Dortmund. . Ein Jahr begleiten wir die syrische Flüchtlingsfamilie Refais in Deutschland. Hier wollen sie sich eine neue Heimat aufbauen. Jetzt haben sie ihre Ausweise erhalten.

Sie sind Flüchtlinge. Die nächsten drei Jahre dürfen sie in Deutschland leben, arbeiten und sich frei bewegen. Niemand wird nachts an ihre Tür klopfen und sie abschieben. Die Refais mit Vater Ammar, Mutter Huda sowie den Kindern Alja (13), Leyla (10), Ahmad (9) und Yussef (4) haben ihre Ausweise erhalten.

Sechs Wochen mussten sie warten, bevor die Bundesdruckerei die wichtigen Dokumente mit den Passfotos freigab. Jetzt halten sie ein Stück Freiheit in DIN-A-6-Format in ihren Händen. „Jetzt sind wir sicher“, sagt Ammar. Die syrische Flüchtlingsfamilie, die sich vor Assads mörderischem Regime mit einem Boot übers Mittelmeer nach Europa rettete, will sich in Deutschland eine neue Existenz aufbauen.

Auch interessant

Seit ein paar Wochen leben die Refais in ihren eigenen vier Wänden in Dortmund. Ammar und Huda haben nun ein eigenes Bett in einem eigenen Schlafzimmer. Die beiden Mädchen und die beiden Jungs teilen jeweils ein Zimmer. Im Vergleich zum übervollen Übergangswohnheim ist das Luxus. Im Vergleich zu den Verhältnissen auf der Flucht, bei denen die sechs Refais über einen Zeitraum von zwei Jahren in einem Zimmer, in Zelten und an Deck eines schrottreifen Bootes hausten, ist es das Paradies. Nur im Vergleich zu ihrer Wohnung, die sie einst in Homs in Syrien hatten, sind die vielen Quadratmeter eines Mehrfamilienhauses im Schatten einer stillgelegten Zeche bescheiden. Wer den Medizintechniker und die Apothekerin fragt, „wie geht es euch ?“, kriegt immer dieselbe Antwort. „Gut. Hauptsache die Kinder schaffen es.“

Die Hoffnung scheint sich zu erfüllen. Bei einem Besuch zeigt Alja (13), die älteste Tochter, nicht nur ihr eigenes Zeugnis, sondern auch die ihrer Geschwister Leyla (10) und Ahmad (9). Allen Kindern werden sehr gute Sprachkenntnisse attestiert. Ahmed ist der Beste seiner Klasse, wenn es ums Rechnen geht. Leyla hat die Empfehlung fürs Gymnasium. Und Alja?: sehr gute Schülerin, sehr beliebt – nach nur drei Monaten in einer Auffangklasse bereits einer normalen altersgemäßen Klasse zugeteilt. „Ich studiere später Sprachen“, sagt sie übermütig. Die Stimmung an diesem Sonntag ist ausgelassen und das, obwohl Alja fiebert und Yussef (4) eine Erkältung hat. Trotz ungemütlicher Kälte tragen die beiden ihre Sommerschuhe auf.

Dankesagen mit Tee uns Gebäck

In den nächsten Tagen machen sich Ammar und Huda mit Yussef im Schlepptau auf, ihre Wohnung zu renovieren und zu möblieren. Mit nichts außer ihrem bisschen Kleidung sind sie eingezogen. Im Sozialkaufhaus und bei einem Billiganbieter werden sie fündig und kaufen Betten, Kleiderschränke, Sofa und - ganz wichtig - einen Esstisch mit acht Stühlen. „Früher hatten wir viel Besuch. Wir haben immer gemeinsam gegessen“, schwärmt Huda von der guten Zeit in Frieden.

Auch interessant

Die Refais haben zwei, drei Menschen in ihrer Umgebung gefunden, die ihnen behilflich sind und denen sie vertrauen. Auch jetzt sind diese Leute, die sie auf der Flucht in Griechenland und in Dortmund kennengelernt haben, wichtig. Denn das Geld vom Sozialamt für die Erstausstattung war schnell aufgebraucht. Die Refais bedanken sich mit Tee und Gebäck. Doch die menschliche Wärme kann nicht darüber hinweg täuschen, wie leer und kalt die Wohnung noch ist, in der die Syrer wie auf Besuch wirken. Bis auf einmal das Telefon klingelt und die blassen Gesichter glücklich strahlen lässt: Yussef darf in den Kindergarten gehen. Endlich kann er spielen und ein kleiner Junge sein. Endlich.

Ammar und Huda müssen nun ihr eigenes Schicksal in die Hand nehmen. Deutsch lernen und Arbeit finden. „,Ich brauche Arbeit, sonst werde ich verrückt“, sagt der 44-jährige Familienvater.