Berlin. . SPD-Chef: Die Städte sind bei der Unterbringung von Flüchtlingen völlig überfordert. Das gefährde die Hilfsbereitschaft. Nun soll der Bund helfen.
SPD-Chef Sigmar Gabriel hat vor sozialen Spannungen in Städten und Gemeinden gewarnt, wenn der Bund die Kommunen nicht schnell verstärkt bei der Flüchtlingsunterbringung entlastet.
Bereits in diesem Jahr würden sich die Kosten für die Unterbringung von Flüchtlingen auf mehr als 3,5 Milliarden Euro erhöhen, sagte Gabriel dieser Redaktion. Die Tendenz sei steigend, die Zahl der Flüchtlinge werde angesichts der Krisen in der Welt weiter zunehmen.
Gelder reichen bei weitem nicht
Die Kommunen dürften aber nicht vor die Alternative gestellt werden, entweder eine angemessene Unterbringung von Flüchtlingen bezahlen zu können oder ihre originären Aufgaben in der Unterhaltung von Schulen, Kitas und anderen öffentlichen Einrichtungen zu erfüllen. „Diese Alternativstellung gefährdet die große Hilfsbereitschaft in Deutschland und birgt sozialen Sprengstoff in sich, den wir gar nicht erst entstehen lassen dürfen“, warnte der SPD-Chef. „Die Städte und Gemeinden brauchen rasch strukturelle Hilfe vom Bund.“
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Die bisher für 2015 und 2016 gewährten Bundeshilfen von insgesamt einer Milliarde Euro reichten bei weitem nicht aus. Die vereinbarte Arbeitsgruppe von Bund und Ländern müsse daher „schnell zu Lösungen kommen“, auch bei der Beschleunigung der Asylverfahren, drängte der SPD-Chef. Gabriel stellte aber auch klar, dass Deutschland die Herausforderungen der zunehmenden Zahl von Flüchtlingen – in diesem Jahr werden mindestens 300 000 erwartet – gut meistern könne, wenn Bund, Länder, Kommunen und Zivilgesellschaft schnell und „ohne parteipolitisches Kleinklein“ handelten.
Union lehnt weitere Gelder ab
Der Vizekanzler, der Forderungen der kommunalen Spitzenverbände aufgreift, erhöht damit den Druck auf den Koalitionspartner. Auf einen ersten Vorstoß Gabriels vergangene Woche hatte die Union zurückhaltend reagiert.
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Unionsfraktionschef Volker Kauder lehnt neue Hilfen des Bundes ab. Innenminister Thomas de Maizière (CDU), der am Wochenende Gesprächsbereitschaft signalisiert hatte, wollte sich gestern nicht zu der Kostenfrage äußern. Er beklagte aber auf einer Zuwanderungskonferenz in Berlin, dass aktuell rund die Hälfte aller Asylbewerber aus den sechs Staaten des Westbalkans kämen: „Das sind Menschen, die kaum eine Anerkennungschance haben. Das ist für uns inakzeptabel und für Europa blamabel.“
Abschiebungen zügiger durchsetzen
Wer kein Aufenthaltsrecht beanspruchen könne, müsse zügig wieder in seine Heimat zurückkehren – wenn Abschiebungen nicht durchgesetzt würden, kippe das gesamte Asylsystem, warnte de Maizière. Der Minister äußerte sich zum Auftakt einer Konferenz, mit der er in der Zuwanderungsdebatte in die Offensive kommen wollte: Statt eines Einwanderungsgesetzes mit einem Punktesystem für qualifizierte Arbeitnehmer, wie es die SPD fordert, plädiert de Maizière für ein „Zuwanderungsmarketing“ – eine bessere Werbung um ausländische Fachkräfte.
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Es müsse mehr über das Einladen gesprochen werden, weniger über das Erlauben: Denn ausländische Fachkräfte stünden nicht Schlange, um in Deutschland zu arbeiten.
Dabei müsse sich Deutschland vor allem viel stärker aktiv um Zuwanderer aus anderen europäischen Ländern bemühen. „Wir müssen da gezielt Werbung machen für unser Land, wo wir wollen, dass Menschen zu uns kommen“, sagte de Maizière. Migranten aus der EU würden von einem Einwanderungsgesetz aber gar nicht erfasst.
Bei der Anwerbung von Fachkräften sieht der Minister vor allem die Wirtschaft gefragt. Der CDU-Politiker will die Debatte jetzt in einem „nationalen Bündnis für Migration und Integration“ fortsetzen. Die SPD-Bundestagsfraktion erklärte, sie halte an der Forderung nach einem Einwanderungsgesetz fest.