Siegburg. . FDP-Chef Lindner beschwört auf dem Landesparteitag alte Tugenden, um aus dem Tief zu kommen. Wer die Harmonie stört, dem wird das Mikro abgedreht.

Fast eine Stunde beschwört Christian Lindner das Ende der liberalen Depression. Weil die Bühne im Bundestag fehlt, nutzt der FDP-Vorsitzende den NRW-Landesparteitag in Siegburg zur inhaltlichen Kursbestimmung.

Das politische Comeback in Hamburg soll in der FDP neue Kräfte freisetzen. Lindner will als Treiber der Gesamtpartei mit Trippelschritten von unten zurück nach oben und endlich wieder über eigene Projekte reden.

Angst vor dem Vergessenwerden

Der Mann mit den drei FDP-Hüten – Vorsitzender in Bund, Land und Landtagsfraktion – sieht für die Liberalen nach langer Durststrecke wieder Land. Lindner fordert die Rückkehr zu alten Tugenden: Mut zur Klarheit, Verzicht auf Populismus, Glaubwürdigkeit.

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Die Botschaften des 36-Jährigen sind klar: Griechenland soll nur dann Euro-Land bleiben, wenn es die zugesagten Reformen angeht. „Die Euro-Zone wird nicht geschwächt, wenn ein unsolides Griechenland die Euro-Zone verlässt.“

Bei der umstrittenen Vorratsdatenspeicherung droht die FDP dem Bund mit einer Verfassungsklage, wenn Daten der Bürger nicht geschützt werden. Und in der Klimaschutzpolitik sollen Bund und Land Brüsseler Vorgaben nur noch 1:1 umsetzen und auf „überambitionierte“ zusätzliche Auflagen verzichten.

Angst vor dem Vergessenwerden

„Die Klimapolitik von Remmel macht nur Sinn, wenn man daran glaubt, dass man die Erderwärmung zwischen Bielefeld und Bonn stoppen kann“, stichelt der Oberliberale unter Beifall der 400 Delegierten. Ansonsten kein Wahlkampf, keine krachenden Dreikönigsreden. Auch FDP-Generalsekretär Johannes Vogel setzt auf Sacharbeit.

In Siegburg präsentiert sich eine in der Angst vor dem Vergessenwerden geschlossene Partei. Die jüngsten Umfragen mit bundesweit fünf Prozent machen Mut – aber wer weiß schon? Im Leitantrag stimmt die Partei für ein bürokratiefreies Jahr für Unternehmensgründer.

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Die FDP fürchtet eine schleichende De-Industrialisierung, weil deutsche Konzerne 2014 erstmals mehr im Ausland als im Inland investiert haben. Und dass NRW die konkrete Auflistung des Unterrichtsausfalls wegen des bürokratischen Aufwands ablehnt, der Bund aber „1600 schwer bewaffnete Zollbeamte“ in die Betriebe schickt, um den Mindestlohn zu kontrollieren, trifft auf den Protest der Liberalen.

Rechts-Links-Debatte unerwünscht

Nur einmal wird die große Harmonie des Parteitreffens gestört. Als Landtagsvizepräsident Gerhard Papke in der Debatte zur Flüchtlingspolitik offen gegen das Kopftuch für Lehrerinnen wettert, rumort es im Saal. Papke fordert mehr Mut der Liberalen, sich auch gegen den „Mainstream“ zu stellen. Die Parteitagsregie gibt die Antwort: Sie dreht Papke beim langen Monolog einfach den Saft fürs Mikrofon ab. Eine neue Rechts-Links-Debatte in der Partei ist nicht erwünscht.