Berlin. . Ein schnelles Ende in der Affäre um das Sturmgewehr der Bundeswehr ist nicht in Sicht. Ersatz wird dauern, und die Aufklärung sicherlich auch.

Die Mängel am Bundeswehr-Sturmgewehr G 36 drohen zu einer gefährlichen Dauerbelastung zu werden – für die Soldaten ebenso wie für die Politik. Obwohl das Standardgewehr laut Gutachten für das Verteidigungsministerium wegen Treffer- und Präzisionsproblemen „nicht in vollem Umfang einsatzreif“ ist, lässt sich ein Ersatz offenbar erst in einigen Jahren organisieren.

Zugleich hat Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) wenig Aussicht, die Affäre schnell zu beenden – schon die von ihr eingesetzten beiden Untersuchungskommissionen werden erst im Herbst Ergebnisse vorlegen.

Peschmerga sind zufrieden

Nur auf den ersten Blick klang es wie Entwarnung, was gestern aus dem Irak nach Berlin drang: Die kurdischen Peschmerga versicherten, sie hätten mit den von der Bundeswehr für den Kampf gegen die IS-Terrormiliz gelieferten 8000 G 36-Sturmgewehren keine Probleme. „Die Waffe ist super“, hieß es, „sie funktioniert einwandfrei.“

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Doch erstens haben die kurdischen Kämpfer das G 36 noch gar nicht in einem heißen Sommer eingesetzt, die Probleme mit dem Sturmgewehr treten aber erst bei starken Erwärmungen auf. Und zweitens sind die Ergebnisse des abschließenden Gutachtens für das Verteidigungsministeriums so oder so eindeutig: „Die Waffe ist für den Einsatz nur eingeschränkt tauglich und daher nicht in vollem Umfang einsatzreif“, heißt es in einem der Teilberichte, an denen Behörden des Wehrressorts, der Bundesrechnungshof und Wissenschaftler mitgearbeitet haben.

Trefferquote sank dramatisch

Bei Tests mit Temperaturveränderungen um 30 Grad war die Trefferquote um durchschnittlich 30 Prozent gesunken, teilweise wurde sogar nur noch in 7 Prozent der Fälle ein Treffer erzielt. Im Einsatz könne der Gegner selbst bei den ersten Schüssen womöglich nicht gezielt getroffen werden, so die Expertise.

Ob diese Mängel deutsche Soldaten bei Gefechten in Afghanistan in Gefahr gebracht oder gar das Leben gekostet haben, soll jetzt eine der beiden Untersuchungskommissionen klären. Für die Zukunft mahnt das Gutachten aber: Es gebe eine „erhebliche Fähigkeitslücke, die im Sinne der Überlebens- und Durchhaltefähigkeit im Einsatz schnellstmöglich geschlossen werden muss.“ Aber wie?

Austausch kann Jahre dauern

Der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Hans-Peter Bartels (SPD), plädierte gestern schon für die Anschaffung einer neuen Standardwaffe für die Bundeswehr. Auch für das Ministerium ist das eine Option: Es sei nicht ausgemacht, ob das Gewehr als Standardgewehr ersetzt werden müsse, heißt es. Doch laut Gutachten kann der Austausch der rund 167 000 G-36-Gewehre bis zu zehn Jahre dauern, Erprobungen und Vergabeverfahren eingeschlossen. Das Planungsamt der Bundeswehr plädiert für eine mehrjährige Übergangslösung, bei der kurzfristig beschaffte Sturmgewehre anderer Hersteller das G 36 in bestimmten Einsätzen ergänzen sollen.

So schnell wird von der Leyen das Problem also nicht los. Zwar muss sich die entscheidenden Versäumnisse wohl ihr Vorgänger Thomas de Maizière (CDU) anrechnen lassen; er hatte alle kritischen Berichte über Mängel beim G 36, die seit 2011 bekannt waren, ignoriert. Aber auch von der Leyen hat seit ihrem Amtsantritt offenbar Gelegenheiten zur Aufklärung verpasst. Ein vertraulicher Rechnungshofbericht mahnte im Juni 2014, das Ministerium ignoriere auch unter der neuen Führung alle Erkenntnisse zu Präzisionseinschränkungen. Die Ministerin gab zwar Untersuchungen in Auftrag, aber erst deutlich später entschloss sie sich zur Vorwärtsverteidigung.

Die Opposition behält sich die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses vor, der auch für von der Leyen gefährlich werden könnte. Der Hersteller Heckler & Koch allerdings kann die ganze Debatte nicht verstehen und wirft dem Verteidigungsministerium Rufschädigung vor: Das Sturmgewehr sei „zu 100 Prozent einsatzfähig“.