht machbar ist, darf der Arbeitnehmer zu hause bleiben und er verliert seinen Gehaltsanspruch nicht“, erklärt die Kölner Arbeitsrechtlerin Nathalie Oberthür.
Würde der Streik allerdings, wie im jetzigen Fall, eine Woche im Voraus angekündigt, sähen die Rechte der Eltern ganz anders aus. „Die Eltern müssen selber planen und wenn sie trotz aller Bemühungen keine Ersatzbetreuung finden und zu hause bleiben, geht der Gehaltsanspruch verloren“, so Oberthür.
Als Alternative nennt Feiter außerdem die Möglichkeit Urlaub zu nehmen. „Sich krank zu melden, sehe ich als ein ungeeignetes Instrument, um die Betreuung sicherzustellen“, so Feiter. Der Arbeitgeber könnte im schlimmsten Fall mit der Kündigung drohen.
Bekommen Eltern die Kita-Beiträge erstattet?
Laut Oberthür hänge dies mit den einzelnen Betreuungsverträgen und der Entscheidung der Kommune zusammen und müsse individuell geklärt werden. Einen Rechtsanspruch auf Rückzahlung oder Erstattung der Kita- Beiträge gibt es laut Bauer grundsätzlich aber nicht.
Die Städte Duisburg und Essen geben an, die Elternbeiträge voraussichtlich nicht anteilig zurückzuerstatten. Die Städte Gelsenkirchen und Dortmund hingegen erstatteten im Jahr 2009 den Eltern die Kita-Gebühren komplett zurück. Für den aktuellen Streik müsse vom Rat allerdings ein neuer Beschluss gefasst werden.
Darf der Arbeitnehmer das Kind mit zur Arbeit nehmen?
Das Kind ohne Rücksprache mit dem Arbeitgeber zur Arbeit zu nehmen, gehe nicht. Darauf hätten Eltern grundsätzlich keinen Anspruch. „Das unterliegt dem Hausrecht beziehungsweise der betrieblichen Organisationshoheit des Arbeitgebers“, so Oberthür. Eltern könnten ihren Arbeitgeber aber nach der Möglichkeit fragen und besonders bei großen Unternehmen würden Räumlichkeiten eingerichtet in die Kinder mitgenommen werden dürften.
Wenn dies nicht möglich sei, könnten Eltern von zu Hause aus arbeiten. Auch dies gehe nur im Einvernehmen mit dem Arbeitgeber.
Welche Tipps sind für Eltern noch wichtig?
Die Großeltern oder Freunde, die Urlaub haben sollten der erste Ansprechpartner sein. Eltern sollten ihren Bedarf an einem Notplatz bei der Einrichtungsleitung, in der das Kind angemeldet ist, sofort anzeigen. Die Einrichtung vermittelt auf Basis der Notgruppenliste nach Verfügbarkeit einen Platz. Dabei werden in Essern beispielsweise unter anderem die Kriterien „Berufstätigkeit und soziale Notlage“ berücksichtigt.
Es besteht die Möglichkeit sich mit anderen Eltern der Kita abzustimmen und privat eine Betreuungsgruppe für die Kinder zu organisieren. Hierbei tragen die Eltern die Verantwortung.
Viele Städte werden eine Hotline für Fragen einrichten. In Essen lautet diese 0201/ 88-51205.