Essen/Herne. . Ein persisches Paar, das erst aus seiner Heimat und dann aus Angst vor einer Abschiebung aus Herne flüchtete, will jetzt in Essen einen neuen Asylantrag stellen.
Sie haben im Essener Weigle-Haus sogar Weihnachten gefeiert. Zwei Familien aus der Gemeinde feierten mit. „Den Christbaum haben wir selbst geschmückt“, sagt die Frau und lächelt. Der Mann ergänzt: „Das war sehr schön.“
In dem Haus der evangelischen Kirche in Essen, das eingekeilt zwischen Bahngleisen und A40 mitten in der Innenstadt liegt, lebt seit genau einem halben Jahr ein Paar aus Teheran (die WAZ berichtete). Seit dem letzten Sommer wird dem Mann und der Frau dort Kirchenasyl gewährt – nachdem sie auch aus Herne geflohen sind.
Zur Fahndung ausgeschrieben
Erst waren sie aus ihrer Heimat geflüchtet, weil sie entschieden hatten, als Christen zu leben. Heimlich besuchten sie eine kleine Hauskirche in ihrer Heimat. Der Mann war außerdem politisch aktiv, hatte Kontakt zu regierungskritischen Kreisen, saß deshalb 45 Tage im Gefängnis in Teheran. Als es Hinweise auf eine ernstzunehmende Gefährdung gab, flüchteten sie mit dem Flugzeug nach Schweden, dort wurde ihr Asylantrag abgelehnt. Weiter ging es nach Deutschland, in Herne kamen sie in einem Flüchtlingsheim unter, doch das Ausländeramt Herne wollte das Paar wieder abschieben.
Das Paar ist seitdem zur Fahndung ausgeschrieben. Werden sie auf der Straße von der Polizei kontrolliert, müssen die Beamten sie festnehmen. Dann droht die Abschiebung in den Iran, das hieße: „eine Gefährdung für Leib und Leben“, sagt Rolf Zwick, der Pfarrer im Weigle-Haus.
Sie hatten bürgerliche Berufe in ihrer Heimat, er in der Immobilienbranche, sie in einem internationalen Konzern. Im Weigle-Haus üben sie fast täglich Deutsch mit Leuten aus der Gemeinde, der Fortschritt ist ganz offensichtlich. Was sie sich am meisten wünschen? Ein kurzes Lächeln, dann: „Freiheit. Hier, in Deutschland, in Freiheit zu leben.“
Der Mann und die Frau, er ist 37 und sie 35 Jahre alt, mischen mittlerweile auch aktiv bei der Hausaufgabenbetreuung mit, die das Weigle-Haus für Grundschulkinder anbietet. Das Paar liest dann Geschichten vor aus Kinderbüchern. Nach wie vor sind sie auch aktiv im internationalen Bibelkreis, und sonntags, nach dem Gottesdienst, richten sie das gemeinsame Kaffeetrinken aus. „Die beiden sind“, sagt Rolf Zwick, „längst Teil des Weigle-Hauses.“
Fall zog weite Kreise bis in die Landeskirche
Die Kirche lässt sich juristisch beraten, der Fall zog weite Kreise bis in die Landeskirche, und selbst Volker Kauder, Fraktionschef der CDU/CSU im Bundestag, müsste mittlerweile über den Fall unterrichtet sein, denn kurz nach Weihnachten erhielt er ein Schreiben aus Essen, verfasst von Sigmund Polutta, Rechtsanwalt und Gemeinderatsmitglied der Weigle-Haus-Gemeinde. Kauder hatte in einem Zeitungsinterview Kirchenasyl als „höchst problematische Sache“ bezeichnet. Polutta schrieb ihm: „Kirchenasyl steht nicht in allen Fällen im Widerspruch rechtsstaatlichen Handelns.“ Eine Antwort aus Berlin hat es dem Vernehmen nach jedoch nicht gegeben.
Das Paar hält Kontakt zur Familie in der Heimat, regelmäßig sprechen sie ihre Eltern oder Geschwister über Internet-Telefon, falls es die Verbindungsqualität in den Iran zulässt. Ein neuer Asylantrag, hier in Deutschland, soll bald gestellt werden, doch wie er beschieden wird, ist derzeit unklar. „Das Wichtigste wäre“, erklärt Pfarrer Zwick, „wenn die Ausschreibung zur Fahndung zurückgenommen werden würde.“