Düsseldorf. 2014 gab es 500 Korruptions-Verfahren in Nordrhein-Westfalen. Über eine Hotline will das Landeskriminalamt nun die Korruptions-Bekämpfung forcieren. Anonyme Anrufer sind erwünscht.

Bestechung, Bestechlichkeit und Vorteilsnahme in Wirtschaft und Verwaltung haben in NRW ein dramatisches Niveau erreicht. 2014 leiteten Polizei und Staatsanwaltschaften nach WAZ-Informationen fast 500 Ermittlungsverfahren ein. Experten fordern deshalb strengere Regeln. Christian Voßkühler, Dezernatsleiter im Landeskriminalamt (LKA), hält die Einrichtung eines bundesweiten Registers für zwingend, in das wegen Korruption verurteilte Firmen eingetragen werden. Sie können so von der Auftragsvergabe durch den Staat ausgeschlossen werden.

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Der Chef der Polizeigewerkschaft GdP, Arnold Plickert, fordert die Möglichkeit der strafbefreienden Selbstanzeige wie bei Steuerdelikten. Zumindest will er eine „kleine Kronzeugenregelung“, die einen Strafnachlass für die möglich macht, die über Korruption auspacken. Laut LKA gibt es jährlich rund 160 Hinweise aus Betrieben und Behörden - teils anonym, teils offen. 90 Prozent führten zu Verfahren.

Auch "kleine Leute" bereichern sich

Korruption ist vielfältig wie das Leben. Auch "kleine Leute" bereichern sich. Die Finanzbeamtin, die 50 Steuererklärungen gegen Bares ausfüllt und danach selbst bearbeitet. Drei Schulleiter, die Lehrmaterial bei einem Hamburger Verlag ordern – gegen Provision. Die Müllkutscher, die Müll mitnehmen, der so nicht entsorgt werden darf, und die dann auch das angebotene Geld einpacken.

Es sind drei von vielen Fällen aus den letzten zwei Jahren in Nordrhein-Westfalen. Das wissen sie im Dezernat 15 „Korruption und Umweltkriminalität“ an der Völklinger Straße in Düsseldorf. Im Landeskriminalamt stehen auf der Etage von Dezernatschef Christian Voßkühler Spezialtelefone. Die Kummerkästen sind über eine Nummer erreichbar: 0800 - 56 77 87 8.

Eine aktuelle Spur führt in die Landesbauverwaltung

Wer hier das Gespräch sucht, ist gefeuerter Mitarbeiter einer Firma, unterlegener Mitbieter einer Ausschreibung oder überhaupt jemand, der „eine Enttäuschung erlitten hat“, glauben sie bei der Polizei. Der Anrufer nennt oft seinen Namen nicht. Aber er erzählt den Fahndern von kleinen oder großen nicht koscheren Geschäften. Gerade liegt wieder eine große Nummer auf den Schreibtischen der Abteilung. Eine Million E-Mails müssen sie checken. Die Spur führt in die Landesbauverwaltung.

NRW ist Schauplatz zunehmender Korruptionsermittlungen. 2009 waren es 207 Verfahren. 2011 stiegen sie auf 313. Zuletzt, 2013, erreichten sie 464. Noch liegen die genauen Daten für 2014 nicht vor. Sie pendeln aber auf ähnlich hohem Niveau und sind vereinzelt auch angestiegen. Wobei die Zahlen täuschen. Ermittelt wird in Komplexen. 2013 waren es rund 4200 einzelne Verdächtige.

Einschlägig bekannte Firmen im Korruptionsregister

Dennoch: Eintragungen von einschlägig bekannten Firmen ins Korruptionsregister des Landes gibt es eher wenige. Derzeit sind es neun, 15 im Schnitt der Jahre. Die Nennung soll staatliche Auftraggeber vor unsauberen Geschäftspartnern warnen. Tatsächlich geht ein Land wie Berlin rigoroser vor und rechtlich waghalsiger und hat 2700 Namen auf der schwarzen Liste. Aber die Pflicht von Kommunen und Landesbehörden zur Prüfung liegt an der Spree bei Bauleistungen ab 15.000 Euro, am Rhein erst ab 50.000. Auch ist die Delikte-Palette der Hauptstadt breiter. „Recht hoch“ findet Cheffahnder Voßkühler deshalb die NRW-Hürden.

„Bei Korruption gibt es immer zwei Täter“, sagt der LKA-Mann. Geber, „vornehmlich leitende Angestellte oder Geschäftsführer“, spenden Geld, Handwerkerleistungen, Reisen, Bordellbesuche. Nehmer erteilen dafür Aufträge, Arznei-Zulassungen oder, wie jüngst in Duisburg, gefälschte Kfz-Papiere. Galt einst die Wirtschaft als Tatort Nummer 1, sind heute „Amtsträger“ genauso anfällig.

Ist eine Tasse Kaffee schon zu viel?

Darf der Beamte der Verkehrsbehörde sich eine Tasse Kaffee schenken lassen? „Den Kaffee? Ja. Die Tasse vielleicht nicht mehr, wenn sie wertvoll ist“, sagt Voßkühler. Kleine Gaben einer Stadtfirma – 200, 300 Euro teuer – haben in Düsseldorf zum Strafbefehl an Ex-Oberbürgermeister Dirk Elbers geführt. „Es kommt immer auf die Absicht des Gastgebers an. Wem nützt das? Was kann daraus erwachsen? Jeder ist nur dann auf der sicheren Seite, wenn er konsequent ablehnt.“ Wie der Kölner Polizist, dem ein trunkener Autofahrer 300 Euro angeboten hatte, sollte der Uniformierte gnädig sein.

Die Telefonbeichte ist ein zentraler Teil im LKA-System. Zwar schwankt die Zahl der stillen Bekenntnisse Jahr für Jahr. Mal führen 27 anonyme Hinweise zu Ermittlungen, mal sind es 53. Aber die Fangnetze sind zuverlässig, glaubt der Dezernatschef. „70 Prozent der Anrufe auf der Hotline münden in Verfahren.“ Voßkühler: „Im Kampf gegen Korruption dürfen wir nicht nachlassen. Sie ist eine Hydra. Die Köpfe wachsen nach.“