Dortmund. . Die Refais aus Syrien haben die deutsche Bürokratie kennengelernt. Um klarzukommen, nehmen sie Hilfe an. Zumindest haben die Kinder schon eine Schule.

Zwei Jahre lang dauerte ihre Flucht aus Syrien, seit sechs Monaten sind sie in Deutschland. Seit sechs Monaten lebt Familie Refai aus Homs in einer Flüchtlingsunterkunft in Dortmund. Vater Ammar, Mutter Huda die beiden Mädchen Alia (13), Lela (10) sowie die Jungen Ahmad (8) und Jusef (3) wollen ein neues Leben beginnen. Doch das ist gar nicht so einfach.

Denn jeder Schritt in Richtung Zukunft bedeutet Bürokratie. Ammar schlägt eine schwarze DIN-A-4-Kladde auf, in der er Anträge und Info-Blätter aufbewahrt. ,,Können Sie mir helfen, was soll ich tun?“, fragt er auf Englisch. Er versteht die in Deutsch gehaltenen Papiere nicht und weiß nur vage, um was es gehen könnte. Wenn er und Huda das Sozialamt verlassen, ist es mal wieder ganz schnell gegangen. Draußen warten andere Flüchtlinge, die alle dasselbe wollen. Asyl, eine Unterkunft, Geld zum Leben. Da ist für ausführliche Erklärungen keine Zeit.

Zu viel Zeit zum Grübeln

Doch Zeit haben die Refais viel. Zu viel für ihren Geschmack - um zu Grübeln oder über Chancen nachzudenken. Die erste haben sie ergriffen, als sie das diktatorische, die eigene Bevölkerung mit Bomben und Giftgas tötende Syrien verließen und unter lebensgefährlichen Umständen mit dem Boot übers Mittelmeer nach Europa kamen. Die zweite hat sich kurz nach ihrer Ankunft in Dortmund geboten: Alia, Lela und Ahmad wurden in so genannten Auffangklassen, in der Flüchtlinge zunächst einmal Deutsch lernen, eingeschult. „Die Kinder sind das Wichtigste. Die sollen alles vergessen. Die Lehrerin hat gesagt, Lela kann wahrscheinlich ein Gymnasium besuchen“, sagt Huda. Ihr fällt ein Stein vom Herzen. Für sich selbst hat sie die Devise ausgegeben: Step by Step, Schritt für Schritt - geht es voran.

Auch interessant

Sehr schnell haben Huda und Ammar begriffen, dass sie jede Möglichkeit ergreifen müssen, die sich als Hilfe erweisen könnte. Als sie gefragt werden, ob sie nicht zusammen mit anderen Flüchtlingen über ihr Schicksal erzählen möchten, willigen sie ein. So kommt es, dass eine muslimische Familie am Friedensgebet in einer katholischen Kirche in Dortmund teilnimmt und erzählt. Und bewegt. Am Ende sagen sie, dass sie eine Wohnung suchen, um ein normales Leben leben zu können. Die Menschen reagieren und bieten Hilfe an. ,,Ohne diese Hilfe würden wir es nicht schaffen. Wenn du kein Deutsch sprichst, kriegst du nichts“, sagen die Refais. Sie haben den direkten Vergleich. Bei ihren Nachbarn in der Flüchtlingsunterkunft im Grevendicks Feld tut sich seit Monaten nichts. Nur bei ihnen geht was.

Bürokratie überfordert sie

Kurz vor Weihnachten werden sie benachrichtigt, dass sie Reisepässe erhalten und zunächst drei Jahre lang in Deutschland bleiben dürfen. Schließlich finden sie eine Wohnung, ,,nicht in der Nordstadt, sondern in einer normalen Siedlung. Schulen sind auch da“. Ammar und Huda atmen auf. Wie sie eine Wohnung mit nichts - denn sie haben nichts - einrichten wollen, ist zweitrangig.

Jetzt müssen sie Deutsch lernen. Nur wie? Sie müssen einen Integrationskurs besuchen, nur wo? Das Formblatt der Stadt überfordert sie. Sie müssen sich beraten lassen, um an einem Kurs teilnehmen zu dürfen. „Step by Step“. Sie machen sich Mut.